Warum dieses Buch?

Das Buch ist im Büchner-Verlag in Marburg erschienen und ist im Verlagsverzeichnis aufgeführt. Das Verzeichnis beschreibt den Inhalt des Buches. Nachfolgend möchte ich meine ganz persönliche Motivation beschreiben.

In ihrer Rede vor dem sechsten Petersberger Klimadialog im Mai 2015 forderte die Bundeskanzlerin Angela Merkel die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft. Dies ist ein sehr vernünftiger Ansatz. Bloß, was ist seitdem geschehen? Nichts; die Situation hat sich sogar verschlechtert. Der Dieselgate–Skandal führte dazu, dass die C02–Problematik aus der Diskussion gedrängt wurde und die N0x–Werte den öffentlichen Diskurs bestimmten. Fahrverbote und blaue Plaketten erhitzten die Gemüter. Die Autoindustrie sieht den Diesel nicht als Problem, sondern als Lösung des Problems. Außerdem wurde die Elektromobilität in den Fokus gestellt. Selbstfahrende elektrische Automobile und die Digitalisierung werden das Mobilitätsproblem schon lösen und eine Abkehr vom Öl einleiten. Es wird dabei grundsätzlich vergessen, dass Strom nur ein Energieträger und keine Energiequelle ist. Unsere Mobilität wird hauptsächlich von Energiequellen angetrieben, die aus Kohlenstoff bestehen, zum Beispiel Öl, Kohle und Gas. Von einer Dekarbonisierung kann also keine Rede sein. Neben diesen Problemlagen hat die neue Groko im März 2018 verkündet, dass sie die Klimaziele für das Jahr 2020 nicht einhalten kann. Eine Lösung dieses Problems wird kaum diskutiert. Der neue Verkehrsminister setzt nach wie vor auf den Individualverkehr. Die Automobilindustrie wird die zukünftigen Probleme schon freiwillig angehen und für die Volkswirtschaft sinnvoll lösen. Betriebswirtschaftlich ausgerichtete Unternehmen haben selten zufriedenstellend volkswirtschaftliche Probleme gelöst. Also sind erhebliche Zweifel angebracht. Die Dekarbonisierung der Wirtschaft findet nicht statt.

Da ich mich schon sehr lange[1] mit dem Thema Kohlenstoff und Rohöl beschäftige, wird es Zeit, diese Thematik wieder in den Fokus der volkswirtschaftlichen Betrachtung zu stellen. Außerdem wird beim Verbrennen von Kohlenstoff C02 freigesetzt. Damit rückt die Klimakatastrophe immer näher. Schwerpunktmäßig beschäftige ich mich in meinem Buch, neben der Entstehung von Rohöl, vor allem mit der Preisbildung dieses wichtigen Rohstoffs. Wie funktionieren die Rohstoffmärkte und welche Konsequenzen sind mit der Liberalisierung der Märkte verbunden? Nicht nur die Natur wird durch unser ökonomisches Handeln stark beschädigt sondern auch das Klima. Demzufolge wird der Klimawandel ebenfalls ausführlich behandelt.

Der C02 – Ausstoß hat sich seit den 1980er Jahren sehr stark erhöht[2]. Seit dieser Zeit wurde die Soziale Marktwirtschaft sukzessive durch die entfesselte markt-und wachstumsorientierte Logik der neoliberalen Ökonomie verdrängt. Gibt es hier einen Zusammenhang? Ich habe in meinem Buch diese Beziehung untersucht und die Natur in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt.

Ich werde hellhörig, wenn ein Wort, das auf einen -“ismus” endet, ausgesprochen wird. Faschismus, Kommunismus, Kapitalismus und Fundamentalismus sind solche Worte. Sie implizieren in sich geschlossene Systeme, die keinen Widerspruch zulassen. Geschlossene Systeme empfinde ich als demokratiefeindlich und deshalb müssen sie lebhaft kritisiert und diskutiert werden.

Es stellt sich die Frage, warum wir seit über dreißig Jahren glauben, dass uns ein weiterer -“ismus” die ökonomische Rettung bringen wird. Nämliche die fundamentalistische und marktradikale Lehre des volkswirtschaftlichen Neoliberalismus. Friedrich von Hayek war der Auffassung, dass die neoliberale Theorie eine konsequente Weltanschauung sei und am erfolgreichsten durch Journalisten und Lehrer an zukünftige Generationen weitergegeben werden kann. Fundamentalismus und konsequente Weltanschauungen haben der Menschheit allerdings noch nie etwas Gutes beschert. Kann eine Ökonomie eine konsequente Weltanschauung sein, ist sie alternativlos? Die Vertreter dieser ökonomischen „Glaubenslehre“, Friedrich von Hayek und Milton Friedman, sind der Meinung, dass Märkte nur funktionieren, wenn sie wirklich frei sind. Deshalb müssen Märkte, nach Auffassung der neoliberalen Denkschule, dereguliert, privatisiert und liberalisiert werden. Außerdem sind Steuern und Sozialausgaben zu reduzieren. Dies führte dazu, dass die Soziale Marktwirtschaft zugunsten des Neoliberalismus und des Kapitalismus massiv zurückgedrängt wurde.

Kurioserweise ordnet sich das freiheitsliebende Kapital dem, von Marx begründeten Zwangsgesetz des Kapitalismus, nämlich Wettbewerb, permanente Verwertung und technischer Fortschritt, widerspruchslos unter und glorifiziert sogar diese Zwänge.

Ich beziehe mich in meinem Buch immer wieder auf die wichtigsten Ökonomen (A. Smith, J.M. Keynes, J. Schumpeter aber auch M. Friedman, W. Eucken und K. Marx). Karl Marx nimmt hier eine Sonderstellung ein, weil er sowohl in den Schul- und Studienbüchern als auch in der breiten Öffentlichkeit überhaupt nicht oder verzerrt dargestellt wird. Auch wenn in diesem Jahr der zwei hundertste Geburtstag gefeiert wird, haben große Teile der Bevölkerung wenig Kenntnis vom ökonomischen Marx, sie meinen aber, dass Marx der Erfinder des Marxismus und des Kommunismus sei. Ganz so einfach ist es dann doch nicht. „Marx hat nie einen Marxismus begründet. Nichts lag ihm ferner, als ein abgeschlossenes System zu schaffen. Die Welt im Wandel durch Widerspruch verträgt in seiner Sichtweise keine dogmatische Erstarrung.“[3] Da Marx deshalb den Marxismus ablehnte, folgt daraus, dass man Marx vor den Marxisten retten muss. Die Lehren des Ökonomen Marx sind im volkswirtschaftlichen Diskurs sehr wichtig, sie müssen aber ebenso kritisch betrachtet werden, wie die Lehren der anderen maßgeblichen Ökonomen. Es gibt nicht nur eine zielführende volkswirtschaftliche Sichtweise. Es wird Zeit, lebhaft zu diskutieren, alle denkbaren Alternativen auszuloten und die Natur in den Mittelpunkt zu stellen.

Da ich allen fundamentalistischen Theorien sehr skeptisch gegenüberstehe, muss natürlich der Neoliberalismus und auch der Kapitalismus kritisiert werden, weil diese Art zu wirtschaften sehr viele Verlierer und wenige Gewinner hervorbringt. Die größte Verliererin ist unsere alleinige Produktanbieterin, die unseren Reichtum und unsere Lebensgrundlage ermöglicht, die Natur.  Sie ist tatsächlich alternativlos. Dann gibt es eine Vielzahl von Menschen, die durch den Marktmechanismus zu Verlierern werden und es gibt einige Gewinner, die ihre “gesellschaftliche Stellung […] nur dem Faktum der Geburt” [4] verdanken. Die neoliberale Ökonomie lässt als Steuerungsinstrument ausschließlich den Markt zu, der nur scheinbar alternativlos ist. Volkswirtschaften werden durch Menschen geprägt und es gibt immer ausreichend Alternativen. Die Märkte müssen nicht vergöttert werden und das System des Neoliberalismus ist nicht alternativlos. Deshalb muss eine echte Soziale und ökologische Marktwirtschaft erkämpft werden, sie entsteht nicht durch Proklamation.

Auch wenn das Führungspersonal der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) eine demokratische Gesellschaft proklamierte, muss festgestellt werden, dass hier eine Diktatur herrschte. Der  Kommunismus östlicher Prägung wurde schließlich überwunden. Zeitgleich wurde aber auch  die Soziale Marktwirtschaft zurückgedrängt, um wieder einen -“ismus” einzuführen, den Neoliberalismus.  Letztendlich hat der Neoliberalismus die Soziale Marktwirtschaft stark beschädigt, jetzt wird durch die Digitalisierung die Demokratie bedroht (siehe https://udokoepke.de/2018/04/29/4-politik-demokratie-digitalisierung-und-resümee/  ). Soziale Marktwirtschaft und Demokratie müssen permanent erkämpft werden, durch bloße Namensgebung sind sie noch nicht vorhanden. Dass sich die Arbeitgeber in unserem Sozialstaat zur Hälfte an den Sozialversicherungsbeiträgen der Arbeitnehmer beteiligen, ist eine notwendige aber keine hinreichende Bedingung für die Existenz einer Sozialen Marktwirtschaft. Fraglich ist, ob die Soziale Marktwirtschaft überhaupt noch existiert oder ob es nur noch eine Worthülse ist?  Wer mehr erfahren möchte, muss mein Buch lesen.

[1] Das Buch „Die Grenzen des Wachstums“ von Dennis Meadows war 1973 meine Initialzündung.

[2] Die C02 – Konzentration betrug weltweit: [293 ppm (parts per million) im Jahre 1860], [315 ppm im Jahre 1972], [380 ppm im Jahre 2000] und [400 ppm im Jahre 2015]  Tendenz steigend. Im Jahre 2017 betrug die Konzentration 410 ppm. Wenn sich der Wert auf 430 ppm erhöht, ist dass 2-Grad-Ziel nicht mehr zu erreichen. Prozentual ausgedrückt betrug die Steigerung von 1860 bis 1972 (also innerhalb von 112 Jahren) 7,5 Prozent; von 1972 bis 2000 ( innerhalb von 28 Jahren) 20,6 Prozent.

[3] Jürgen Neffe, Marx der Unvollendete, München, 2017, S. 18.

[4] Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, München 1986 (1951), S. 134.