Die schöpferische Zerstörung in der Fotografie

26. April 2021

All sorrows can be borne if you put them into a story or tell a story about them.

Isak Dinesen

Ich gebe es zu- oder gebe ich an – mein Hobby seit frühester Jugend ist das Lesen, später ist das Schreiben hinzugekommen. Im Jahre 1973 habe ich mein erstes Sachbuch gelesen: Die Grenzen des Wachstums von Dennis Meadows. Dieses Buch prägt mich bis zum heutigen Tag.

Patti Smith hat es in ihrem neuen Buch „Hingabe“ gut dargestellt und gefragt: „Welche geheimnisvolle Macht treibt jemanden dazu, das Erlebte, seine Gefühle und Gedanken zu Papier zu bringen?“ Für mich persönlich gibt es nur eine Antwort – das Erlebte, die Gefühle und die Gedanken müssen im Kopf geordnet werden, damit die Urteilskraft durch selbstkritische Reflexionen eine Stärkung erfahren kann. Dies gelingt am besten, wenn man die Gedanken zu Papier bringt. In Anlehnung an Heinrich von Kleist[1] könnte man auch sagen, die Gedanken entstehen allmählich beim Schreiben. Dies lässt sich auch auf die Fotografie übertragen.

Seit frühester Jugend beschäftige ich mich auch mit der Fotografie. Leider kommt auf meiner Homepage die Fotografie viel zu kurz. Zukünftig möchte ich mich wieder stärker damit beschäftigen und auch Ausstellungstermine hinterlegen. Aktuell hängt eines meiner Bilder in einer Ausstellung in Hilden, in der Nähe von Düsseldorf.

Link für den Ausstellungskatalog, Seite 22 (Köpke):

https://www.qqtec.de/wp-content/uploads/2021/04/KatalogKontrast-web.pdf

Führung durch die Ausstellung:

https://www.youtube.com/watch?v=D9xzt4VOmqE

Virtuelle Vernissage:

https://www.youtube.com/watch?v=TQyLj7ZPr80&t=455s

Die genannte Kunstaustellung beschäftigt sich mit dem Thema Kontrast. Mein Bild versucht den ökonomischen Widerspruch der schöpferischen Zerstörung (Schumpeter) darzustellen. Nach meinem Verständnis hat die Kunst die Aufgabe, die kapitalistische Wirklichkeit herauszufordern. Die Fotografie kann die daraus resultierenden  Widersprüche und Defizite sichtbar machen. Die schöne Konsumwelt lässt sich am besten farbig darstellen, denn wie sang Nina Hagen in den 1970er- Jahren: „Ich kann mich gar nicht entscheiden, es ist alles so schön bunt hier“. Obwohl es ein Farbfoto aus dem Jahre 2017 ist, nimmt die Schwarzweißfotografie für mich gegenwärtig einen immer größer werdenden Raum ein und beschäftigt mich zunehmend, weil sie in ihrem Wesen die Reduzierung darstellt. Man beschränkt sich auf Schwarz-, Weiß und Grautöne. Fachleute meinen, ein gutes Schwarzweißfoto kann sogar völlig auf Grauwerte verzichten. Dies mag richtig sein, wenn man eine bestimmte grafische Wirkung erzielen und einen größtmöglichen Kontrast schaffen möchte. Grau ist auf dem ersten Blick wenig kontrastreich. Für mich persönlich sind die Grauwerte aber sehr wichtig, nicht nur in der Fotografie, sondern auch in der Ökonomie.

Die tendenzielle Abschaffung der Farbe Grau bedeutet, dass die gleichgewichtige Mitte sich in vielen Bereichen langsam auflöst und Schwarz und Weiß dominieren die Gesellschaft und damit schafft man den größtmöglichen Kontrast. Märkte werden vergöttert und der Wettbewerb prägt mittlerweile die gesamte Gesellschaft. Auch wenn der volkswirtschaftliche Mainstream meint, dass der Markt, das Wirtschaftswachstum, der Wettbewerb und die Digitalisierung alternativlos sind, bin ich der Auffassung, dass es immer Alternativen, Schattierungen und Graustufen gibt und dass das Gleichgewicht in der Ökonomie, in der Ökologie und in der gesamten Natur ein erstrebenswerter Zustand ist. Damit kein falscher Eindruck entsteht – es gibt natürlich Grautöne die Mittelmäßigkeit und Gleichgültigkeit symbolisieren. Diese Grautöne sind aber nicht gemeint, sondern das facettenreiche Grau, dass die Differenziertheit widerspiegelt.

In der heutigen Verdrängungsgesellschaft ist es scheinbar verpönt, aber was wäre die Fotokunst ohne die besondere Poesie melancholischer Stimmungen? Solch eine Stimmung lässt sich nur mit Grautönen ausdrücken. Leider hat die bunte und zerstörerische Konsumwelt mit Poesie wenig bis nichts zu tun. Im Gegenteil, die Tauschbeziehungen werden als die natürliche Ordnung der Welt begriffen und Entfremdung wird kaum noch wahrgenommen. Demzufolge besteht leider auch kein Verlangen, sie zu überwinden.

[1] Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden.

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