Es könnte doch so einfach sein

31. März 2023

»Der Grund dafür, dass wir keine Lösung für den Klimawandel haben, hat weniger mit der Gier des biotechnisch unterentwickelten Pöbels zu tun als mit der Gier dieses winzigen Prozentsatzes von Menschen, die sich auf den Gipfeln der Energieerträge sonnen.« (Bill McKibben)

 Die Diskussionen über die zukünftige Energieversorgung werden uns noch lange Zeit begleiten. Die Verunsicherung ist groß und Robert Habeck sieht von Tag zu Tag älter aus und er muss sich zunehmend mit der klimaschädigenden Politik der FDP auseinandersetzen. Stichworte wie Gasheizungen, Wärmepumpen, E-Fuels, Gebäudedämmung, Dreifach-Verglasung, Elektromobilität usw. geistern durch die Medien. Es ist mal wieder sehr kompliziert und viele Menschen sind verunsichert. Warum werden einfache Lösungen in Deutschland gemieden. Vor knapp 20 Jahren wurde in Deutschland ein kompliziertes Mautsystem eingeführt – Toll Collect. Eine einfache Plakette, wie in anderen Ländern üblich, wurde abgelehnt. Weil Deutschland es versäumt hat, Fernwärmenetze auszubauen, werden nun Individuallösungen für die Heizungsproblematik gesucht, die wieder einmal sehr kompliziert sind. Für den Klimaschutz bieten sich zwei einfache und kostenlose Lösungen an. Erstens könnte man, wie in anderen Ländern üblich, ein Tempolimit einführen und den Individualverkehr zugunsten des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs zurückfahren. Zweitens könnte die reiche Bevölkerung stärker besteuert werden. Reiche Menschen haben einen wesentlichen höheren CO2-Fußabdruck als ärmere Menschen. Das zusätzliche Geld könnte dann in Klimaschutzmaßnahmen fließen. Diese beiden Vorschläge kosten kein Geld und es sind einfache Gesetzesänderungen durchzuführen.

Der Mythos der Investitionsbereitschaft

Ich habe in vielen Blogs auf dieser Homepage (Investitionslenkungen oder Steuersenkungen?) beschrieben, dass Steuererhöhungen nicht zwangsläufig die Investitionsbereitschaft reduzieren. Somit kann die These der neoliberalen Ökonomen, dass durch Steuersenkungen die Investitionsbereitschaft der Unternehmen zunimmt, nicht bestätigt werden. Investitionen sind nur marginal von der Besteuerung und auch von der Höhe der Zinsen abhängig. Das unbedingte Vertrauen in die Märkte und die Vorstellung, dass man durch Steuersenkungen für Besserverdienende die Wirtschaft gewissermaßen übersinnlich ankurbeln könne, muss auf den Müllhaufen der Geschichte verbannt werden. Es ist ein Mythos, dass alle profitieren, wenn die Steuern für Reiche gesenkt werden. Vielmehr fehlen die Steuereinnahmen da, wo sie dringend nötig wären, nämlich im Klimaschutz und für die Bekämpfung der Ungleichheiten in der Gesellschaft. Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften halten gleichermaßen noch einen zweiten Mythos aufrecht, nämlich dass der hart arbeitende Arbeitnehmer oder arme Menschen auch einen Anspruch haben, den Urlaub auf Mallorca zu verbringen. Es kann aber nicht das ökologische Ziel sein, die armen Menschen in einer ruinösen Aufholjagd an die reiche Bevölkerung heranzubringen. Das würde der Planet langfristig auch nicht aushalten. Nur weil die ärmere Bevölkerung und die ärmeren Länder kaum Treibhausgase ausstoßen, ist die Natur noch nicht vollständig kollabiert. Umgekehrt wird ein Schuh daraus, der Reichtum muss auf ein ökologisch sinnvolles Maß zurückgeführt werden.

Superreiche als Klimakiller

Die reichsten Menschen in Deutschland emittieren nach einer „taz“-Datenanalyse ein Vielfaches an klimaschädlichen Treibhausgasen wie der Durchschnitt. Die Ärmsten stoßen etwa drei Tonnen CO2 pro Kopf pro Jahr aus, während ein Prozent der reichen Bevölkerung 105 Tonnen CO2 emittieren. Das ist fast das 35-Fache. Nach Aussagen des französischen Wirtschaftsprofessors Thomas Piketty wird dieser Abstand noch größer, wenn man die Reichsten in noch kleinere Gruppen unterteilt. Laut „taz“ werden die Emissionen der reichsten 0,001 Prozent in Deutschland, das sind etwa 800 Menschen, auf 11.700 Tonnen pro Kopf im Jahr geschätzt. Das ist das Tausendfache der Emissionen der Durchschnittsbürger. Dass nennenswerte Emissionseinsparungen stattgefunden haben, ist der ärmeren Bevölkerung zu verdanken.

Der Klimasünder Bill  Gates

Und im internationalen Vergleich sieht es noch wesentlich schlimmer aus. Zum Beispiel hat Bill Gates im Jahr 2017 geschätzte 343.446 Flugkilometer zurückgelegt. Das sind 1.629 Tonnen CO2, die in die Atmosphäre freigesetzt wurden. Damit zählt Bill Gates zu einem der größten Umweltsünder. Zum Vergleich: In einen der ärmsten Länder der Welt, in Afghanistan, werden im Jahr 0,3 Tonnen CO2 pro Kopf freigesetzt und in Burundi sind es nur 0,03 Tonnen. Da ich so gerne rechne und meine Argumentation möglichst mit Zahlen belege, werde ich die 1.629 Tonnen CO2 aus dem Privatjet von Bill Gates durch 0,03 Tonnen aus Burundi dividieren. Das Ergebnis ist, dass 54.300 Menschen aus Burundi genau so viel Kohlendioxid emittieren wie Bill Gates mit seiner privaten Fliegerei. Wenn die Yachten, die Luxusvillen und der Konsum von Bill Gates dazugerechnet wird, verdoppelt sich wahrscheinlich die ermittelte Zahl. Deshalb ist es sowohl ökonomisch als auch ökologisch der falsche Weg, Reiche steuerlich zu entlasten. Auch hier ist genau das Gegenteil der Fall. Da Reiche überproportional für die Klimakatastrophe verantwortlich sind, müssen sie auch überproportional Steuern zahlen. Klimawandel und Reichtum hängen signifikant zusammen. Somit kann man nicht die Schuld auf die gesamte Menschheit verteilen und die Reichen, die eine besondere Verantwortung tragen, aus ihrer Verantwortung entlassen. Und ob der CO2-Zertifikatehandel  diesen Missstand behebt, darf bezweifelt werden. Es ist schon deshalb Vorsicht geboten, weil viele Reiche diesen Ablasshandel präferieren.

Hinzu kommt, dass Unternehmen Steuerreduzierungen mit der Begründung fordern, dass andere Länder günstigere Steuersätze hätten und dadurch die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands auf dem Spiel steht. Wenn man beispielsweise dem Politiker und Finanzminister Christian Lindner genau zuhört, formuliert er seine Aussagen sehr geschickt. Er führte in einer Fernsehsendung aus, dass Deutschland einer der höchsten Steuer- und Abgabenquote der Welt hat.[1] Diese Aussage wurde weder von Lars Klingbeil (SPD) noch von Omid Nouripour (Grüne) widersprochen. Deutschland hat mitnichten eine hohe Steuerquote. Dieser Mythos wird gerne von Christian Lindner und Friedrich Merz aufrechterhalten. Bei der Abgabenquote sieht es anders aus, weil die Abgaben sich auf die Sozialabgaben, also auf die Sozialversicherungen beziehen. Diese sind, gemessen am Weltstandard relativ hoch, weil sich Deutschland glücklicherweise ein funktionierendes Renten-, Kranken- und Arbeitslosensystem[2] leistet. Dies ist in anderen Ländern, beispielsweise in den USA, längst nicht so ausgeprägt bzw. überhaupt nicht vorhanden. Neoliberale Politikerinnen und Politiker stellen einerseits die Sozialversicherungen als positiven Indikator für eine funktionierende Soziale Marktwirtschaft dar. Andererseits werden die Beiträge für die Sozialversicherungen missbraucht, um sie in die Steuerquote einzurechnen. Diese Konstruktion wird dann Steuer- und Abgabenquote genannt. Das mag rhetorisch sehr geschickt sein, trotzdem müssen Steuern und Sozialabgaben grundsätzlich auseinanderzuhalten werden. In der besagten Talk-Show Maybritt Illner  im ZDF hat sich Christian Lindner nicht nur rhetorisch gut „verkauft“, er hat uns auch gezeigt, wie er wirklich denkt. Dass Volker Wissing die Sektorenziele hinsichtlich des Klimaschutzes nicht einhalten konnte, liegt nicht am Verkehrsminister, sondern die Autofahrer sind Schuld. Ist das Naivität oder eine bewusste Täuschung der Bevölkerung. Herr Lindner müsste doch eigentlich wissen, dass das Gegenteil von Politik Schicksal ist. Er stellt die Autofahrer hingegen als Schicksalsgemeinschaft dar, die aus eigener Kraft heraus Politik gestalten müssen. Herr Lindner, denken Sie mal darüber nach, was Politik ist und was Ihr genuiner Auftrag ist. Nur ihren FDP-Wählern können sie noch das  Narrativ vom  kleptokratischen, regulativem und wettbewerbsfeindlichen Steuerstaat verkaufen.

Jetzt ist das , ebenfalls kostenlose, Tempolimit ein wenig zu kurz gekommen. Trotzdem vielleicht noch ein Lösungsansatz, der Tempolimit und «Besteuerung der Reichen« vereint: »Skandinavier berechnen Verkehrsbußen nach dem Jahreseinkommen des Verkehrssünders. Ein finnischer Handy-Magnat bezahlte kürzlich 95.000 Euro, weil er auf seinem Motorrad in einer 50er-Zone mit 77 Stundenkilometern unterwegs war.«[3]

[1] So geschehen in der Sendung Maybritt Illner im ZDF am 30.03.2023 zum Thema Koalitionsausschuss.

[2] Die Beiträge belaufen sich für das Jahr 2023 auf: Rentenversicherung 18,6%, Krankenversicherung 14,6%, Pflegeversicherung 3,05% und Arbeitslosenversicherung 2,6%. Dabei sind die Zusatzbeiträge zur Krankenversicherung nicht mitberücksichtigt. Die genannten Beiträge werden zur Hälfte von den Arbeitgebern getragen.

[3] Bill McKibben, Die taumelnde Welt, München, 2019, S. 127

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