Wie im Blog »Kommt der Wassernotstand?« vom 30. September 2023 bereits ausgeführt, sind die Regionen im nördlichen Bayern, im Raum Lüneburg südlich von Hamburg und in Teilen Baden-Württembergs besonders vom Wassermangel betroffen. Nach Aussagen Famiglietti[1] gehören diese deutschen Regionen zu den Gebieten mit den höchsten Wasserverlusten – weltweit. Da Deutschland reich an Wasser war und man sich gerade in unseren Breitengraden um Wasser keine Sorgen machen musste, haben unsere Politiker es versäumt, vorzusorgen. Trockenheit und Niedrigwasser könnten zukünftig den Wassermangel verschärfen. Dann müssten wasserintensive Anlagen, wie beispielsweise Chemiewerke, ihren Betrieb einstellen.
Die deutsche Chemieindustrie
Die deutsche Chemieindustrie hat, nebenbei bemerkt, auch noch ein massives Energieproblem. »Die Branche hat bereits ausgerechnet, wie viel Strom sie benötigen würde, wenn sie gänzlich klimaneutral produzieren soll – und kam auf 685 Terrawattstunden im Jahr. Das ist weit mehr, als derzeit ganz Deutschland an Strom verbraucht. Diese Unmengen an Ökostrom wird es nicht geben, auch wenn jedes denkbare Windrad und Solarpanel installiert wird.«[2] Demzufolge hat Ulrike Hermann einen Vorschlag im Zusammenhang mit dem, im Sommer 2023 vieldiskutierten, Industriestrompreis unterbreitet. Zu Recht weist sie darauf hin, dass es widersinnig ist, Unternehmen die mittelfristig keine Perspektive in Deutschland haben, unnötig durch einen Industriestrompreis zu subventionieren. Möglicherweise wäre es sinnvoller, und vor allem ehrlicher, jetzt schon über Verlagerungen und Umstrukturierungen nachzudenken, damit zielführende Planungen angestoßen werden können. Wenn die Chemieindustrie aufgrund des Mangels an erneuerbarer Energie und Wasser in Deutschland abwandern muss, stellt sich die Frage, was mit den inländischen Arbeitsplätzen geschieht. Solche Diskussionen sollten nicht tabuisiert werden. Da die Chemieindustrie mittelfristig keine Perspektive in Deutschland hat, macht die Wirtschaftsjournalistin Ulrike Hermann den Vorschlag, die deutsche Chemieindustrie teilweise nach Namibia umzusiedeln. Dieses Land verfügt über ausreichend Sonnenschein und Wind und die chemische Industrie könnte von dem Ökostrom partizipieren. Der Vorschlag hat nur einen Hacken – die Wasservorräte in Namibia sind sehr limitiert. Zumal die afrikanischen Staaten Namibia und Kenia immer wieder mit dem sogenannten »Grünen« Wasserstoff in Verbindung gebracht werden. Zugegeben – diese Länder verfügen über viel Sonne und Wind. Somit könnte die hohe Nachfrage der Länder des Globalen Nordens gedeckt werden und die chemische Industrie könnte weiterhin in Deutschland »klimaneutral« produzieren. Ganz so einfach ist es dann doch nicht.
Africa Climate Summit
Im kenianischen Nairobi trafen sich vom 04. bis 06. September 2023 die Vertreter zahlreicher afrikanischer Staaten zum Africa Climate Summit. Der Wasserstoffhype der europäischen Staaten wurde auf diesem Gipfel als Chance begriffen, um internationale Investoren in ihre Länder zu locken. »Auch die Bundesregierung hofft auf Wasserstoffimporte aus Afrika im großen Stil. Die deutsche Wasserstoffstrategie geht davon aus, dass in der Bundesrepublik 2030 etwa 95 bis 130 Terrawattstunden Wasserstoff benötigt werden. Etwa zwei Drittel davon sollen importiert werden.«[3] Um die gewaltigen Mengen an Wasserstoff produzieren zu können, wird jede Menge Wasser benötigt. Dies ist in Afrika bekanntlich ein sehr knappes Gut. Also, so ist es geplant, wird das Wasser aus den Weltmeeren entnommen und durch eine Vielzahl von Meerwasserentsalzungsanlagen für die Wasserstoffproduktion brauchbar gemacht. Das Investitionsvolumen dieser Anlagen beträgt ungefähr 10 Mrd. Euro. Fraglich ist, ob dieses Wasser nicht sinnvoller als Trinkwasser für die, vom Klimawandel gebeutelte, Bevölkerung dienen sollte.
[1] Anmerkung U.K.: Jay Famiglietti ist ein US-Forscher. Er ist Direktor des Global Institute for Water Security an der Universität Saskatoon (Kanada).
[2] Ulrike Hermann, in: wochentaz, 16. – 22. September 2023, S.17
[3] Neelke Wagner, Wasserstoff aus Afrika: Hoffnung für wen?, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 10`23, Berlin, 2023, S. 106.