»Die früheren Piraten hatten Schatzinseln, die modernen haben Steuerparadiese.« (Glaßl, 2019)
Politikerinnen und Politiker, Lobbyorganisationen und die üblichen Verdächtigen in den medialen Talk-Shows verstummen, wenn beispielsweise Friede Springer, wie im Jahr 2020 geschehen, dem Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer SE, Mathias Döpfner, 15 Prozent der Unternehmensaktien schenkt, natürlich steuerfrei. Der Wert wird auf circa eine Milliarde Euro taxiert. Da Frau Springer nicht mit Herrn Döpfner verwandt ist, hätte eigentlich eine hohe Schenkungsteuer an den Staat fließen müssen. Die Schenkung blieb aber nahezu steuerfrei, weil Mathias Döpfner vorab sein gesamtes Vermögen in den Springerkonzern investiert hat. Insofern war er zwar sehr reich, aber trotzdem illiquide, weil er nun fast ausschließlich Aktienvermögen besaß. Dann wurde die Schenkung über eine Milliarde Euro über einen Notar vollzogen und der reiche Herr Döpfner konnte seine Steuern wegen Illiquidität nicht bezahlen. Seit dem Jahr 2016 gibt es den »Trick« der Verschonungsbedarfsprüfung (§ 28a Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz). Diese wurde nämlich beantragt, mit der Konsequenz, dass das Finanzamt zum Ergebnis kam, dass es unzumutbar wäre, wenn Herr Döpfner Anteile des Konzerns verkaufen müsste, um damit die Schenkungsteuer zu bezahlen. Dabei berührt der Verkauf eines kleinen Teils der Firmenanteile einer Aktiengesellschaft die Unternehmung in keiner Weise. Es geht der Unternehmung weder besser noch schlechter, wenn Aktien den Eigentümer wechseln. Obwohl man es nicht mehr hören kann, wurde in den letzten Wochen in den Talk-Shows immer wieder behauptet, dass durch eine höhere Erbschaft- oder Vermögensteuer Betriebsvermögen und letztendlich Arbeitsplätze gefährdet werden. So die Argumentation von Alice Weidel (AfD) bei Maischberger, Sigmar Gabriel (SPD) bei Markus Lanz und die FDP sowieso auf allen Kanälen.
Das Schreckgespenst des verschollenen Betriebsvermögens
Es gilt diesen Mythos, der in den Talkshows des Landes immer wieder bedient wird, zu entzaubern. Es ist keineswegs so, dass die Besteuerung von Erbschaften das Betriebsvermögen antastet und deshalb Arbeitsplätze gefährdet sind. Dies mag in seltenen Einzelfällen für kleine und mittelständische Unternehmen in der Rechtsform Einzelunternehmen, Kommanditgesellschaft oder offene Handelsgesellschaft stimmen. Dafür gibt es ja die Verschonungsbedarfsprüfung, um solche Unternehmen zu schonen. Die Kapitalkraft sitzt aber nicht in solchen Unternehmen, sondern sie ist bei den Kapitalgesellschaften, siehe den Springer-Verlag, zu verorten. Eine Besteuerung der Erbschaften ist hier anders zu interpretieren, weil eben nicht das Betriebsvermögen angetastet wird.
Ein kleines, einfaches Beispiel: Fiktiv schlüpfe ich in die Rolle des armen Reichen und besitze eine oder mehrere Aktien der Siemens AG. Die Anzahl, ob eine Aktie oder eine Millionen Aktien, ist nicht wesentlich für die Interpretation. Angenommen ich habe 100.000 Stück dieser Aktie mit einem gegenwärtigen Börsenkurs von 200,00 € pro Stück. Ich vererbe also 20.000.000,00 €. Die Aktien werden an den Erben übertragen und was passiert bei Siemens – nichts. Das Betriebsvermögen wird überhaupt nicht angetastet und erst recht sind keine Arbeitsplätze in Gefahr. Deswegen verändert sich weder die Gewinnsituation (GuV) noch wird die Bilanz der Firma Siemens berührt; es hat nur ein Eigentümerwechsel der Aktien stattgefunden. In der öffentlichen Diskussion wird aber häufig mit dem Schreckgespenst, dass es der Firma dann schlechter geht und Arbeitsplätze gefährdet sind, gedroht. Häufig wird in solchen Diskussionen auch noch das Märchen der Doppelbesteuerung erzählt. Bleiben wir bei unserem kleinen Beispiel. Angenommen, ich habe die Aktien aus meinen Barmitteln, die ich mal so eben in meinem Tresor zu Hause liegen habe, gekauft. Wo findet da eine Doppelbesteuerung statt? Der Erwerb der Aktien ist leider mittlerweile in Deutschland steuerfrei. Die Börsenumsatzsteuer wurde im Jahr 1991 abgeschafft und eine Finanztransaktionssteuer ist bis heute leider noch nicht eingeführt worden. Also habe ich die vererbten Aktien steuerfrei vererbt. Doppelbesteuerung – Fehlanzeige. Es wird bestenfalls die, viel zu geringe, Erbschaftsteuer fällig. Dies lässt sich aber, siehe Herrn Döpfner, leicht umgehen. Nun könnte man das abenteuerliche Argument nennen, dass ich als Erblasser dieses Geld irgendwo als Arbeitnehmer verdient haben muss, um mir mal eben diese Aktien zu kaufen. Dieser Arbeitslohn ist dann schon einmal besteuert worden. Das kann so sein, muss aber nicht so sein. Es wäre aber viel wahrscheinlicher, dass ich als gegenwärtiger Erblasser genau diese Aktien von meinem Vater im Jahr 1973 geerbt habe. Damals betrug der Börsenkurs dieser Aktie circa 5,37 DM. Somit wurde damals 537.000,00 DM vererbt. Die heutige Erbschaft beträgt 20.000.000,00 Euro und soll nach Ansicht einer bestimmten politischen Klasse von der Steuer verschont werden, obwohl die Differenz gut 19 Millionen Euro beträgt. Jetzt könnte man noch weitere Beispiele für leistungslose Renten anführen, beispielsweise die exorbitante Steigerung der Grundstückspreise. Da die Mechanismen aber immer die gleichen sind, erspare ich mir weitere Ausführungen.
 Zugegeben, dass genannte Beispiel ist bewusst einfach gestrickt und unterschlägt die erbschaftsteuerliche Situation des Jahre 1973 und die DM-Bewertung. Wichtig ist an dieser Stelle auch nicht eine exakte steuerliche Darstellung des Sachverhalts, sondern es geht um die Entkräftung des Arguments, dass die Erbschaftsteuer das Betriebsvermögen belastet. Dies mag vielleicht für kleinere Personengesellschaft zutreffen, dafür gibt es die Verschonungsbedarfsprüfung. Mir ist kein einziger Fall bekannt, dass ein Betrieb schließen musste, weil die Erbschaftsteuer nicht gezahlt werden konnte. Auch wird diese ominöse Doppelbesteuerung immer wieder in Diskussionen genannt. Eine Doppelbesteuerung bei Erbschaften ist nicht existent. Natürlich könnte ich jetzt ein schwarzes Bild der Doppelbesteuerung malen. Als Arbeitnehmer habe ich Arbeitslohn erhalten und der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer einbehalten und dem Finanzamt überwiesen. Mit meinem bereits versteuerten Nettoeinkommen gehe ich einkaufen und schon wird wieder eine Steuer fällig – die Umsatzsteuer muss bezahlt werden – Doppelbesteuerung. Um mich zu beruhigen, kaufe ich mir eine Schachtel Zigaretten und stelle fest, dass nun auch noch die Tabaksteuer fällig wird. Wenn man sich in Deutschland eine Schachtel Zigaretten (20 Stück) für 7 Euro kauft, werden insgesamt 4,68 Euro als Steuern abgeführt (3,56 Euro Tabaksteuer + 1,12 Euro Umsatzsteuer). Diese Doppelt- und Dreifachbesteuerungen werden als normal angesehen, wenn es aber um die Besteuerung der reichen Bevölkerung geht, wird der Schongang eingelegt und mit abstrusen Argumenten und Arbeitsplatzverlust gedroht.Â