Unsere Warmduscher Teil 1

21. Dezember 2023

»Nicht irritieren lassen dürfen wir uns also von der Unterkomplexität der Freiheitskrakeeler, die »Freiheit« sagen und tatsächlich »Ich« meinen.« (Jan Skudlarek)

Da ich mich in den letzten Blogs mit der Thematik Die Fischerei und der Kapitalismus befasst habe, möchte ich mich weiter mit diesem Problem beschäftigen. Heute geht es aber nicht direkt um die Fischerei sondern um das Wasser.

In der Oldenburger Onlinezeitung[1] las ich vor einem halben Jahr, dass einer der profiliertesten Politiker Deutschlands mit seinen Duschvorlieben prahlte. Der FDP -Politiker Wolfgang Kubicki sagte öffentlich: „Robert Habeck darf gerne so kurz duschen, wie er es für richtig hält. Ich schaue jedenfalls nicht auf die Uhr, wenn ich in der Dusche stehe. Ich dusche so lange, bis ich fertig bin.“

Der Warmduscher Wolfgang Kubicki

Es ist absolut beschämend, dass ein bekannter Politiker in Zeiten knapper Ressourcen solche populistischen Sprüche heraushaut. Aber auch der Gründer des Magazins Focus, Helmut Markwort äußerte sich vor einem halben Jahr ähnlich. Die Bild – Zeitung titelte zur gleichen Zeit: „Duschen ist die neue Freiheit!“ Da fragt man sich, was der Mainstream unter Freiheit versteht. Offensichtlich ist die neue Interpretation der Freiheit als »Ich darf machen, was ich will« zu verstehen. Diese autonomistische Denkweise ist das genaue Gegenteil von Freiheit. »Wer autonomistisch denkt, maximiert das individuelle Freiheitsstreben bis ins Toxische. Ohne Rücksicht auf Verluste. So argumentieren zum Beispiel jene, die gegen ein Tempolimit und für grenzenlose Raserei auf deutschen Autobahnen eintreten, autonomistisch. Sie priorisieren ihre eigene Hochgeschwindigkeitsfahrt, nicht die Gefährdung anderer – und nicht den Schutz der gemeinsam bewohnten Umwelt.«[2] Dieses Denken, dass Wolfgang Kubicki mit dem genannten Zitat zum Ausdruck bringt, zementiert die eigene Freiheit ohne über die Freiheitseinschränkung, die ich anderen Personen damit zufüge, zu reflektieren. Ob Duschen oder Tempolimit, es ist immer dieses Denken, dass man bei Kleinkindern, die noch erzogen werden müssen, häufig vorfindet. Einem Kleinkind, dass mit Wasser unbesorgt umgeht, bringt man bei, dass Wasser ein sehr knappes Gut ist und vielen Menschen ihre physische Existenz verlieren (und das ist wohl die größte Freiheitseinschränkung überhaupt), wenn sie keinen Zugang zum Wasser haben. Und die freiheitsliebenden Autobahnraser, die sich ebenfalls noch in der Kleinkindphase befinden, pfeifen auf die körperliche Unversehrtheit der anderen Verkehrsteilnehmer und auf die Freiheitseinschränkungen, die Mensch und Natur durch den Verkehr erdulden müssen. Wo ein Schaden entsteht oder entstehen könnte, endet die individuelle Freiheit.

Neoliberale Ökonomen und Politiker haben zweifelhafte sozialdarwinistische Ansichten, weil sie glauben, der Stärkere hat das Recht den Schwächeren zu dominieren. Leider wird der Ausspruch von Charles Darwin, nämlich „Survival of the fittest“, immer wieder falsch interpretiert. Nicht der Stärkere überlebt, sondern das Lebewesen, das sich am besten der Natur anpassen kann. Der Ausdruck „Fit“ beschreibt also den Grad der Anpassung an die Umwelt bzw. an die Natur. Und unsere Autobahnraser und Warmduscher sind überhaupt nicht fit, weil sie sich nicht anpassen können.  Stattdessen wären Fahrradfahren und Kaltduschen eine zielführende Lösung. 

Freiheit um jeden Preis?

Leider wurde die Gesellschaft in den letzten vierzig Jahren, sowohl politisch als auch ökonomisch, vom neoliberalen Gedankengut verseucht – Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht. Welch ein fataler Irrtum.   

Dieses Gedankengut wurde geprägt von Margaret Thatcher, die im Mai 1979 zur Premierministerin in Großbritannien gewählt wurde. Sie formulierte: »there is no alternative« und meinte, dass es keine Alternative zur neoliberalen Welt gibt. Margaret Thatcher, als Galionsfigur der Wirtschaftsliberalen, führte in den 1980 er Jahren aus: »Es gibt keine Gesellschaft. Es gibt nur Individuen und Familien.« Diese Aussage von Maggie Thatcher, aber auch die Einlassungen von Wolfgang Kubicki und Helmut Markwort, haben weitreichende Konsequenzen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und sie fördern den »Sozialdarwinismus«[3], der im rechten Milieu eine wichtige Rolle spielt.  Da wundert es nicht, dass rechte populistische Parteien, großen Zulauf haben.

Der Jurist Wolfgang Kubicki sollte seine freiheitspopulistischen Aussagen überdenken. Denn »(D)die Freiheit des Einzelnen ist aus der Gemeinschaft abzuleiten. Freie Menschen gibt es nur in einer insgesamt freien Gesellschaft. Dass die freie Gesellschaft wiederum aus ihren Menschen besteht, ist korrekt. Die logische Beziehung ist aber: Die kollektive Freiheit bedingt die individuelle. Nicht umgekehrt. Und kollektive Freiheit gibt es definitiv auch dort, wo die Freiheit einzelner Menschen – bestenfalls situativ und temporär – eingeschränkt wird.«[4]


[1] Da ich bis zu meinem 22. Lebensjahr in der Nähe von Oldenburg gelebt habe, besteht nach wie vor eine gewisse Nähe zu meiner Heimatregion. Deshalb lese ich auch regelmäßig die Oldenburger Onlinezeitung. 

[2] Jan Skudlarek, Wenn jeder an sich denkt, ist Nicht an alle gedacht, Stuttgart, 2023, S. 62.

[3] Charles Darwin hätte sich vom »Sozialdarwinismus« distanziert.

[4] Jan Skudlarek, Wenn jeder an sich denkt, ist Nicht an alle gedacht, Stuttgart, 2023, S. 187.

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