„Das Vermögen, die Motive des Wollens schlechthin selbst hervorzubringen, ist die Freiheit.“
(Immanuel Kant)
 In der Corona-Krise wurde in der Öffentlichkeit sehr häufig über die Freiheit diskutiert. Bezüglich der vorstehenden Klimakatastrophe hat das Bundesverfassungsgericht ebenfalls die Freiheit thematisiert. Es stellte fest, dass mit zunehmendem Klimawandel die Freiheiten der kommenden Generationen massiv eingeschränkt werden. Corona- und Klimakrise hängen durchaus zusammen, sie unterscheiden sich aber in einigen Punkten. Die Corona-Krise geht, wie alle Krisen, voraussichtlich vorbei, während die Klimakatastrophe[1] bleiben wird. Im Rahmen des coronabedingten Lockdowns wurden die Produktionskapazitäten heruntergefahren und das Konsumniveau sank. Jetzt werden die Produktion und der Konsum wieder hochgefahren und viele Menschen wünschen sich ihr „altes Leben“ zurück. Um der zukünftigen Klimakatastrophe zu begegnen, müssen aber genau die klimaschädlichen Produktionen und der übersteigerte Konsum dauerhaft heruntergefahren werden. In der Coronazeit fürchteten viele Bürger und Bürgerinnen um ihre Freiheit, während viele Unternehmen befürchten, dass die zukünftige Erderwärmung die Produktionsfreiheiten beschneiden könnte. Leider wird der Freiheitsbegriff, nach herrschender Meinung[2], als Abwesenheit von Zwang interpretiert. Diese Deutung muss kritisch untersucht werden, weil gerade die Freiheit sehr eng mit privaten Eigentumsrechten verknüpft wird. Daraus wird dann häufig gefolgert, dass man schließlich mit seinem Eigentum machen könne, was man wolle. Die liberal geprägte Mainstream-Ökonomie[3] konstruiert daraus folgende Gleichung: ein Eingriff in das Privateigentum ist mit der Begrenzung der Freiheit gleichzusetzen. Diese Gleichsetzung vernebelt den Freiheitsbegriff und überhöht die Bedeutung des Privateigentums. Der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) formulierte schon vor 200 Jahren: „Das Belieben des Einzelnen ist eben nicht Freiheit.“
 Die Realität ist eine andere
„[.] wenn man Privateigentum – also das Recht an einer Sache – mit Freiheit gleichsetzt, unterschlägt man den Freiheitsentzug derer, die das Recht an dieser Sache nicht haben.“[4] Daraus folgt, dass die Freiheit der Eigentümer scheinbar wichtig ist, die der anderen indes nicht. Die Freiheit sich ein Eigenheim[5] leisten zu können zählt scheinbar mehr, als die Freiheit über eine unbebaute Wiese laufen zu können, oder in einem intakten Wald zu spazieren. Klar, das Eigenheim trägt zum ökonomischen Wachstum bei, aus einem intakten Wald lassen sich kaum monetäre Gewinne erzielen. Die Freiheit und die damit verbundenen Eigentumsrechte werden somit fest in den Dienst des Kapitals gestellt. Dies war nicht immer so. Aus der Geschichte lässt sich ableiten, dass die kollektive Nutzung des Landes und die ökologische Bewahrung von Grund und Boden überlebenswichtig waren. Seit jeher haben die Menschen ihren Boden bewahrt und geschützt. Heute folgen wir der Logik des „individualisierten Privateigentums“ (Katharina Pistor), mit der Konsequenz, dass der Boden und damit die Natur zerstört, und keinesfalls bewahrt, wird. Bereits 1931 schrieb der berühmte Architekt Walter Gropius: „Die schlimmste Fessel bleibt das unsittliche Recht des privaten Eigentums an Boden. Ohne die Befreiung des Bodens aus dieser privaten Versklavung kann niemals ein gesunder entwicklungsfähiger und im Sinne der Allgemeinheit wirtschaftlicher Städtebau entstehen.“ [6]  Walter Gropius ahnte vor 90 Jahren noch nicht, in welcher Geschwindigkeit der volkswirtschaftliche Produktionsfaktor Boden in den  Produktionsfaktor Kapital überführt und verwertet wird.
Kapital und Freiheit
„Grundsätzlich besteht das Kapital aus zwei Komponenten: einem Gut und dem Rechtscode.“[7] Der Rechtscode verbrieft die Eigentumsrechte an einem Gut. Eine ökonomische Betrachtung ist nur dann vollständig, wenn diese beiden Komponenten differenziert betrachtet werden. Eigentumsrechte sind, mehr oder weniger legal, auf vielfältiger Art und Weise entstanden. Dieses gilt es zu untersuchen, bevor man Eigentumsrechte mit dem Freiheitsbegriff verknüpft. Nach der Vorstellung des politischen Philosophen Jerry Cohen ist der rechtebasierende Freiheitsbegriff vom neutralen Freiheitsbegriff abzugrenzen. Diese Trennlinie wird von neoliberalen Ökonomen nicht gezogen, mit der Konsequenz, dass eine Einschränkung des SUV-Verkaufs einer Freiheitseinschränkung gleichkommt. Dies ist aber falsch, weil „die großen Autos […] große Parkplätze [brauchen], Platz ist in Städten jedoch begrenzt. Parkende SUV nehmen also anderen, kleineren Autos den Platz weg. Weit schwerer wiegt jedoch, dass sie den Menschen, die zu Fuß oder per Rad oder Kleinwagen unterwegs sind, die Freiheit nehmen, bei einem Unfall nicht von riesigen, panzerartigen Fahrzeugen buchstäblich abgeschossen zu werden.“[8] Es gibt also kein absolutes Eigentums- bzw. Freiheitsrecht. Die Ausübung dieser Rechte treten häufig in Konflikt, weil andere Personen ebenfalls legitime Ansprüche haben, sie aber häufig nicht durchsetzen können.
Wir benötigen dringend ein anderes Verständnis zu Freiheit
 Kapitalistische Volkswirtschaften werden als freie Märkte definiert. Da die Freiheit dominiert, können knappe Ressourcen effizient zugeteilt werden und die dazugehörigen Preise bilden den inneren Wert der erzeugten Güter. Die rechtliche Codierung, der Erwerb der Eigentumsrechte und die Beschränkungen der Freiheit der anderen Wirtschaftsteilnehmer bleiben hingegen im Dunklen verborgen. Haben die Wohlhabenden ihre Eigentumsrechte tatsächlich mit harter Arbeit, Verzicht und persönlichen Opfern erworben? Auch wenn man diese Frage leichtfertig bejahen sollte, muss trotzdem untersucht werden, inwieweit persönliche Eigentumsrechte die Freiheit der anderen verletzen. Dies hat das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimawandel sehr deutlich herausgestellt. Außerdem muss ebenfalls erwähnt werden, dass Prioritätsrechte, die eine Art Rechtsschutz darstellen, von stärkeren Wirtschaftsteilnehmern durchgesetzt werden, um schwächere Rechtspositionen auszustechen. „Prioritätsrechte zu haben ist für einen Gläubiger von entscheidender Bedeutung, wenn sein Schuldner den wirtschaftlichen Ruin erleidet und alle seine Gläubiger auf einmal über seinen Besitz herfallen. Dies ist der Moment, in dem Eigentümer ihr Eigentum einfordern können und gesicherte Gläubiger in der Lage sind, von ihnen besicherte Werte herauszuziehen und zu verkaufen, um ihre Verluste wettzumachen, während die ungesicherten Gläubiger sich mit dem begnügen müssen, was übrig bleibt.“[9] Eigentumsrechte und die dazugehörigen Freiheiten sind somit sehr ungleich verteilt.
Politikerinnen und Politiker neigen dazu, den Freiheitsbegriff mit dem Eigentumsbegriff zu verknüpfen und diese Begrifflichkeiten positiv zu besetzen. Will man sich aber nicht in Phrasen und Wertungen verstricken, ist es zielführender, den Freiheitsbegriff negativ zu beurteilen. Dies meint natürlich nicht, dass die Freiheit negativ wäre. Im Gegenteil – schon Friedrich Schiller meinte: „Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei, und würd´ er in Ketten geboren“. Vielmehr ist damit gemeint, dass der Freiheitsbegriff über eine tiefgreifende Analyse der bestehenden Handlungsbeschränkungen zu erfassen ist, denn die Gleichung, dass private Eigentumsrechte automatisch die Freiheit garantieren, greift offensichtlich viel zu kurz. Darüber hinaus greift man ebenfalls zu kurz, wenn die Meinung vertreten wird, dass Eigentumsrechte, also die rechtliche Codierung des Kapitals, nach den Regeln des Wettbewerbs entstehen. An dieser Stelle ist es zielführender, die Logik von Macht und Privileg zu untersuchen.
[1] Im Rahmen der globalen Erderwärmung halte ich den Begriff „Klimakrise“ für nicht zielführend. Auch der Begriff „Klimawandel“ verharmlost ebenfalls die Situation.
[2] die häufig die Meinung der Herrschenden ist
[3] Die Sichtweise der Mainstream-Ökonomie ist zwingend zu revidieren, weil die gegenwärtigen Produktions- und Konsumfreiheiten mit dem Erhalt einer lebenswerten Umwelt im Widerspruch stehen.
[4] Till van Treeck, Klimakrise oder: Die Grenzen der Freiheit, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 8`21, Berlin, 2021, S. 9/10
[5] Vgl. auch: Das Marktversagen auf dem Wohnungsmarkt
[6] Zitat nach Thomas Flierl und Philipp Oswald (Hg.), Hannes Meyer und das Bauhaus im Streit der Deutungen!, Leipzig, 2019
[7] Katharina Pistor, Der Code des Kapitals, Berlin, 2020, S. 17.
[8] Till van Treeck, Klimakrise oder: Die Grenzen der Freiheit, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 8`21, Berlin, 2021, S. 11.
[9]Â Katharina Pistor, Der Code des Kapitals, Berlin, 2020, S. 33/34.