Der Kampf gegen die Bergbaukonzerne

12. Februar 2024

»Green Growth is not a thing.« (Jason Hickel)

Carlos, der Kampf geht weiter

Der Umweltschützer Carlos Zorrilla kämpft seit 28 Jahren im Nebelwald von Ecuador gegen die mächtigsten Bergbaukonzerne der Erde[1]. Der 72-Jährige lebt im Urwald, 60 Kilometer nördlich von Ecuadors Hauptstadt Quito. Sein Land nennt er stolz »Terra incognita«, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass er selbst in vielen Teilen seines Landes noch keinen Fuß gesetzt hat – unberührte Natur. Ecuadors bekanntester Umweltschützer sagt: „Dies ist mein Land, aber die Rechte auf die Rohstoffe unter der Erdoberfläche hat der Staat vergeben.“ Diese Rechte gehören jetzt dem weltweit größten Bergbaukonzern, der australischen BHP-Gruppe. Im Nebelwald von Ecuador liegen Unmengen von Lithium, Kupfer, Kobalt, Nickel und weitere Stoffe, die der globale Norden für die sogenannte Energiewende benötigt. Nun sollen in dieser unberührten Natur riesige Bergbauförderanlagen gebaut werden. Carlos Zorrilla und seine Mitstreiter lassen sich nicht beindrucken und nehmen den Kampf auf. Zorrilla sagt: „Dieser biologische Schatz wird verschwinden, wenn ihr euch im Globalen Norden mit eurem Hunger nach Kupfer, Kobalt, Lithium, Nickel durchsetzt. Und das Absurdeste ist: Ihr macht das im Namen der Energiewende. Beim Versuch, die Klimakrise im Norden zu lösen, schafft ihr eine Klimakrise im Süden. Und außerdem eine Biodiversitätskrise und ein Artensterben. Wacht auf!“

Wir wachen scheinbar nicht auf und bringen Begriffe wie Elektromobilität und Digitalisierung mit einem nachhaltigen Umweltschutz in Verbindung, obwohl sie nicht grundsätzlich umwelt- und klimaneutral sind. Beispielsweise benötigt ein herkömmliches Auto 35 Kilo seltener Rohstoffe (Lithium, Nickel, Kupfer, Kobalt, Graphit, Mangan und viele mehr), während ein Elektroauto die sechsfache Menge benötigt, nämlich 210 Kilo. Selten geht es in der Ökonomie um den Umweltschutz, sondern in erster Linie geht es um die Stabilisierung des Kapitalismus und um eine ausreichende Ressourcenversorgung für den ausufernden Lebensstil des Globalen Nordens. Der menschliche Ressourcenhunger scheint unersättlich und gleichzeitig ist der Kapitalismus fundamental selbstverstärkend. Wenn dem Kapitalismus keine Grenzen gesetzt werden, wird die Selbstverstärkung zu einer Explosion führen.

Der schmierige Fußabdruck

Auch wenn es möglich wäre, das Elektroautos, E-Bikes und E-Roller ihren gesamten Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energien bezögen, taucht ein zweites gravierendes Problem auf: individuelle Elektromobilität benötigt natürlich transportable Energie, die gespeichert werden muss. Für die Speicherung benötigen wir unter anderem das Alkalimetall Lithium, dass auch im Land von Carlos Zorrilla zu finden ist.

70 Prozent der weltweiten Lithium-Vorkommen lagern aber im Dreiländereck Bolivien, Chile und Argentinien. Hunderttausende Tonnen dieses Leichtmetalls werden in der Erde des Dreiländerecks vermutet. Die Nachfrage nach transportabler Energie wächst rasant. Es werden nicht nur Akkus für das Smartphone benötigt, sondern die gesamte Elektromobilität benötigt große Mengen von Lithium-Ionen-Batterien. Um ein Elektroauto herzustellen, werden je nach Bauart, über fünfzehn Kilo Lithium benötigt. Seit dem Jahre 2016 hat sich der weltweite Lithiumverbrauch verdoppelt. Nach Expertenschätzungen werden wir bis zum Jahre 2030 mehr als 240.000 Tonnen Lithium benötigen, und zwar jedes Jahr. Die Konsequenzen für den globalen Süden sind verheerend.

Der globale Süden als Verlierer

Lithium findet man in bestimmten Gesteinsformationen, der 6–7-prozentige Anteil des Lithiums muss aber aus dem salzhaltigen Gestein herausgepresst werden. Dies geschieht beispielsweise in Chile in der Atacama – Wüste. Um das lithiumhaltige Gestein an die Oberfläche zu pressen, werden 21 Millionen Liter Wasser jeden Tag benötigt. Chile ist zwar der weltweit größte Lithiumproduzent, verfügt aber über geringe Wasserreserven. Trotzdem wird das Wasser für die Lithiumförderung nach oben gepumpt um es dann in der Wüste (!) verdunsten zu lassen – ein ökologischer Wahnsinn für die Bevölkerung dieses Landstriches.

Im Klimawandel sind Ursache und Wirkung nicht identisch, das hat zur Folge, dass keine Identität zwischen dem Verursacher und dem Träger der Konsequenzen besteht. Das führt zu dem Paradoxon, dass die Verursacher vermutlich den geringsten Schaden zu schultern haben, während die Opfer, die es nicht verursacht haben, mit den großen Schäden leben müssen. Beispielsweise sitzt der Verursacher an einem ganz anderen Ort der Erde als der Träger der Konsequenzen. Daraus erklärt sich die gefühlte Verantwortungslosigkeit vieler Menschen für den Globalen Süden.


[1] Vgl. GEO, August 2023, S. 126 ff.

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