Wir müssen. Wir sollen. Wir werden. Wir haben. Wir sind.

20. Mai 2024

»Wir haben die zweifelhafte Ehre, die mörderischste Art in der Geschichte des Lebens zu sein.« (Yuval Noah Hariri)

Hat Yuval Noah Hariri recht? Ist die gesamte Menschheit gemeint? Welche Menschen sind genau gemeint? Nur die Deutschen? Nur die westliche Welt, also der globale Norden? Wer sind Wir?

Mittlerweile sind viele Titel der in Deutschland publizierten Sachbücher mit dem Personalpronomen Wir ausgestattet. Dann heißt es häufig »Wie wir…«, und es kann wahlweise ergänzt werden, …unseren Planeten retten, …den Kapitalismus überwinden oder erhalten, …den Klimawandel überleben oder nicht überleben. Die Aufzählung lässt sich noch durch unzählige Verben erweitern. »Wie wir …« spielen, lachen, weinen. singen, lieben, denken und sterben. »Ganz gleich, wie originell oder platt die Inhalte solcher Ratgeber sind, durch den übermäßigen Gebrauch der unbestimmten ersten Person Plural werden sie automatisch verfälscht und entleert. Das Einzige, was uns verbindet, ist gerade das Unvermögen, ein handlungsfähiges, souveränes Kollektivsubjekt zu sein.«[1]  

Deshalb sind Begriffe wie »die Menschheit«, »die menschliche Gemeinschaft« oder auch nur »Wir« mit Vorsicht zu genießen. Auch wenn neoliberale Ökonomen und Anarchokapitalisten es anders sehen – eine Volkswirtschaft ist nicht die Summe aller Betriebe und eine Gesellschaft ergibt sich nicht aus der Summe ihrer Mitglieder. Sie besteht vielmehr aus Systemen, Institutionen und Gesetzen, die mit Gerechtigkeit wenig zu tun haben. Verbriefe Eigentumsrechte und vertragliche Regelungen ergeben sich aus Machtkonstellationen und individuellen Handlungsmöglichkeiten, die von Person zu Person sehr unterschiedlich sind. Wir sitzen eben nicht alle im gleichen Boot und die Weltgemeinschaft muss sich nicht gleichermaßen anstrengen, um den Klimawandel zu verhindern.

Die Physikerin und Klimatologin Friederike Otto ist eine kluge Frau, die den Klimawandel sehr ernst nimmt und trotzdem sinngemäß behauptet, dass es einen Klimawandel streng genommen nicht gibt. Stattdessen gibt es eine soziale Krise katastrophalen Ausmaßes. Sicher ist, dass die Klimakatastrophe kommen wird. Sicher ist aber auch, so Otto, dass d[D]ie Reichen […] sich mit jedem Klima arrangieren können, nur die Armen kommen unter die Räder beziehungsweise sterben den Hitzetod, sehen ihr Hab und Gut weggeschwemmt oder verhungern in der Dürre.

Auch wenn ich die Publikationen von Frau Otto seht schätze, teile ich ihre Analyse an dieser Stelle nicht ganz. Wie bereits schon in unzähligen Blogs auf dieser Homepage beschrieben, gehe ich davon aus, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre stärker in den Fokus genommen werden muss. Da CO2 ein ubiquitäres Gas ist, verteilt es sich gleichmäßig über den Planeten und auch die Reichen können vor einer hohen CO2-Konzentration nicht flüchten. Dies ist aber nur eine Randnotiz und zurück zur oben genannten Aussage von Frau Otto, die ich ergänzen möchte. Die Reichen werden sich mit der zunehmenden Klimakatastrophe besser arrangieren können. Da stimme ich Frau Otto voll und ganz zu. Sie sind aber auch überwiegend die Verursacher dieser Krise.

Die reiche Verschmutzungselite ruiniert das Klima

Die reichsten Menschen in Deutschland emittieren nach einer „taz“-Datenanalyse ein Vielfaches an klimaschädlichen Treibhausgasen wie der Durchschnitt. Die Ärmsten stoßen etwa drei Tonnen CO2 pro Kopf pro Jahr aus, während ein Prozent der reichen Bevölkerung 105 Tonnen CO2 emittieren. Das ist fast das 35-Fache. Nach Aussagen des französischen Wirtschaftsprofessors Thomas Piketty wird dieser Abstand noch größer, wenn man die Reichsten in noch kleinere Gruppen unterteilt. Laut „taz“ werden die Emissionen der reichsten 0,001 Prozent in Deutschland, das sind etwa 800 Menschen, auf 11.700 Tonnen pro Kopf im Jahr geschätzt. Das ist das Tausendfache der Emissionen der Durchschnittsbürger, die in Deutschland durch eine vergleichsweise wohlhabende Mittelklasse repräsentiert wird.

Im internationalen Vergleich sieht es noch wesentlich schlimmer aus. Zum Beispiel hat Bill Gates im Jahr 2017 geschätzte 343.446 Flugkilometer zurückgelegt. Das sind 1.629 Tonnen CO2, die in die Atmosphäre freigesetzt wurden. Damit zählt Bill Gates zu einem der größten Umweltsünder. Zum Vergleich: In einen der ärmsten Länder der Welt, in Afghanistan, werden im Jahr 0,3 Tonnen CO2 pro Kopf freigesetzt und in Burundi sind es nur 0,03 Tonnen. Da ich so gerne rechne und meine Argumentation möglichst mit Zahlen belege, werde ich die 1.629 Tonnen CO2 aus dem Privatjet von Bill Gates durch 0,03 Tonnen aus Burundi dividieren. Das Ergebnis ist, dass 54.300 Menschen aus Burundi genau so viel Kohlendioxid emittieren wie Bill Gates mit seiner privaten Fliegerei. Wenn die Yachten, die Luxusvillen und der Konsum von Bill Gates dazugerechnet wird, vervielfacht sich die ermittelte Zahl. Neben dem enormen Ressourcenverbrauch emittieren Superreiche auch noch ausgesprochen viel CO2. Dies ist weder erstrebens- noch beneidenswert. Trotzdem warnen viele Politiker vor Neiddebatten, obwohl sich die Superreichen schämen müssten. Beneidenswert ist dieser Lebensstil mitnichten, da die Vielfliegerei schlicht und ergreifend zu viel Energie verbraucht. Die Bequemlichkeit einiger reichen Personen führt zu einer geminderten Lebensqualität aller.   

Der Humanökologe Andreas Malm unterscheidet »Luxusemissionen« von »Subsistenzemissionen« (von Kohlendioxid) und liefert Argumente dafür, dass Luxusemissionen verabscheuungswürdiger sind und vorrangig bekämpft werden müssen. Die Reichen und Superreichen repräsentieren eine weltweite, grenzenlose »Verschmutzungselite«, die exzentrische Phänomene, beispielsweise die private Raumfahrt, hervorbringt. Jeff Bezos (amazon) und Richard Branson (virgin group) flogen im Juli 2021 für 11 Minuten ins All und verbrachten somit 300 Tonnen CO2 in die Atmosphäre. Die beiden Herren Richard Branson und Jeff Bezos emittieren in nur 11 Minuten genauso viel CO2 wie 10.000 Einwohner des Landes Burundi Einwohnern in einem Jahr.[2] Burundi verbrennt den Kohlenstoff, um notdürftig existieren zu können (Subsistenzemissionen), Richard Branson und Jeff Bezos wollen einen 11-minütigen Kick erleben und sie erzeugen damit Luxusemissionen. Berechtigterweise muss dieser Überkonsum kritisiert, verurteilt und sanktioniert werden. Es ist aber nur eine Seite der Medaille, denn die viel größeren CO2-Emissionen entstehen durch die Investments reicher Kapitalbesitzer. Um die Kapitalakkumulation aufrecht zu erhalten, investiert die reiche Klasse beispielsweise in den gewinnbringenden und klimaschädlichen Flugbetrieb. »Der CEO einer Airline, der eine Flotte von hunderten Flugzeugen organisiert, die jährlich Millionen Tonnen CO2-Äquivalente emittiert, verdankt seine Einkünfte und Aktienoptionen genau dieser klimaschädlichen Aktivität.«[3]


[1] Guillaume Paoli, Geist und Müll, Von Denkweisen in postnormalen Zeiten, Berlin, 2023, S. 28.

[2] Eigene Berechnungen, vgl. https://www.co2online.de/klima-schuetzen/klimawandel/co2-ausstoss-der-laender

[3] Sighard Neckel, Zerstörerischer Reichtum, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 4`23, Berlin, 2023, S. 52.

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