Rettet der Entsorgungsfonds KENFO unsere Rente?

25. April 2024

»Mittel abziehen, dafür sorgen, dass etwas nicht mehr funktioniert, die Leute verärgern, dann dem privaten Kapital übergeben.« (Noam Chomsky, Die Standardtechnik der Privatisierung)

Der Staat als Spieler

Deutschland verfügt über einen einzigen Staatsfonds: KENFO, den Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung. Dieser Fonds wurde im Jahr 2017 als Stiftung des öffentlichen Rechts gegründet. Kenfo geht aus einem Deal zwischen dem deutschen Staat und den ehemaligen Betreibern deutscher Atomkraftwerke, also E.ON, EnBW, RWE, Stadtwerke München und Vattenfall, hervor. Diese Unternehmen haben sich von der Verantwortung für die Endlagerung von radioaktiven Abfällen freigekauft, indem sie 24,1 Mrd. Euro in den neu gegründeten Staatsfonds einzahlten. Mit diesem Stiftungsvermögen will der deutsche Staat die sichere Entsorgung des Atommülls finanzieren. Ob jemals eine sichere Endlagerstätte gefunden wird, steht in den Sternen.

Während der ersten Jahre warf der Fonds eine durchschnittliche Rendite von 8,6 Prozent ab. Der Einbruch kam im Jahr 2022. In diesem Jahr erzielte der Fonds einen Wertverlust von 3,1 Mrd. Euro, dementsprechend musste ein sattes Minus von 12,2 Prozent verbucht werden. Somit ist das Vermögen aus der Jahresbilanz zum 31.12.2022 auf 21,7 Mrd. Euro geschrumpft. Außerdem gingen die Manager des Kenfo-Fonds vor der Gründung von einer Inflationsrate in Höhe von 1,6 Prozent und einem stetigen Wachstum aus. Auch diese Prognose bewahrheitete sich nicht, denn die Preissteigerung lag im Jahr 2022 bei 7 Prozent und die Wachstumsraten hinken den Erwartungen hinterher.

Nun möchte unser Bundesfinanzminister Christian Lindner die Stiftung des Kenfo-Fonds nutzen, um in Zukunft die sogenannte Aktienrente zu verwalten und das, noch zu beschaffende, Geld in diesen Fonds anzulegen. Auch wird über die Gründung eines zweiten Staatsfonds nachgedacht. Wie auch immer, es bleibt die grundsätzliche Frage: Wie soll nun dieses FDP-Generationenkapital aufgebracht werden? Da das (zweckgebundene) Geld der AKW-Betreiber nicht genutzt werden kann, weil es bilanziell zurückgestellt wurde, müsste sich der Staat zunächst verschulden. Die Hoffnung liegt darin, dass dann die, aus den Kapitalmärkten stammenden, Erträge höher sind, als die Kosten der Kreditfinanzierung. Toi, toi, toi.

Aufgrund der unsicheren Erwartungen auf den Kapitalmärkten erscheint es sinnvoller, über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer oder über eine Vermögensteuer nachzudenken, um die Finanzierung auf sichere Füße zu stellen. Die wiederkehrenden Finanzmarktkrisen dürfen weder die sozialpolitische Ausrichtung noch die gerechte Verteilung von Renten beeinflussen. Wie die Vergangenheit zeigte, hat der existierende Staatsfonds aber nicht nur den Sozialbereich negativ berührt, sondern auch noch der Umwelt massiv geschadet. Wie das? Was ist mit den Rückstellungen der AKW-Betreiber geschehen?

Greenwashing

„Im Bereich Energie hat Kenfo zum Beispiel Investitionen in Betreiber von AKW, Uranabbau und Betrieb von Uranminen, Kohleabbau und -verstromung, Öl- und Gasgewinnung aus Fracking sowie Ölgewinnung aus Öl- und Teersand ausgeschlossen. Doch „Urgewald“ und „Fossil Free Berlin“ glichen das zuletzt veröffentlichte Kenfo-Portfolio mit aktuellen Unternehmensdatenbanken zur fossilen Industrie ab. Das Ergebnis: Den weitaus größten Anteil der insgesamt in diesen Sektor investierten 771 Millionen Euro machen demnach mit rund 723 Millionen Investitionen in 98 Öl- und Gasunternehmen aus, darunter TotalEnergies, Shell und BP.“[1] Mit solchen Investitionen wird die Transformationen hin zu erneuerbaren Energien behindert und die fossilen Abhängigkeiten steigen weiter. Offensichtlich lässt sich mit den Rückstellungen für ein Atomendlager auch Geld mit fossilen Investitionen verdienen.

Neben der ökologischen Fragwürdigkeit dieses Staatsfonds ist auch noch der soziale Bereich zu beachten, denn der Kenfo-Fonds investiert auch im Pflegebereich, beispielsweise „bei Brookdale Senior Living, DaVita, Fresenius oder Life Point. Anlagen in diese Unternehmen führen zur Erhöhung von Pflegegebühren und stehen ebenfalls gänzlich im Widerspruch zur Daseinsvorsorge und geplanten Rentenreform, die Menschen ja gerade vor zusätzlichen Belastungen schützen soll. Die Politik des Staates wird dagegen „finanziert“ – sie wird abhängig von den Bedingungen des Kredit- und Kapitalmarktes.“[2]

Fazit

Als Modell für die Aktienrente ist der Kenfo-Fonds aus den genannten Gründen ungeeignet. Jetzt denkt Christian Lindner über die Gründung eines zweiten Staatsfonds nach, weil die FDP möglicherweise mit den genannten Problemen des Kenfo-Fonds, der angeblich gut gemanagt wird, nichts zu tun haben will. Dies wäre aber kontraproduktiv und die, von Christian Lindner „geliebte“, Bürokratie würde sich noch mehr aufblähen. Außerdem gibt es keinen Grund anzunehmen, dass mit einem zweiten Staatsfonds eine Verbesserung eintreten würde.

Auch der ständige Vergleich mit dem norwegischen Staatsfonds, der größte Sozialleistungsfonds der Welt, ist aus zweierlei Gründen nicht zielführend. Einerseits basiert er im Wesentlichen auf die norwegische Gas- und Ölproduktion. Dies lässt sich nicht auf das rohstoffarme Deutschland übertragen. Andererseits kam es im Jahr 2022 zu einem Rekordverlust von 152 Mrd. Euro. Solch einen herben Verlust könnte ein deutscher Staatsfonds, ohne Aussetzung der Schuldenbremse, nicht ansatzweise wegstecken. Aber, warum kompliziert, wenn es doch so einfach geht. Mein Vorschlag: Alle ( beispielsweise Beamte, Selbstständige, Gewerbetreibende, Ärzte, Rechtsanwälte) zahlen in die Rentenversicherung ein. Wenn dann noch die Beitragsbemessungsgrenze zielführend reformiert wird, ist dass Problem gelöst.


[1] Taz vom 20.Februar 2024

[2] Achim Brunnengräber und Albert Denk, Generationenkapital: Der Staat als Zocker, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 4`24, Berlin, 2024, S. 11.

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