No Atomstrom in my Wohnhome

23. Juni 2019

„Die Klimakrise ist unser Dritter Weltkrieg.“

Joseph Stiglitz (Professor für Wirtschaftswissenschaften und Nobel-Preisträger 2001)

Eigentlich stand mein Entschluss fest: Ich wollte keine Zeile mehr über die Atomkraft schreiben und eine Diskussion über Kernenergie ist für mich verschwendete Zeit.

Da es weltweit noch kein sicheres Endlager für abgebrannte Kernbrennstäbe gibt und es möglicherweise auch nie geben wird, ist die Auseinandersetzung mit dieser Thematik überflüssig. Da die Erde ständig in Bewegung ist, wird die Suche nach einem sicheren Endlager sehr schwer. Selbst das feste Gestein des Erdmantels bewegt sich einige Zentimeter im Jahr und dadurch entstehen Risse. Dies ist im Atomlager Asse besonders signifikant. Ohne sicheres Endlager ist eine Diskussion über die erneute Einführung von Atomstrom entbehrlich.

Jetzt bringt die CDU die Atomkraft wieder in die Debatte. Sie haben keine zielführenden Lösungen um dem Klimawandel zu begegnen, merken aber, dass die Wähler den Klimaschutz ernst nehmen. Jetzt diskutiert die CDU wieder über weitere Laufzeiten für Kernkraftwerke. Frankreich habe schließlich die Klimaziele nur erreicht, weil sie den Atomstrom haben.

Kernkraftbefürworter spielen sich häufig als Klimaretter auf. Der Haken an der Sache ist, Atomstrom ist keineswegs klimaneutral. Um eine Energiequelle hinsichtlich der Klimaneutralität beurteilen zu können, muss der gesamte Lebenszyklus untersucht werden. In der Tat, der Betrieb von Kernkraftwerken verursacht nur eine geringe Menge CO2. Aber was ist mit den vor- und nachgelagerten Prozessen?

Bevor ein AKW in Betrieb genommen werden kann, muss Uran abgebaut werden. Aufgrund des massiven Uranabbaus weltweit muss festgestellt werden,  dass die Uranerzgehalte sich mittlerweile stark reduzieren; also ist der Abbau mit einem höher werdenden Energieverbrauch verbunden. Außerdem sind die Verarbeitung und auch der Transport mit zu berücksichtigen. Nachgelagerte Prozesse betreffen vor allem den Abriss des Reaktors und die Lagerung des hochradioaktiven Mülls. Eine Studie aus dem Jahre 2017 des niederländischen Nuklearexperten Jan Willem Storm belegt, „dass mit der Erzeugung von Atomstrom zwischen 88 und 146 Gramm CO2 pro Kilowattstudie emittiert werden. Das entspricht dem Durchschnittswert der derzeit existierenden gasbetriebenen Heizkraftwerke. Sie liefern über 75 Prozent des Gasstroms im deutschen Netz.“[1]

Die unendliche Geschichte

Der Forschungsreaktor München ging im Jahre 1957 als erster Kernreaktor Deutschlands in Garching in Betrieb. Im Februar 1962 wurde das Kernkraftwerk Kahl als erster Reaktor ans Netz angeschlossen. Spätestens jetzt wusste man, dass solch ein Kernkraftwerk auch radioaktive Abfälle produziert. Als das sogenannte „Atomgesetz“ im Jahre 1960 in Kraft trat, wurde die Endlagerung radioaktiver Stoffe nicht berücksichtigt – ein fataler Fehler. Im Jahre 1965 wurde dann ein ehemaliges Salzbergwerk in Niedersachsen als Forschungsbergwerk umfunktioniert – die Schachtanlage Asse wurde zum Atomlager. Allein über die politischen Intrigen und die ökologischen Probleme dieses Salzbergwerkes könnte man ein Buch schreiben. Weil in die Asse Wasser fließt, die maroden Fässer rosten und Radioaktivität freisetzen, denkt man schon seit einigen Jahren darüber nach, die radioaktiven Stoffe wieder an das Tageslicht zu befördern. Unabhängig von den gewaltigen Risiken der Bergung der Fässer ist selbst der ökonomische Aufwand bis heute kaum zu überblicken. Es gibt sehr unterschiedliche Schätzungen. Im Zusammenhang mit der Sanierung der Asse habe ich häufiger schon die Zahl 20 Milliarden Euro vernommen. Dies ist aber höchst spekulativ, weil die Maschinen und Roboter, die die Bergung des Atommülls vornehmen sollen, noch in den Anfängen der Entwicklungsphase stecken und die Risiken, selbst für Fachleute, kaum zu überblicken sind.  Die Entsorgung des radioaktiven Mülls taucht in regelmäßigen Abständen alle paar Jahre in den Medien auf und es wird mitgeteilt: Die Asse säuft ab. Das Problem ist bis heute noch nicht gelöst.

In den 1970 er Jahren fuhr dann meine Generation in das niedersächsische Gorleben, um gegen das „Endlager“ für hoch radioaktive Stoffe zu protestieren. Gorleben lag an der damaligen Grenze zur DDR; dieser Standort war kein Zufall und auch nicht geologisch legitimiert, es war eindeutig eine politische Entscheidung. Auf der anderen Seite der BRD lag nämlich das Atomendlager Morsleben (DDR). Insofern war Gorleben auch ein Teil des Kalten Krieges und die Entscheidung der damaligen niedersächsischen CDU – Regierung, unter dem Ministerpräsidenten Ernst Albrecht, war nicht nur aus geologischer Sicht zu rechtfertigen. Außerdem ist das Wendland dünn besiedelt, dieses Argument sprach damals ebenfalls für ein atomares Endlager  in Gorleben.

Dieses Endlager wurde dann die nächsten Jahrzehnte weiter betrieben und die Entscheidung wurde, trotz erheblicher Bürgerproteste, nicht revidiert. Insofern haben wir bis heute kein sicheres Endlager aber über 1.900 Behälter mit hoch radioaktiven Abfällen.

Die Suche nach einem Endlager

Heute befinden wir uns also am Anfang der Endlagersuche. Nach über 60 Jahren Kernenergie ist das eigentlich ein Skandal. Solange die Frage nach dem Endlager nicht abschließend beantwortet ist, kann man nicht ernsthaft die Kernenergie als Lösung für den Klimawandel befürworten. Gibt es überhaupt einen Ort der sicher radioaktive Materialien über die nächsten Jahrtausende  lagern kann? Falls es einen solchen Ort geben sollte: Ist es dann geologisch gesichert, dass die Erde sich innerhalb dieses langen Zeitraums ruhig verhält?

Gesichert ist in jedem Fall, dass eine wissenschaftsbasierte Suche in Deutschland problematisch ist, weil die geologischen Daten vielfach nicht veröffentlicht werden können. Eine Vielzahl von Daten wurden nicht von staatlichen Institutionen erhoben, sondern von Unternehmen der Bergbaubranche und der Rohstoffindustrie.  Seit über 100 Jahren kartieren diese Unternehmen das Gestein Deutschlands. Also müssen die geologischen Landesämter an diese Daten kommen. Die Unternehmen werden sie natürlich nicht freiwillig herausrücken, sie werden sich diese Rechte entweder teuer bezahlen lassen oder im Tresor verschließen. Viele Unternehmen aus dieser Branche befürchten auch Wettbewerbsnachteile, wenn solche Daten veröffentlicht werden. Es wird also noch einige Zeit dauern, bis die Behörden über gesicherte Daten verfügen.

Ich fürchte, dass die Suche nach einem sicheren Endlager nicht gelingen wird, weil die Erde ständig in Bewegung ist. Selbst das feste Gestein des Erdmantels bewegt sich einige Zentimeter im Jahr und dadurch entstehen Risse, und die sind für ein Endlager ganz schlecht – siehe Asse.

Das Märchen vom günstigen Atomstrom

Anstatt die externen Kosten für die Endlagersuche zu internalisieren, wälzen die Atomkonzerne diese Kosten auf die Allgemeinheit ab. Insofern ist es sehr schwer, die externen Kosten der Energienutzung abzuschätzen. Außerdem werden auch viele Studien durch die Energiewirtschaft erstellt. Hier sind dann Wissenschaftler beteiligt, die den Atomkonzernen nahestehen. Trotzdem kann zusammenfassend festgestellt werden, dass die Energie, die aus Wind oder Photovoltaik hergestellt wird, wesentlich geringere externe Kosten verursacht als die Kernenergie und die Gefahren eines  Supergaus sind bei erneuerbaren Energiequellen nicht gegeben.[2]

[1]  Anika Limbach, Kernkraft fürs Klima? Nein Danke, in: Der Freitag vom 25. April 2019, Nr. 17, S. 19.

[2] Wie so häufig – einen Seitenhieb auf „die smarten und umweltfreundlichen“ IT-Unternehmen kann ich mir mal wieder nicht verkneifen: Nur um das weltweite Internet zu betreiben, benötigen wir ständig den Strom aus mindestens 25 Atomkraftwerken – Tendenz stark steigend, denn mit dem Mobilfunkstandard G 5 wird zukünftig alles vernetzt, Autos, Häuser, Heizungen und auch Mülleimer. “ Man sollte gar nicht glauben, wie gut man auch ohne die Erfindungen des Jahres 2500 auskommen kann.“ (Kurt Tucholsky)

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