Carbon Capture and Storage

10. März 2023

„[Wir schieben] unsere Kinder in einen globalen Schulbus [hinein], der mit 98 Prozent Wahrscheinlichkeit tödlich verunglückt.“ (Hans Joachim Schellnhuber, Klimaforscher)

Gegenwärtig wird das Verfahren »Carbon Capture and Storage« (Abscheidung und Speicherung von CO2) vielerorts propagiert. Bei dieser Methode soll das CO2 das Kraftwerk oder den Industriebetrieb nicht verlassen. Aus Kraftwerksabgasen wird chemisch das CO2 abgeleitet. Anschließend wird es dann unterirdisch gelagert, vorzugsweise soll der Boden der Nordsee dafür genutzt werden. Die sichere Speicherung von CO2 existiert nur auf dem Papier und die Beeinträchtigung der Umwelt ist noch nicht annähernd untersucht worden. Fraglich ist, wie die Bohrlöcher auf ewig verschlossen werden können. Auch muss sichergestellt werden, dass keine Leckagen von Kohlendioxid entstehen, denn der ordnungsgemäße Verschluss des gesamten Bohrlochs ist für zukünftige Generationen überlebenswichtig.

Das Ölfeld Nini West

Dänemark will im April 2023 einen Vorstoß wagen und CO2 in den Boden der Nordsee pressen. Das ausgeförderte Ölfeld Nini West soll 15.000 Tonnen verflüssigtes CO2 aus Belgien aufnehmen, um es dann 1.800 Meter in die Tiefe zu pressen. Das Kohlendioxid wurde in Kraftwerken und Industrieanlagen von anderen Stoffen getrennt, aufgefangen und verflüssigt. Unter der Voraussetzung, dass die Temperatur weniger als 31 Grad Celsius (»kritischer Punkt«) beträgt, lässt sich gasförmiges CO2 unter Druck verflüssigen. Diese Flüssigkeit hat eine Dichte, die dem Wasser entspricht. Das CO2 wird wieder gasförmig, wenn die Temperatur den kritischen Punkt überschreitet. Hierbei ist der geothermische Gradient[1] zu beachten. Er ist das Maß für eine (infinitesimale) Temperaturänderung in Abhängigkeit vom Ort. In Deutschland liegt der mittlere geothermische Gradient bei 3 Grad /100 m. Das bedeutet, dass die Temperatur unter der Erdoberfläche um circa 3 Grad Celsius pro 100 Meter steigt. Somit ist es sehr wahrscheinlich, dass sich das eingelagerte CO2 wieder in den gasförmigen Zustand verwandelt. Dies muss bei der Endlagerung mit berücksichtigt werden, weil die Gesteinsporen im Bohrloch vorher flüssiges Rohöl enthielten.

Dieser gesamte Prozess ist keineswegs energie- und klimaneutral. Zunächst muss das Kohlendioxid von anderen Stoffen getrennt werden. Nachdem es aufgefangen wurde, findet die Verflüssigung mit hohem Druck statt. Anschließend wird es dann mit einem Schiff zur Bohrinsel gebracht, um dann anschließend wiederum mit hohem Druck in die Lagerstätte gepresst zu werden. Auch das ordnungsgemäße Verschließen des gesamten Bohrlochs kostet Material und Energie.

Durch diese Technik reduziert sich aber die CO2-Konzentration in der Atmosphäre nicht. Auch wenn ehemalige Plattformen und Bohrinseln für die Ölförderung massenhaft genutzt werden, um CO2 in den Boden der Nordsee zu verpressen, wird die CO2-Konzentration in den nächsten Jahren weiter steigen. Kevin Anderson, der CO-Direktor des Tyndall Centers, weist darauf hin, dass viele Klimamodelle fälschlicherweise davon ausgehen, dass die CCS-Methoden in naher Zukunft eingesetzt werden. In welchem Umfang CCS genutzt werden kann, ist vollkommen offen. Diese fragwürdige »Einpreisung« der CCS-Methoden in diversen Klimaberechnungen führt lediglich zu einer optimistischeren Zukunftseinschätzung.

Außerdem weist Kevin Anderson darauf hin, dass das globale Kohlenstoffbudget wegen der auftauenden Permafrostböden wesentlich geringer ist als bisher angenommen. Auch deshalb sind die gegenwärtigen Klimamodelle häufig mangelhaft.

Die Erde ist keine Maschine

Solche Methoden suggerieren, dass man so weiter machen kann wie bisher, weil unterstellt wird, dass die Erde eine Maschine sei. Die Erde ist ein lebendiger Organismus und muss auch als solcher behandelt werden. Geo-Engineering  unterstellt, dass man die fossilen Brennstoffe weiterhin nutzen und das CO2 in den Boden pressen kann. Dies wird aber nicht funktionieren, weil das Verpressen in den Boden der Nordsee ungeahnte Folgen haben wird. Studien[2] belegen, dass der Gesamtverlust der Biomasse von Fischen innerhalb der letzten einhundert Jahren auf zwei Drittel geschrumpft ist. Das Ökosystem Meer wird nicht nur durch eine nie dagewesene Plastikflut geschwächt, sondern auch durch einen erhöhten Säuregrad, der Korallen und Krustentiere beeinträchtigt. Diese Katastrophe könnte noch verschärft werden, wenn die CDR-Methoden zur Anwendung kommen, denn sie sind »brandgefährlich, weil wir über keine zweite Welt verfügen, wenn etwas schiefgeht.«[3] Sie stärken nur die Überzeugung, dass die Menschheit sich mit technischen Instrumenten den Folgen ihrer Handlungen entziehen können. Das ultrakomplexe Klimasystem der Erde lässt sich nicht mit »Geo-Engineering« steuern. Die technischen CDR-Verfahren können den atmosphärischen und den biologischen Stoffwechsel nur sehr mangelhaft erfassen.

[1] In meinem Buch Die Vergötterung der Märkte habe ich mich mit dem Entstehen und der Förderung von fossilen Brennstoffen beschäftigt. Im Zusammenhang mit der Entstehung von Rohöl ist der geothermische Gradient wichtig, da mit Absinken des Kohlenstoffs in die Erde flüssiges Rohöl »gekocht« wird.

[2] Christensen, V. et.al, A Century of Fish Biomass Decline in the Ocean, in: Marine Ecology Progress Series 512, No. 1, 2014, S. 155 ff.

[3] Fritz Reheis, Erhalten und Erneuern, Hamburg, 2022, S. 55

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