»Trickle-down economics has never worked.« (Joe Biden, US-Präsident)
Nach der Trickle-down-Theorie sind zunächst diejenigen zu beglücken, die aufgrund ihres Reichtums meinen, dass ihnen das Land gehört. Wenn dann die Steuersätze für Reiche niedrig sind, können die Reichen dann tröpfchenweise Wohltaten an die Armen verteilen. Ganz nach dem Matthäus-Prinzip: Wer hat, dem wir gegeben. Vermögen bläht sich bei einigen wenigen immer stärker auf. Ist eine bestimmte Größenordnung erreicht, kommt ein sich selbst verstärkender Prozess in Gang. Deshalb werden die Starken stärker und die Schwachen schwächer.
Adam Smith schrieb im Jahre 1776 in seinem berühmten Buch »Der Wohlstand der Nationen« im Buch 1, Kapitel 1, Seite 22: »Es ist die große Vermehrung der Produktion in allen möglichen Sparten als Folge der Arbeitsteilung, die in einer gut regierten Gesellschaft jenen universellen Reichtum verursacht, der sich bis zu den niedrigsten Bevölkerungsständen verbreitet.« Der Ökonom John Kenneth Galbraith (1908-2006) interpretierte diesen Sachverhalt umgangssprachlich: »Wenn man einem Pferd genug Hafer gibt, wird auch etwa auf die Straße durchkommen, um die Spatzen zu füttern.« (Pferdeäpfel-Theorie) Die Zeiten, als die von den Reichen erzeugten Gewinne und Erträge in Form von höheren Löhnen an die ärmere Bevölkerung weitergegeben wurden, sind lange vorbei. Heute werden vorrangig die Shareholder, die Rendite erwarten, bedient.
Trickle down hat noch nie funktioniert
Auch der französische Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty hat in seinem bahnbrechenden Werk, Das Kapital im 21.Jahrhundert, im Jahre 2014 statistisch untermauern können, dass die Kapitalrendite tendenziell die gesamtwirtschaftliche Wachstumsrate übersteigt. Damit werden gesellschaftliche Verteilungsspielräume erheblich eingeengt und die Gewinne aus Kapitalbesitz, oder sollte man besser Renten[1] sagen, führen zu einem einseitigen Wohlstandszuwachs für die Wohlhabenden. Die Haushalte mit geringeren Einkommen haben das Nachsehen. Somit ist die Trickle-down-Theorie ökonomisch falsch. Denn nach Thomas Piketty führt die Logik eines nicht regulierten Kapitalismus dazu, dass Einkommens- und Vermögensungleichheiten stetig zunehmen werden. Dieser Befund wird inzwischen auch von der OECD, und auch vom gegenwärtigen US-Präsidenten, geteilt.
Als Joe Biden neu in das Amt kam, formulierte er in nahezu klassenkämpferischer Ausdrucksweise: »Ich bin nicht gegen Unternehmen, aber es ist an der Zeit, dass sie ihren gerechten Anteil zahlen. (…) In diesem Jahr haben 50 Unternehmen, die 40 Mrd. Dollar erzielt haben, keinen einzigen Penny Steuern gezahlt. Nicht einen einzigen Penny. Ich möchte niemanden bestrafen, aber jeder sollte seinen Beitrag leisten. (…) Deshalb plane ich, für Arbeiterinnen und Arbeiter die Steuern zu senken und dann jeden seinen fairen Anteil zahlen zu lassen.« Somit sind die Steuern für Reiche und Unternehmen in Amerika zu erhöhen. Die US-Regierung investierte hunderte Mrd. Dollar in die Infrastruktur. Außerdem hat Joe Biden den Inflation Reduction Act auf den Weg gebracht, einen Mindeststeuersatz für Unternehmen festgelegt und die Steuerhinterziehung bekämpft.
Und was machen unsere Ampelmänner? Sie lassen sich von einer absurden Schuldenbremse in Geiselhaft nehmen. Investitionen in die Infrastrukturen unterbleiben und man stellt neuerdings fest, dass die deutschen Deiche nicht ausreichend gewartet wurden.
Während Joe Biden die Weltgemeinschaft immer wieder darum bittet, den Steuersenkungswettlauf zu beenden, glorifiziert unser Finanzminister diesen absurden Wettbewerb. Wie auch immer, der Steuersenkungswettlauf muss gestoppt werden, weil solch ein Wettbewerb alle schlechterstellt. Dies wird durch die Metapher vom Fußballplatz schön beschrieben:
Ein Besucher des Fußballspiels steht auf, damit er besser sehen kann. Dann stehen nacheinander auch die anderen Besucher auf. Letztlich sehen alle wieder gleich schlecht, aber sie müssen dabei stehen, statt zu sitzen.[2]
Wenn die Fußballfans eine Einigung erzielen und ihren Egoismus zur Seite schieben würden, könnten alle besser gestellt werden. Dies ist im internationalen Steuerrecht nicht anders. In der Zusammenarbeit der OECD mit den G20-Staaten bemüht sich Joe Biden, eine durchgreifende Reform des internationalen Steuerrechts zu erreichen. Der schädliche Steuerwettbewerb kann gestoppt werden, wenn Länder wirksam zusammenarbeiten. Somit kann dann jedes Land die Steuergelder für sinnvolle Dinge, die dem Gemeinwohl dienen, nutzen und Deutschland hätte möglicherweise auch wieder sichere Deiche.
[1] Renten sind leistungslose Einkommen.
[2] Vgl. Stefan Bach, Unsere Steuern, Frankfurt/Main, 2016, S. 185.