»Die Gesetze jeder Art von Bewegung werden ihm (dem Menschen, Anmerkung U.K.) erst dann verständlich, wenn er willkürlich einzelne Abschnitte herausgreift und betrachtet. Doch aus dieser willkürlichen Unterteilung der endlosen Bewegung in begrenzte Einheiten ergibt sich ein Großteil der menschlichen Irrtümer.« (Lew Tolstoi, Krieg und Frieden)
Der Sommer 2024 hatte es in sich und es deutet sich an, dass der Sommer 2025 die Ereignisse des vorigen Jahres noch toppen könnte. Dürren, Wassermangel, Erdrutsche, Waldbrände und sehr wechselhafte Temperaturen waren die bestimmenden Themen. Es gab noch nie so viele Jahrhunderthochwasser innerhalb eines Jahres. Der World Weather Attribute Service stellte fest, dass Dürren auf der Nordhalbkugel aufgrund des anthropogenen Klimawandels mindestens zwanzig Mal wahrscheinlicher geworden sind. Im gesamten Jahr 2024 stiegen die weltweiten Temperaturen auf neue Höchststände an. In Deutschland war der Sommer 2024 das heißeste Jahr, das je gemessen wurde. Die Temperatur lag satte 2,7 Grad Celsius über dem Wert der internationalen Referenzperiode für die Zeitspanne von 1961 bis 1990. Die Katastrophen häufen sich und der Kanzler Friedrich Merz führte aus, dass noch genügend Zeit für die Bekämpfung des Klimawandels zur Verfügung stehe und die neue Wirtschaftsministerin, Katherina Reiche, stellt die Klimaziele in Frage. Merz erklärte zum Klimaschutz: »Wenn wir in den nächsten zehn Jahren die Weichen richtig stellen, sind wir auf einem guten Weg.« Jetzt ist erstmal die Wirtschaft wichtiger. Diese Entspanntheit lässt sich nur mit einer politischen Fehlleistung erklären. Friedrich Merz vermittelt, dass wir schon einige Krisen bewältigt haben und dass die Klimakrise irgendwann auch beendet ist. Das Gegenteil ist der Fall, weil der Klimawandel kumulativ wirkt. Das Klimaproblem wird somit immer größer. Je länger wir mit der Bekämpfung warten, desto größer wird dieses Problem. Um das vereinbarte 1,5 Grad Ziel zu erreichen, muss innerhalb von sieben Jahren die globale Emission halbiert werden. Um nicht in die Klimakatastrophe zu laufen, muss die Emission mindestes jedes Jahr um sieben Prozent sinken. Dies ist aber bereits heute nicht mehr zu erreichen, weil sich weltweit die globale Durchschnittstemperatur gegenüber der Zeit vor der industriellen Revolution schon jetzt um über 1,5 Grad erhöht hat.
Immer wieder ist in den Medien zu hören, dass Deutschland weniger Treibhausgase ausstößt. Trotzdem kommt keine Freude auf, weil diese Reduktion mit der schwächelnden Wirtschaft Deutschlands zusammenhängt. Wir berauschen uns an diesen Zahlen und vergessen dabei die weltweite CO2-Konzentration, die stetig und permanent steigt. Scheinbar sieht die Realität anders aus, die Emissionen wachsen trotz Einsparungen und das Problem vergrößert sich Tag für Tag. Im Jahr 2023 hat die Produktion von erneuerbaren Energien ein Rekordniveau erreicht. Gleichzeitig wurden die fossilen Energien so viel genutzt, wie nie zuvor. Scheinbar scheint hier ein komplementärer Zusammenhang vorzuliegen, der sich aus dem Wachstumshunger des Wirtschaftssystems erklären lässt. Dieses System basiert auf Wachstum, Konkurrenz und fossilen Energien. Diese Basis stellt die gesellschaftliche Normalität dar. Doch die imperiale Lebensweise kommt zwangsläufig an eine Grenze, weil die Kehrseite der »gesellschaftlichen Normalisierung und globalen Ausbreitung emissionsintensiver Produktions- und Konsummuster«[1] nicht nur die soziale Ungleichheit befördert, sondern den Klimawandel vorantreibt. Produktions- und Konsummuster, »die den tendenziell unbegrenzten Zugriff auf Natur und Arbeitskraft in einem globalen Maßstab voraussetzen« werden von Ulrich Brand und Markus Wissen als imperiale Lebensweise bezeichnet. Diese Lebens- und Wirtschaftsweise kann die Natur kaum noch verkraften und das fragilste System der Natur, die Atmosphäre, droht zu kollabieren. Wir überschreiten die Kipppunkte des globalen Klimasystems und verlassen den stabilen Zustand. Der zukünftige instabile Zustand führt uns in eine lang andauernde Phase des Klimachaos. Sie gehorcht nicht linearen Entwicklungen und ist somit kaum kalkulierbar.
[1] Ulrich Brand / Markus Wissen, Kapitalismus am Limit, München, 2024, S. 35.