Sind die Schulden schuld?

25. März 2025

»Die Erkenntnis, dass Kredite Einlagen schaffen und nicht umgekehrt, ist inzwischen anerkannte Lehrmeinung, wenngleich sie in den meisten Curricula noch nicht angekommen ist.« (Joscha Wullweber, Professor für politische Ökonomie)

Die Ampelkoalition kam am Ende des Jahres 2024 in schwieriges Fahrwasser, weil die Ausgaben des Bundes in diesem Jahr ungefähr 465,7 Milliarden Euro, die Einnahmen hingegen nur rund 440,6 Milliarden Euro betrugen. Somit ergab sich ein Finanzierungsdefizit von circa 25 Milliarden Euro. Darauf werden wir noch zu sprechen kommen. Vorab aber ein wenig Mainstreamökonomie.

Tableau economique

Der französische Arzt und Ökonom Francois Quesnay (1694–1774) entwickelte das Tableau economique, den sogenannten Wirtschaftskreislauf. In diesem Kreislauf, der den menschlichen Kreislauf ähneln soll, werden alle volkswirtschaftlichen Geld- und Güterströme abgebildet und er dient vielen neoliberalen Politikerinnen und Politiker zur Modellierung der ökonomischen Zusammenhänge. Leider kann ich nicht beurteilen, ob die Politiker, die den ökonomischen Mainstream vertreten, es tatsächlich ernst meinen oder ob sie bewusst die Unwahrheit sagen.

Jedenfalls wird gebetsmühlenartig erklärt, dass ein Wirtschaftssystem aus verschiedenen Sektoren besteht: Unternehmen, Haushalten, Banken (Vermögensveränderungssektor), Staat und Ausland. Im Wirtschaftskreislauf treten die genannten Sektoren in verschiedene Austauschverhältnisse. Die Haushalte stellen den Unternehmen ihre Arbeitskraft zur Verfügung, im Gegenzug erhalten sie Löhne und Gehälter. Die Unternehmen produzieren Waren, die Haushalte kaufen diese Waren und haben demzufolge Konsumausgaben. Die Haushalte geben aber nicht ihr gesamtes Einkommen für die Waren aus, sondern halten Teile ihres Einkommens zurück, sie sparen. Die gesparten Mittel werden zur Bank gebracht. Die Unternehmen wollen investieren. Das Geld wird ihnen von der Bank zur Verfügung gestellt. So wird das von den Haushalten ersparte Geld im Unternehmen produktiv angelegt; Kapital wird gebildet. Jetzt kann dieser Kreislauf noch erweitert werden. Beispielsweise kann der Staat noch mit aufgenommen werden, sodass die Austauschverhältnisse weiter differenziert (Steuern, Subventionen usw.) werden können. Die Importe und Exporte lassen sich mitberücksichtigen, wenn das Ausland in diesen Wirtschaftskreislauf integriert wird. Jeder Sektor hängt mit jedem anderen Sektor zusammen. Daraus folgt, dass die Ausgaben des einen Sektors die Einnahmen des anderen Sektors sind. Und jetzt kommt das Staatsdefizit von 25 Milliarden Euro ins Spiel. Diese Staatsschulden führen dazu, dass ein Vermögen in Höhe von 25 Milliarden Euro in der Wirtschaft (Haushalte und Unternehmen) aufgebaut wurde. Wie gesagt, die Ausgaben des einen Sektors sind die Einnahmen des anderen Sektors. Buchhalterisch ausgedrückt: Die Verbindlichkeiten des einen sind die Forderungen des anderen. Wenn sich ein Staat nicht verschulden würde, könnte auch kein Vermögen aufgebaut werden, denn Schulden sind Verbindlichkeiten und Forderungen stellen Vermögen dar.

Somit ist ein Kapitalismus ohne Verschuldung nicht möglich. Dies wurde von Maurice Höfgen im nachfolgenden Video, wie gewohnt, sehr gut dargestellt.

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