Eigentlich sollte die Artenvielfalt geschützt werden

17. November 2024

„„Sprich, wie werd ich die Sperlinge los?“, so sagte der Gärtner: „Und die Raupen dazu, ferner das Käfergeschlecht, Maulwurf, Erdfloh, Wespe, die Würmer, das Teufelsgezüchte?“ – „Laß sie nur alle, so frißt einer den anderen auf.““ (J.W. Goethe, Weissagungen des Bakis)

Anstatt Artensterben und Klimaschutz gemeinsam und integrativ zu denken und zu planen, »gilt meist noch immer: Klima first, Artenschutz second. Das ist das Gegenteil von Zusammendenken, es ist ein Rückschritt ins Eindimensionale.«[1] Nach der US-Wahl gilt nun: Wirtschaft first und Umweltschutz second. Ähnlich wie beim Begriff Klimawandel[2] ist der Ausdruck Artensterben irreführend, denn die Arten verschwinden nicht wie von Geisterhand, sondern sie werden systematisch ausgerottet. Schuld daran ist die industrielle Land- und Forstwirtschaft, die industrielle Fischerei und der Flächenfraß durch Bebauung. Da wir uns sehr weit von der Natur entfernt haben und uns immer weniger »draußen« aufhalten, merken wird nicht, dass die Arten verschwinden. Es gibt heute nur noch halb so viele Wildtiere auf dem Planeten wie im Jahr 1970. Nach Aussagen der United Nations (UN) sterben jeden Tag bis zu 130 Tier- und Pflanzenarten aus. Der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) prognostiziert, dass in den nächsten Jahrzehnten rund eine Millionen Arten aussterben könnten. Der Artenschwund nimmt rasant zu, unsere Referenzpunkte verändern sich und wir merken nicht, dass die Natur unbemerkt verstummt. Die Arten sterben einfach so aus. 

Die COP 16 in Cali

Auf der COP 16, die Ende Oktober 2024 im kolumbianischen Cali stattfand, wurden dramatische Zahlen zum Artensterben veröffentlicht und dramatisch wenig dagegen getan. »Nur drei Prozent der globalen Ökosysteme sind noch intakt.« (Kathrin Hartmann) Mehr als 40.000 Tier- und Pflanzenarten sind laut der Weltnaturschutzunion akut bedroht. Von den 200 Vertragspartnern reisten nur 30 mit einer nationalen Strategie an. Um es kurz zu machen – die Bilanz der diesjährigen COP 16 ist mehr als ernüchternd und die Ziele wurden krachend verfehlt. Ein Beispiel: Im chinesischen Kumming (COP 15) wurde im Jahr 2022 vereinbart, bis zum Jahr 2025 eine Summe von 20 Milliarden US-Dollar in den Global Biodiversity Framework Fund einzuzahlen. Bis zum heutigen Tag befinden sich aber nur mickrige 250 Millionen Dollar in diesem Fonds.  

Die Erhaltung der Biodiversität ist eine Menschheitsfrage

Drei Dinge läuteten in der ersten Novemberwoche 2024 eine Zeitenwende ein, die mich fassungslos macht. Dass die Biodiversitätskonferenz in Cali scheitert, ist unverantwortlich, war aber vorhersehbar. Dass in Amerika nun eine Klimaleugner, Naturhasser und Befürworter der fossilen Industrie namens Donald Trump regiert, erschwert die Umwelt- und Klimapolitik ungemein. Auch dies war vorhersehbar. Drittens ist in Deutschland die Ampel gescheitert und die Zeichen stehen auf Wirtschaftsförderung und -wachstum. Natur-, Arten- und Klimaschutz müssen sich hinten anstellen, wenn der Bundeskanzler Friedrich Merz heißen wird. Auch dies war vorhersehbar. Zusammengefasst also sehr schlechte Zeiten für den Planeten Erde. Die neue Devise scheint zu sein – soll doch der Planet kaputtgehen, Hauptsache die Wirtschaft brummt. Unsere Lebensgrundlage ist bedroht und die angeblichen wirtschaftskompetenten Vertreter handeln rücksichtslos gegen die Natur. »Von solcherlei Ökosentimentalitäten und Kinkerlitzchen könne man sich doch beim Verfolgen großer Ziele der Wirtschaftsförderung und „Standortsicherung“ nun wirklich nicht aufhalten lassen. Wirtschaftswachstum first! Naturträumerei second! Kompensation der Naturzerstörung vielleicht später und anderswo, lautet die Devise.«[3] Die COP 16, Donald Trump und auch ein zukünftiger Bundeskanzler stehen für solche Aussagen. Dabei wird vollkommen ausgeblendet, dass nur die Natur unser Ãœberleben sichern kann und das wir mit den Gratisleistungen der Natur sorgsam umgehen müssen. Fruchtbare Böden, sämtliche Rohstoffe, sauberes Wasser, saubere Atemluft, biologische Vielfalt und ein zuträgliches Klima sind naturgemacht. Artensterben, Naturausbeute und -zerstörung und die Ruinierung der Atmosphäre sind menschengemacht. Dazu gehört auch eine Vielzahl von fehlgeleiteten Subventionen in den Sektoren Land-, Forst- und Weidewirtschaft, Energiewirtschaft, Bergbau und fossilen Industrien . »Wir bezahlen uns praktisch noch dafür, dass wir die Natur aufzehren«. (Partha Dasgupta) Wie kann man Wirtschaftstheorien vertreten, die sich als unfähig erweisen, die Natur angemessen zu berücksichtigen. Sie ist eben nicht nur ein Produktionsfaktor, den man nach Belieben ausbeuten kann, sondern Fundament des Lebens. »Der Schutz der biologischen Vielfalt ist kein weiches Wohlfühlthema, das man sich leistet, wenn die Wirtschaft „brummt“, sondern eine Conditio sine qua non menschlichen Wirtschaftens.«[4]


[1] Tanja Busse und Christiane Grefe, Der Grund allen Wohlstands, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Berlin. 03/24, 2024, S. 111.

[2] Der Begriff „Klimakatastrohe“ wäre zielführender.

[3] Reinhard Loske, Biologische Vielfalt als Menschheitsfrage, Warum Biodiversität kein «weiches Wohlfühlthema« ist, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 11`24, Berlin, 2024, S. 85.

[4] Reinhard Loske, Biologische Vielfalt als Menschheitsfrage, Warum Biodiversität kein «weiches Wohlfühlthema« ist, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 11`24, Berlin, 2024, S. 90.

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