Die Biodiversität

24. September 2020

„Nackensteak-Esser sind das Rückgrat unserer Gesellschaft.“

Ralph Brinkhaus, CDU-Fraktionsvorsitzender

 Das Leben ist vielfältig und muss besonders geschützt werden. Eine ausgewogene und funktionierende Umwelt basiert auf der Vielfalt der Ökosysteme, der genetischen Vielfalt und dem Reichtum an Arten bei Tieren, Pflanzen, Pilzen und Mikroorganismen. Ich habe auf dieser Homepage schon einige Instrumente zum Schutz der Biodiversität behandelt und mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht. Beispielsweise wird die Biodiversität durch den intensiven Anbau von Mais stark eingeschränkt. Mais ist eine sehr anfällige Pflanze. Die Befruchtung kann schon verhindert werden, wenn in einer Woche zu hohe Temperaturen herrschen. Dann findet im entscheidenden Moment keine Befruchtung statt, für die Bestäubung gibt es aber keine zweite Chance.

Die Landwirtschaft muss dem Allgemeinwohl dienen

 „Ein weiteres Steuerungsinstrument für den Schutz der Biodiversität wären verbindliche und einklagbare Flächenverbrauchsziele für alle Bundesländer. Einige Länder haben sich bereits zum Ziel gesetzt, in Zukunft weniger Flächen zu bebauen und zu versiegeln, aber sie haben das nicht in einem verbindlichen Gesetz festgehalten, auf dessen Grundlage Naturschützer bei Verstößen klagen können. Dieses Ziel nicht nur zu formulieren, sondern in einem Gesetz festzuschreiben wäre ein einfacher Schritt mit gigantischer Wirkung. Die Umweltjuristin Roda Verheyen, die Greenpeace und drei vom Klimawandel besonders betroffene Familien in ihrer Klage gegen die Bundesregierung vertritt, hält verbindliche Grenzen für den Flächenverbrauch für einen der wichtigsten Hebel im Kampf gegen den Verlust der biologischen Vielfalt.“[i] Außerdem wären die Klimaziele mit einem einklagbaren Flächenverbrauch deutlich einfacher zu erreichen.

Häufig hört man in Diskussionen und Vorträgen, dass wir den Boden zwangsläufig intensiv ausbeuten müssen, um den weltweiten Hunger zu begegnen, schließlich wachse doch die Bevölkerung. Um die Ernteerträge zu steigern, müsse man deshalb den Boden mit großen industriellen Maschinen bearbeiteten. Genau diese Argumentation habe ich während einer Betriebsführung eines namenhaften Landmaschinenherstellers gehört.

Was ist nun falsch an dieser Argumentation? Die zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft begünstigt einerseits die Virenausbreitung und andererseits die globale Erwärmung. Sowohl die Fleischwirtschaft als auch die industrielle Landwirtschaft schaffen den Nährboden für eine zunehmende Virenverbreitung.  „Dass die Massentierhaltung zu einer größeren Bandbreite von Influenza-Viren beigetragen hat, kann als sicher gelten. In den vergangenen anderthalb Jahrzehnenten entstand im globalen Inselreich der industriellen Tierhaltung eine noch nie da gewesene Vielzahl von Influenza-Viren, die Menschen besiedeln können.“ [ii]  Denn bei einem Ausbruch von Epidemien begünstigen eine Vielfalt alter Sorten und Arten und eine ausgeprägte Biodiversität  die Eindämmung von Pandemien.

Bildet Humus

Wie ich bereits festgestellt habe, lässt sich der Klimawandel abwenden, wenn ausreichend Humusboden gebildet wird. Es geschieht genau das Gegenteil – Humusboden wird vernichtet, mit der zweifelhaften Begründung, dass nur eine intensive Landwirtschaft die Weltbevölkerung ernähren kann. Umgekehrt wird ein Schuh daraus, offensichtlich benötigen wir diese Land- und Forstwirtschaft, um das westliche Konsum- und Produktionsmodell aufrecht zu erhalten. Scheinbar müssen permanent Überschüsse produziert werden, um das Konsumniveau und die Arbeitsplätze im globalen Norden zu erhalten, mit der Konsequenz, dass im globalen Süden die Arbeitsplätze und die Konsummöglichkeiten vernichtet werden. Der genannte Landmaschinenhersteller sollte seine Erzählung umschreiben – die landwirtschaftlichen Exportüberschüsse nützen der westlichen Welt und Schaden der restlichen Welt. Unsere billigen Lebensmittel zerstören die ökonomischen und ökologischen Strukturen in den Entwicklungsländern.

Genau an dieser Stelle setzt das von Frankreich, auf der Klimakonferenz 2015 in Paris, initiierte 4-Promille-Ziel an. Die Länder des Südens sollen eingebunden werden in Klimaschutzaktivitäten im Bereich der Landwirtschaft und der Landnutzung[iii], denn die meisten ärmeren Länder des Südens sind sehr wohl in der Lage sich selbst zu ernähren. Durch den Expansionszwang des Kapitalismus werden aber in solchen Ländern die kleinbäuerlichen Strukturen vernichtet und die westliche Welt beutet die Rohstoffe dieser Länder aus. Das Brot für die Welt wird über die Börsen von Kapitalanlegern gehandelt, die profitorientiert ausgerichtet sind und überhaupt keine Verbindung zur Brotherstellung oder zu hungernden Menschen haben. Der im Auftrag der Vereinten Nationen und der Weltbank angefertigte Weltagrarbericht kommt zu dem Ergebnis, dass die industrielle Landwirtschaft eben nicht in der Lage ist, die Menschheit zu ernähren. Begründet wird diese Auffassung mit dem immensen Ressourcenverbrauch und der großen Abhängigkeit vom Öl. Der Bericht fordert die Wiederherstellung von kleinbäuerlichen Strukturen,[iiii] um den Hunger zu beseitigen. Boomende Nahrungsmittelmärkte nehmen keine Rücksicht auf den weltweiten Hunger, sie wollen lediglich ihre Gewinne maximieren. Die Konsequenz ist, dass die Länder des globalen Südens die Preise der Nahrungsmittelkonzerne nicht unterbieten können. Somit werden nicht nur Arbeitsplätze im globalen Süden vernichtet, sondern es werden ebenfalls Lebensperspektiven zerstört. Häufig bleibt dann nur die Flucht in den globalen Norden.

Können die Selbstregulierungskräfte der Märkte den weltweiten Hunger beseitigen? Vermutlich nicht. Die Hungerkatastrophe in Ostafrika im Jahr 2011 veranlasste viele Schriftsteller und Hilfsorganisationen dazu, die Menschenrechte in Erinnerung zu rufen. Nach Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, ist die Beseitigung von Hunger kein Akt des guten Willens, sondern eine völkerrechtlich bindende Pflicht.

[i] Tanja Busse, Das Sterben der anderen, München, 2019, S. 352 / 353

[ii] Rob Wallace, Was Covid-19 mit der ökologischen Krise, dem Raubbau an der Natur und dem Agrobusiness zu tun hat, Köln, 2020

[iii] Vgl. Die 4-Promille-Initiative „Böden für Ernährungssicherung und Klima“ – Wissenschaftliche Bewertung und Diskussion möglicher Beiträge in Deutschland, www.literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn060523.pdf, abgerufen am 24.10.2019

[iiii] Vgl. www.weltagrarbericht.de, abgerufen am 26.07.2017

Weitere Artikel