Die »Kurspflege« muss eingehegt werden

03. März 2024

»Shareholder-Value ist die dümmste Idee der Welt« (Jack Welch, ehemaliger CEO von General Electric, 2009).

Im letzten Blog habe ich mich mit dem leistungslosen Einkommen beschäftigt. Gegenwärtig spitzt sich die Wirtschaftskrise in Deutschland zu und die FDP schwadroniert wieder über Steuersenkungen. Gleichzeitig soll auch noch die fragwürdige Schuldenbremse eingehalten werden. Nach wie vor ist diese Partei der Meinung, dass Steuerreduzierungen zu höheren Investitionen in einer Volkswirtschaft führen. Wissenschaftlich gibt es aber keinen Beleg für die Richtigkeit dieser Aussage. Steuersenkungen werden bei Kapitalgesellschaft häufig dazu genutzt, um Aktienrückkäufe zu organisieren. Und da schließt sich der Kreis wieder zum leistungslosen Einkommen.

Aktienrückkäufe

Aktionäre sind häufig erfreut, wenn eine Aktiengesellschaft einen Aktienrückkauf ankündigt. Durch den Rückkauf signalisiert die Unternehmung, dass sie die eigenen Aktien für eine gute Wertanlage hält. Die Aktionäre glauben, dass der Vorstand die Perspektiven des Unternehmens realistisch einschätzen kann und dass damit auch eine optimistische Zukunft bevorsteht. Also wird sich die Nachfrage erhöhen und die Aktienkurse werden steigen. Außerdem wird durch den Rückkauf eigener Aktien das Eigenkapital verringert und dessen Rendite erhöht sich, auch wenn der Gewinn sich nicht verändert hat. Hierbei ist es unerheblich, ob die Aktiengesellschaft den Aktienrückkauf auf Kredit oder mit Barmitteln bestreitet. Wenn die zurückgekauften Aktien aus der Kasse bezahlt und anschließend vernichtet werden, liegt eine Bilanzverkürzung vor. Die Finanzierung spielt aber eine untergeordnete Rolle. Sicher ist hingegen, dass es in der Regel eine höhere Dividende für die Aktionäre gibt, weil ja weniger Aktien im Umlauf sind.

Buchungstechnisch ist der Sachverhalt sehr einfach darzustellen: die Aktionäre bekommen Geld, die Aktiengesellschaft gibt Geld aus, natürlich den gleichen Betrag. Von einer Wertschöpfung kann also keine Rede sein. Es findet lediglich eine Umverteilung statt und die Aktionäre werden reicher. Da aber die Dividende gestiegen ist, ist der Aktienrückkauf für die Manager dieser Unternehmung mit einer Erhöhung der Vergütung verbunden. Da der Erfolg einer Aktiengesellschaft mit den Gewinnen in Beziehung gesetzt werden und die Manager, unsere sogenannten »Leistungsträger«, häufig am Ergebnis beteiligt werden, wird ein Aktienrückkauf als »Erfolg« gefeiert und die Vorstände kassieren kräftig mit. Diese Kapitalstrategie ist aber nichts anderes als die exzessive Verteilung von Profiten. Wertschöpfende Investitionen werden somit nicht generiert.

Ermächtigungen auf »Vorrat«

Politikerinnen und Politiker irren gewaltig, wenn sie glauben, dass Steuererleichterungen für Unternehmen automatisch zu einer Investitionszunahme führen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich Unternehmensvorstände, Manager und Aktionäre an Aktienrückkäufen bereichern. Dies ist aber nur möglich, wenn die Hauptversammlung der betreffenden Aktiengesellschaft zustimmt und der Vorstand ermächtigt wird, eigene Aktien kaufen zu dürfen.

Diese Ermächtigung ist allerdings begrenzt: Maximal 10 Prozent des Grundkapitals kann die Aktiengesellschaft mit solch einem Beschluss, der fünf Jahre gilt, erwerben. Fast alle in Deutschland börsennotierten Unternehmen lassen sich eine solche Ermächtigung »auf Vorrat» auf der jährlichen Hauptversammlung geben. Diese Ermächtigung wird häufig von den Vorständen mit der wohlklingenden Floskel »Kurspflege« bezeichnet. Solche Sachverhaltsgestaltungen sind kritisch zu beurteilen, denn grundsätzlich stehen der Aktiengesellschaft nach § 71 b des Aktiengesetzes keine Rechte aus eigenen Aktien zu. Durch Aktienrückkäufe verteilen sich zukünftige Gewinne und Dividenden auf wenige Anteilsscheine und das Kurs-Gewinn Verhältnis sinkt. So weit, so Binse, so Lehrbuch.

Ein praktisches Beispiel des US-amerikanischen Konzerns Apple verdeutlicht die Situation: »Im Jahre 2018 gaben die 3.000 größten US-Unternehmen über eine Billion Dollar aus, um eigene Aktien zurückzukaufen. Allein Apple nahm von 2014 bis 2018 ziemlich genau jede fünfte Aktie vom Markt – Kostenpunkt 2018: 70 Mrd. Dollar. Wozu das gut sein soll? Einmal steigt der Aktienkurs. Gleichzeitig sinkt das Eigenkapital der Firmen. Das erhöht den Profit pro Aktie.«[i] In Amerika wurde zwischen 2003 und 2012 über 2,4 Billionen Dollar für den Rückkauf von Aktien ausgegeben.[ii] Dieses Finanzgebaren mag für den einzelnen Aktionär oder auch für die Aktiengesellschaft vorteilhaft sein. Für die Volkswirtschaft ist solch ein Verhalten deshalb gefährlich, weil die Kluft zwischen arm und reich vergrößert und der gesellschaftliche Zusammenhalt geschwächt wird. Arbeitsplatzschaffende Investitionen – Fehlanzeige.


[i] Gerhard Schick, Die große Verdrängung, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 1`21, Berlin, 2021, S. 101.

[ii] Vgl. Mariana Mazzucato, Wie kommt der Wert in die Welt?, Frankfurt/New York, 2018, S. 219.

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