Die landwirtschaftliche Industrie

28. Februar 2023

„Industrial farming is one of worst crime in history.“ (Yuval Noah Hariri)

Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Landwirtschaft zunehmend industrialisiert, und die Reifungsprozesse von Pflanzen und Tieren wurden durch den Einsatz von Industrietechnik, fabrikhallengroßen Ställen und ertragssteigender Chemikalien systematisch verkürzt.[1] Durch die kapitalistische Produktionsweise konzentrierte sich der Markt und es steht zu befürchten, dass zukünftig immer mehr Monopole entstehen, die zunehmend den Boden, das Wasser und die Luft belasten.

Dabei ist die steuerrechtliche Erklärung für die landwirtschaftliche Produktionsweise im Paragraphen 13 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes ausreichend erklärt: »Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sind Einkünfte aus dem Betrieb von Landwirtschaft und Forstwirtschaft, Weinbau, Gartenbau und aus allen Betrieben, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen.« Land- und Forstwirte haben als Eigentümer also keine totale Verfügungsgewalt über den Boden. Sie müssen im Einklang mit der Natur arbeiten. Anders verhält es sich, wenn die Eigentümer Gewerbetreibende sind. Dann werden viele Restriktionen aufgehoben und der Boden kann total ausgebeutet werden. Fraglich ist, ob die Naturkräfte noch genutzt werden. Oder haben sich die Bauern von der Landwirtschaft entfernt, um industrielle Strukturen und gewerbetreibende Monopole aufzubauen?

Der globale Getreidehandel

Durch die Zunahme der Großkonzerne entstehen landwirtschaftliche Betriebe, die der industriellen Produktionsweise ähneln. Folglich stehen die ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Grund und Bodens und die artgerechte Tierhaltung nicht mehr im Vordergrund, sondern ausschließlich die Gewinnmaximierung, die durch gentechnisch manipulierte Pflanzen und einer intensiven Landwirtschaft sichergestellt wird. Durch Konzentration und Monopolisierung wird der Markt von einigen wenigen kontrolliert. Der globale Getreidehandel wird durch die Konzerne Cargill, Louis Dreyfus, Bunge und Archer Daniels Midland dominiert. Nicht selten beteiligen sich diese »Versorgungskonzerne« auch an spekulativen Geschäften und es ist vollkommen undurchsichtig, wieviel Getreide die genannten Konzerne in ihren Lagern horten. »Auch das hat Einfluss auf die Preise. Laut dem Bericht „Profiting from Pain“ von Oxfam sind die Gewinne der Agrarhändler in den letzten Jahren extrem gestiegen. Cargill fuhr 2021 mit fünf Milliarden Dollar den größten Nettogewinn der Firmengeschichte ein.«[2] Somit regulieren eine Handvoll Agrarkonzerne den Weizenmarkt. Diese Herrschaft ist  eine Herrschaft über die Grundlagen des Lebens. Umso zweifelhafter erscheint es, dass Spekulationen mit Nahrungsmitteln nicht gesellschaftlich geächtet und kaum staatlich reglementiert werden. Das Brot für die Welt wird über die Börsen von Kapitalanlegern gehandelt, die profitorientiert ausgerichtet sind und überhaupt keine Verbindung zur Brotherstellung oder zu hungernden Menschen haben. Nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges empfahlen viele Banken ihren Anlegern, nach der Recherche „The Hunger Profiteers“ der Organisation Lighthouse Reports, ihre spekulativen Wetten auf steigende Lebensmittelpreise auszurichten. Die Konsequenz – kurz nach Ausbruch des Ukraine-Krieges im Februar 2022 flossen 4,5 Milliarden US-Dollar in derartige Fonds. Somit bescherten die steigenden Lebensmittelpreise einigen Spekulanten großartige Gewinne bzw. Ȇbergewinne«.

Der Boden und die Landnahme

Das Fundament für das Leben an Land ist der Mutterboden, der eine lebendige Schicht auf der Oberfläche darstellt. Wenn es dem Boden gut geht, geht es auch dem Menschen gut und was für den Boden gut ist, ist auch gut für das Wasser. Der Nebeneffekt für einen gesunden Boden sind gesunde Wasserkreisläufe.

»Eine nachhaltige Bodenkultur, in ihrer konsequenten Form als »Permakultur« bezeichnet, ist die Basis aller kulturellen Leistungen des Menschen. Permakultur, als Paradigma verstanden, setzt das Prinzip der Regenerativität konsequent um: Der Mensch zieht Gräben für das Regenwasser, lockert den Boden nur sanft, sorgt für Humus, wählt Pflanzen und Standorte wohlbedacht aus, denkt dabei an den regelmäßigen Fruchtwechsel, düngt nur mit dem, was andere Lebewesen in der Nachbarschaft hinterlassen haben, vertraut auf die segensreiche Arbeit von Würmern und Insekten – und hofft, dass ihn die Natur mit nahrhaften und wohlschmeckenden Früchten und anderen Wohltaten auf positive Antwort auf seine Bemühungen belohnt.«[3]

Die neolithische Revolution fand vor gut 10.000 Jahren statt und der Mensch wurde sesshaft. Über 9.900 Jahre fand nach dem oben beschriebenen Muster der Permakultur die Bodenbearbeitung statt. In der heutigen Zeit spielt in der agrarpolitischen Diskussion der Begriff Permakultur keine Rolle. Im Gegenteil, er wird eher belächelt und als nicht realistisch abgetan. Realistisch ist hingegen der menschen- und naturfeindliche Raubbau am Boden, der von einer relativ kleinen Schicht globaler Eliten in Allianz mit transnationalen Unternehmen zu verantworten ist. Diese Unternehmen können »sich dabei auf eine Eigentumsordnung berufen, die im Zweifelsfall von der physischen Gewalt des Staates durchgesetzt wird. In dem Maße, wie die Ressourcen weltweit knapp werden und die Konflikte zunehmen, schottet sich diese Klasse in »gated communities« mit Stacheldrahtzäunen, Mauern und massivem Polizeiaufgebot gegen Menschen ab, die aus ihrer geplünderten Heimat fliehen.«[4] Global agierende Eliten interessieren sich nicht für den Artikel 14 des Grundgesetztes. Es ist ihnen fremd, dass Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

Der im Jahre 2013 verstorbene deutsche Soziologe Burkart Lutz verstand jeden Wachstumsschub kapitalistischer Ökonomien als Landnahme. Dieser Sachverhalt wird in den Wirtschaftswissenschaften nicht so klar und eindeutig formuliert. Stattdessen wird eine Verstädterung als unausweichliche Entwicklung dargestellt. Sowohl die Verstädterung als auch die Landnahme folgen keinem Naturgesetz, sondern sie werden aus ökonomischen Gründen und Interessen vorangetrieben. Das genaue Gegenteil von Politik ist Schicksal und die Vorhersagen über eine zunehmende Verstädterung sehen das als gegeben an, was geändert werden muss. Für die Bekämpfung des Klimawandels ist entscheidend, dass weitere Bodenversiegelungen die Ausnahme bleiben und weitere Flächen geschützt werden müssen. In Deutschland sind bereits 90 Prozent der Auenwälder und Moore trockengelegt worden. Außerdem wurden unzählige Flüsse begradigt. Gegenwärtig sind in Deutschland sechs Prozent der Landfläche streng geschützt und nur 0,6 Prozent als Wildnisgebiete ausgewiesen.

[1] Vgl. Fritz Reheis, Erhalten und Erneuern, Hamburg, 2022, S. 44

[2] Kathrin Hartmann, Weizen als Waffe, in: der Freitag, Nr. 30 vom 28.Juli 2022, S.13

[3] Fritz Reheis, Erhalten und Erneuern, Hamburg, 2022, S. 52

[4] Fabian Scheidler, Das Ende der Mega Maschine, Wien, 11. Auflage, 2021, S. 49

 

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