Der Boden und die Stromproduktion

26. Oktober 2023

»Jeder Versuch, den Naturzwang zu brechen, indem Natur gebrochen wird, gerät nur umso tiefer in den Naturzwang hinein.« (Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung)

Der Kapitalismus muss fortwährend neue Territorien erobern. Deshalb kann er auch nicht nachhaltig sein, »weil es irgendwann keine Territorien mehr zu erschließen und zu erobern gibt. »Land« ist immer endlich.«[1] Für die Bekämpfung des Klimawandels ist entscheidend, dass weitere Bodenversiegelungen die Ausnahme bleiben und weitere Flächen geschützt werden müssen. Kurzum – das Landgrabbing[2] muss tendenziell unterbleiben. Ob dieses mit der kapitalistische Wirtschaftsweise gelingt, ist eine offene Frage, denn in Deutschland sind bereits 90 Prozent der Auenwälder und Moore trockengelegt worden. Außerdem wurden unzählige Flüsse begradigt. Gegenwärtig sind in Deutschland sechs Prozent der Landfläche streng geschützt und nur 0,6 Prozent als Wildnisgebiete ausgewiesen. Selbst die Grünen handeln nicht nach der Devise: Moor statt More.

Die fehlgeleitete Bodenpolitik

Ausgerechnet die Grünen haben mit ihrem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) aus dem Jahr 2009 die katastrophale Bodenpolitik in Deutschland mit eingeleitet. Was haben nun die erneuerbaren Energien mit dem Boden zu tun?

Hier sind verschiedene Stellschrauben zu beachten. Durch das EEG wurden die Betreiber von Biogasanlagen doppelt gefördert und die Bodenbeschaffenheit wurde doppelt verschlechtert. Die geförderten Biogasanlagen kassierten einerseits für die Stromproduktion Subventionen. Andererseits erhielten sie über die Fläche EU-Agrarsubventionen. Somit wurde die Nahrungsmittelproduktion für einige Landwirte uninteressant.

Der Boden hat sich aus zweierlei Gründen verändert. Der massive Anbau von Energiemais hat dazu geführt, dass die Bodenqualität sich erheblich verschlechtert hat. Außerdem stiegen die Preise auf dem Pachtmarkt erheblich an und die Spekulation nahm zu. Investoren aus der Energiebranche und die landwirtschaftlichen Betriebe konkurrieren um den knappen Produktionsfaktor Boden. Da der Boden unsere einzige Lebensgrundlage ist, sollte er nur in Ausnahmen ein Spekulationsobjekt sein. Und global betrachtet frisst der Biosprit aus Soja für Europa und die USA den Menschen des globalen Südens die Ackerflächen weg.

Die fragwürdige Solarpolitik

Scheinbar werden die Fehler des Erneuerbaren-Energie-Gesetz nun noch einmal begangen. Anstatt private und tendenziell »reiche Haushalte« zu subventionieren, könnte die Politik auch andere Wege gehen. Gegenwärtig werden zunehmend Eigenheimbesitzer subventioniert, wenn sie sich eine Solaranlage anschaffen. Auch die Anschaffung eines E-Autos wird vom Staat gefördert. Je größer, PS-stärker und teurer diese Autos sind, desto höher die Subventionen. Solche Subventionen sind sehr häufig fehlgeleitet. Wie wäre es, wenn der Staat auf diese Subventionen verzichten und das Geld dafür nutzen würde, sämtlich öffentlichen Gebäude mit Photovoltaikanlagen auszustatten?

Zurück zur Ausgangsfrage:  Was haben nun die erneuerbaren Energien mit dem Boden zu tun? Beim Ausbau der Photovoltaikanlagen stehen sich wieder die Investoren der Energiebranche und die landwirtschaftlichen Betriebe als Konkurrenten gegenüber. »Während erstere problemlos 6000 Euro Pacht je Hektar zahlen können, haben Bäuer:innen teils schon große Schwierigkeiten, Preise von 300 Euro je Hektar zu finanzieren. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sollten angesichts dessen dringend gemeinsam an Strategien arbeiten, wie der Ausbau der Erneuerbaren umgesetzt werden kann, ohne die Preise auf dem Bodenmarkt in immer neue Höhen zu treiben.«[3]  

Ein Blick zurück – wir erinnern uns. Ausgerechnet die grüne Umweltministerin Renate Künast setzte damals durch, dass die Europäische Union weltweit zum Vorreiter für Biosprit wurde. Sie versprach den Landwirten, dass sie „die Ölscheichs von morgen“ werden. Inzwischen ist weltweit der Anbau von Energiepflanzen außer Kontrolle geraten. Die Geister die man rief, holt man nicht mehr zurück.

»Jeder Versuch, den Naturzwang zu brechen, indem Natur gebrochen wird, gerät nur umso tiefer in den Naturzwang hinein.« (Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung)


[1] Hartmut Rosa in: Soziologie, Kapitalismus, Kritik, Eine Debatte (Klaus Dörre, Stephan Lessenich, Hartmut Rossa), Frankfurt am Main, 6. Auflage, 2022, S. 209

[2] Die Vereinnahmung der Erde im Allgemeinen wird land grabbing genannt. Meiner Meinung nach impliziert dieser Begriff auch ocean grabbing und coastal grabbing.

[3] Gesine Langlotz, Nicht vermehrbar: Der Ausverkauf des Bodens, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 9`23, Berlin, 2023. S. 14.

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