Investitionslenkungen oder Steuersenkungen?

05. April 2019

Die Finanzierung von Investitionen

Die Unternehmen erzählen den Politikern immer die gleichen Geschichten, nämlich – gewährt uns Steuervorteile und wir garantieren Investitionen und Jobs bis in alle Ewigkeit. Was ist nun von solch einer Aussage zu halten? Welcher Zusammenhang besteht zwischen betrieblichen Investitionen und Steuern?

Der Einsatz von Kapital für einen bestimmten Verwendungszweck wird allgemein als Investition bezeichnet. Investitionen müssen naturgemäß finanziert werden. Jonathan Swift (1667 – 1745) beschrieb schon im Jahre 1728 wie Selbstfinanzierungseffekte entstehen können. In seinem „Steuereinmaleins“ führte er aus, dass sinkende Steuersätze zu höheren Gewinnen in den Unternehmen führen. Diese allgemeine Schlussfolgerung ist sicherlich richtig. Daraus folgerte er, dass diese zusätzlichen Gewinne für Investitionen genutzt werden. Diese Aussage ist diskussionswürdig und zweifelhaft; deshalb muss sie geprüft werden.

Investitionen werden sowohl in der Disziplin Betriebswirtschaftslehre als auch in der Volkswirtschaftslehre untersucht. In diesem Blog beschäftige ich mich zunächst mit der betriebswirtschaftlichen Sichtweise. Die volkswirtschaftliche Interpretation erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt.

Die betriebswirtschaftliche Sichtweise

Inwieweit wird nun das Investitionsverhalten der Unternehmen durch Steuerzahlungen beeinflußt? Alle Steuerpflichtigen haben eine Gemeinsamkeit – durch Steuerzahlungen kann der steuerpflichtige Bürger keine konkrete Gegenleistung vom Staat erwarten (§ 3 Abs. 1 AO). Steuerzahlungen vermindern grundsätzlich für alle Bürgerinnen und Bürger und auch für alle Unternehmen den finanziellen Transaktionsrahmen. Dieser Abfluß von liquiden Mitteln kann für Unternehmen zur Folge haben, dass sich das Investitionspotenzial schmälern kann. Dies trifft aber nicht für alle Unternehmen gleichermaßen zu, weil  vielfältige Anpassungs- und Ausweichhandlungen möglich sind. Beispielsweise können die erhöhten Steuern auf die Preise überwälzt werden oder durch zulässige Sachverhaltsgestaltungen wird die Steuer umgangen oder vermindert.

Investitionen sind für Unternehmen grundsätzlich nur dann vorteilhaft, wenn der Gewinn erhöht wird. In der Betriebswirtschaftslehre gibt es eine Vielzahl von sogenannten Investitionsrechenverfahren. Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg darüber, inwieweit Steuern das Investitionsverhalten verändern. Wenn sich nun ein Unternehmer entschließt eine bestimmte Maschine anzuschaffen, wird er zu einem mehr oder weniger komplexen Investitionsrechenverfahren greifen. Gehen wir davon aus, dass die neu anzuschaffende Maschine  ihm einen sicheren Gewinn von 100.000 Euro beschert. Wird nun  der Unternehmer auf die Investition verzichten, weil die Einkommensteuer von 42 % auf 50 % gestiegen ist? Wohl kaum.

Das bedeutet, dass Steuern in der Planung von Investitionsvorhaben keine Rolle spielen. Nebenbei bemerkt: natürlich müsste eine Investition abgelehnt werden, wenn der Gewinn aus dem Investitionsobjekt unter Einbezug von Steuern negativ wird. Dies ist unstrittig. Es wird aber häufig behauptet, dass Steuersenkungen zu höheren Investitionen führen. Diese Behauptung ist offensichtlich nicht verifizierbar. Es scheint in vielen Fällen genau umgekehrt zu sein: es wird investiert um Steuern zu sparen.

Schließlich gibt es in der Investitionsrechnung auch noch das sogenannte „Steuerparadoxon“. Dieser Begriff besagt, dass in einer bestimmten Konstellation der Kapitalwert  einer Investition steigt, wenn eine Gewinnsteuer (beispielsweise die Körperschaft- oder Gewerbesteuer) in der Berechnung mit berücksichtigt wird. Im Vergleich zu einer alternativen Geldanlage am Kapitalmarkt wird eine Investition vorteilhaft, wenn Steuern erhoben werden. Wie kann das sein? Im Normalfall sinkt doch der Kapitalwert durch Einbeziehung von Steuern.

Zunächst ist der Zahlungseffekt zu berücksichtigen, denn die Einbeziehung von Steuern wirkt sich kapitalwertmindernd aus. Dem steht der Zinseffekt gegenüber. Die Berücksichtigung der Steuern im Kalkulationszinsfuß  verringert  die Verzinsung der alternativen Anlage am Kapitalmarkt. Dies wirkt sich dann kapitalwerterhöhend aus. Es findet also eine Überkompensation des Zahlungseffektes durch den Zinseffekt der Besteuerung statt. Solch eine Überkompensation ist dann möglich, wenn drei Tatbestände zutreffen:

  1. die Überschüsse nach Steuern steigen im Zeitablauf der Investition
  2. durch Abschreibungen werden die Gewinne in die Zukunft verlagert und
  3. in den ersten Perioden der Investition entstehen Verluste.

Diese Tatbestände stellen aber keine Ausnahmen dar, sondern treffen auf den überwiegenden Teil der Investitionen zu. Solch eine Kalkulation geht von einem vollständigen steuerlichen Verlustausgleich aus. Das bedeutet, zu Beginn einer Investition geht man von einer negativen Steuer auf den „Verlust“ aus. Dies ist möglich, weil der  § 10 d EStG den Verlustabzug in Deutschland erlaubt. In einem späteren Blog werde ich mich mit dieser deutschen Besonderheit des Verlustabzuges genauer beschäftigen.

Häufig wird unterstellt, dass die Kapitalwerte vor und nach Steuern gleich groß sind. Dies ist in der betriebswirtschaftlichen Investitionstheorie ein äußert seltener Grenzfall. In der Realität gibt es aber keine Investitionsneutralität der Besteuerung. Steuerzahlungen können sowohl zu positiven und negativen Kapitalwerten führen. Im Glossar habe ich das Steuerparadoxon erklärt. Dieses Paradoxon kann dazu führen, dass aus einem negativen Kapitalwert vor Steuern ein positiver Kapitalwert nach Steuern wird. Wer den Beweis dafür benötigt klicke bitte auf Steuerparadoxon.

Investitionen werden unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten nur dann durchgeführt, wenn der Kapitalwert positiv ist. Deutschland ist einer der wenigen Länder, in denen ein Verlustabzug möglich ist. Dies kann dann zu einer paradoxen Situation führen: Nämlich das Investitionen zunehmen obwohl die Steuern erhöht werden.

Der Finanzjongleur Gordon Geko (gespielt von Michael Douglas) im Film Wall Street aus den 1980er Jahren beschreibt die übernatürlichen Kräfte der Ökonomie: „ Aber nach unseren Regeln wird gespielt. Die Nachrichten, der Krieg, Hungersnöte, das große Chaos und der Preis für eine Büroklammer. Wir ziehen das Kaninchen aus dem Zylinder, die anderen sitzen da und wundern sich, wie wir das gemacht haben.“

Um solche Märchen erzählen zu können, reicht es aus, den Bürgerinnen und Bürgern immer wieder zu predigen, dass Steuererhöhungen Gift sind. Sie mindern  die Investitionstätigkeit und demzufolge sind natürlich Arbeitsplätze gefährdet. Dies wird unwidersprochen geglaubt. Die Bürgerinnen und Bürger betrachten ihre individuelle Situation und sind selbstverständlich auch gegen Steuererhöhungen. Die Stärkung des Gemeinwohls und des kollektiven Reichtums durch Steuern finden keine Beachtung und die Staatsfeinde sind sich mal wieder einig. Das war nicht immer so. Im Jahre 1976 diskutierten junge Unternehmer und Sozialdemokraten die Probleme von Markt und Lenkung.  Damals wurden die Ergebnisse veröffentlicht und  diskutiert. (vgl. Wolfgang Roth, Investitionslenkung, Hamburg, 1976).

Abschließend sei noch angemerkt, dass ich mich in einem weiteren Blog mit der volkswirtschaftlichen Sichtweise dieser Thematik beschäftigen werde. Hierbei muss bedacht werden, dass Deutschland zu den größten Schattenfinanzzentren der Welt gehört. Dieser traurige Rekord kommt natürlich auch zustande, weil sehr viel „schmutziges“ Geld unterwegs ist. Auch die Mafia stellt einen Zusammenhang zwischen Steuern und Investitionen her , denn – nur versteuertes Geld ist legales Geld. Also muss die Mafia auch in Unternehmen und Banken investieren.

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