Die Steuerüberwälzung

14. Februar 2019

Nur Wenige können überwälzen

Der „normale“ Arbeitnehmer kann seine Steuer nicht überwälzen, er muss sie bezahlen. Beispielsweise wird die Lohnsteuer direkt von seinem Lohn oder Gehalt abgezogen. Anders sieht es bei den Betrieben aus. Grundsätzlich muss man bei den Unternehmen beachten, dass der Steuerzahler nicht identisch sein muss mit dem Träger der Steuer.

Um die Steuerüberwälzung im einfachsten Fall zu erklären, gehen wir von einem Kaffeeimporteur aus. Kaffee unterliegt in Deutschland der Besteuerung. Die Kaffeesteuer beträgt für Röstkaffee 2,19 Euro je Kilogramm und für löslichen Kaffee 4,78 Euro je Kilogramm.  Der Kaffeeimporteur wird nun diese Steuer auf den Kaffeekonsumenten umwälzen. Damit wird der Steuerträger der Verbraucher, der diese Steuer beim Kaffeekauf mitbezahlt.

Vor- und Zurückwälzung

Man spricht von einer Vorwälzung der Steuer, wenn der Unternehmer nach einer Steuererhöhung seine Verkaufspreise heraufsetzt. Dementsprechend gibt es auch eine Rückwälzung der Steuer, wenn es ihm gelingt, die Einkaufspreise zu senken oder an anderer Stelle seine Kosten zu reduzieren (beispielsweise Lohnsenkungen). Grundsätzlich bedeutet eine Steuerüberwälzung, dass die Lasten der Besteuerung auf andere übertragen werden. Die tatsächliche Steuerbelastung hängt im Wesentlichen davon ab, wie der entsprechende Markt beschaffen ist und welche Marktmacht und Anpassungsmöglichkeiten die Unternehmung hat. Die materielle Steuerlast wird Steuerinzidenz genannt. Sie ergibt sich aus der formellen Steuerlast[1] unter Berücksichtigung der Überwälzungsvorgänge. Solch ein Verhalten muss natürlich kritisch untersucht werden und ist möglicherweise auch zu verurteilen. Um dieses zu beurteilen, ist eine differenzierte Betrachtung notwendig.

Bei der Mehrwertsteuer (Umsatzsteuer) gehört dieses Verhalten zur Normalität. Die Konsumenten haben sich daran gewöhnt, diese Steuer zu bezahlen. Sie wird auf Rechnungen offen ausgewiesen[2]. Die Unternehmen sind verpflichtet, die von den Konsumenten gezahlte Steuer an das Finanzamt abzuführen. Dies ist so gewollt, schließlich ist die Umsatzsteuer als durchlaufender Posten angelegt. In diesem Fall trägt der Konsument die Steuer, die Unternehmung zahlt zwar die Steuer, sie wurde aber vorher vom Verbraucher kassiert. Auch muss bei der Umsatzsteuer angemerkt werden, dass die gesamte Volkswirtschaft und fast alle Branchen von einer Umsatzsteueränderung gleichmäßig betroffen sind.

Die Problematik stellt sich bei den anderen Verbrauchssteuern etwas anders dar. Typische Verbrauchssteuern sind beispielsweise die Mineralöl-, Tabak-, Bier-, Branntwein- und Kaffeesteuer. Hier ist die Konsumneigung in den einzelnen Branchen zu beachten. Ist sie hoch, hat der Unternehmer keine Probleme, die Steuer zu überwälzen. Beispielsweise wird bei einer Erhöhung der Mineralölsteuer wahrscheinlich keine Kaufzurückhaltung stattfinden, weil unsere Mobilität leider auf den Individualverkehr ausgerichtet ist und der Konsument kaum Ausweichmöglichkeiten hat. Die Steuerüberwälzung wird in dieser Branche problemlos sein. Die Auswirkungen einer Erhöhung der Kaffeesteuer sind anders zu beurteilen. Die Verbraucher könnten auf Tee ausweichen, sodass der Kaffeeröster möglicherweise auf die Steuerüberwälzung verzichtet um Absatzeinbußen zu vermeiden. Oder er übt auf die (indigenen) Kaffeebauern Druck aus, um niedrige Einkaufspreise zu erzielen. So bezahlt dann indirekt der landwirtschaftliche Erzeuger die Steuer.

Märchenstunde oder Realität: die Überwälzung der internationalen Konzerne

Die Steuerüberwälzung stellt sich in jeder Branche und in jedem Unternehmen anders dar. Bloß wie sieht es mit unseren großen internationalen Konzernen aus? Kapitalgesellschaften[3] zahlen auf ihr Einkommen ebenfalls Steuern. Nach den Vorstellungen des Staates sollen diese Steuern nach Möglichkeit nicht überwälzt werden, weil dann der Verbraucher diese Steuern tragen müsste. Es wäre absurd, wenn der Arbeitnehmer seine Lohnsteuer zahlen müsste, als Verbraucher auch noch die überwälzten (gewinnabhängigen) Steuern der Kapitalgesellschaft  zahlen darf und noch zusätzlich eine Lohnzurückhaltung dulden muss, damit die Unternehmung ihre Steuern abwälzen kann. Ist das wirklich absurd oder Realität?

Eine Steuerüberwälzung erfolgt, indem der formell Steuerpflichtige die Zahllast oder einen Teil davon durch Verhaltensänderungen an andere weitergibt. Wenn die Konjunktur gut läuft, sind Preiserhöhungen leichter durchzusetzen. Also kann die Unternehmung nicht nur die Steuer überwälzen sondern auch noch ihre Gewinne erhöhen. Arbeitnehmer und Konsumenten haben diesen Gestaltungsspiel(t)raum nicht, sie können ihre Steuern nicht überwälzen, dieses Privileg gilt nur für Unternehmer. Global agierende Unternehmen können ihre Betriebe aufspalten und ihre Gewinne so lange rund um die Erde verschieben, bis sich die Gewinne in den Büchern in Luft auflösen. Regierungen droht man Standortschließungen an während sich die Konzerne in Steueroasen verabschieden. Fest steht: je höher die Marktmacht und die Flexibilität der Unternehmen, desto besser die Möglichkeiten der Steuerüberwälzung[4]. Dann darf der „kleine Mann“ mal wieder die Zeche zahlen und die Unternehmer erzählen uns munter weiter das Märchen von der hohen Steuerbelastung der armen Reichen.

[1] Die formelle Steuerinzidenz resultiert aus der Anwendung der Steuergesetze.

[2] Die Preisauszeichnungen im Supermarkt sind aber grundsätzlich Bruttopreise.

[3] Kapitalgesellschaften sind juristische Personen die i.d.R. körperschaftsteuerpflichtig sind.

[4] Der Umfang, in dem die Steuerüberwälzung möglich ist, hängt von der jeweiligen Angebots- und Nachfrageelastizität ab.

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