Unser Reichtum basiert auf dem Verbrennen von Oel

29. Januar 2020

„Wie kann man bereitwillig Wirtschaftstheorien als „objektiv“ bezeichnen, die sich als unfähig erweisen, in ihre Kalkulation die wachsende Knappheit der Ressourcen einzubeziehen, wo doch gerade eines ihrer Ziele darin bestand, deren Auszehrung vorauszuberechnen?“

Bruno Latour, Das terrestrische Manifest, Berlin, 2019, S. 28.

 

Unser Reichtum basiert auf das Verbrennen von Öl

Im Oktober 2019 ordnete der US-Präsident Donald Trump den Rückzug der US-Truppen aus Nordsyrien an. Kurz danach stellte Trump fest, dass „die Kurden auch keine Engel sind“, und er leitete den Wendpunkt mit der Äußerung: „wir bleiben in Syrien und nehmen uns das Öl“, ein. Inzwischen verstärken die USA ihre Präsenz im erdölreichen Gebiet um Deir ez-Zor.

Die Konflikte um Ressourcen potenzieren sich und natürlich geht es im gesamten Nahen und Mittleren Osten nur um das Schmiermittel des Kapitalismus und der Weltwirtschaft – Rohöl. Der Theoretiker Frederic Jameson sagte einmal, dass die meisten Menschen sich zwar das Ende der Welt vorstellen können aber keinesfalls das Ende des Kapitalismus. Der französische Philosoph Bruno Latour ist der Auffassung, dass beides zusammenhängt: das Überleben des Kapitalismus und das Überleben der Welt. Beides ist aber nicht gemeinsam zu haben ist. Um dem Klimawandel wirksam zu begegnen, müssen wir uns vom Petrokapitalismus verabschieden und das wird nicht so einfach sein, weil die gegenwärtige Klimapolitik im neoliberalen Gedankengut fest eingeschnürt ist. Dadurch ist es unmöglich, tiefe Eingriffe in Märkte und Preise vorzunehmen sowie staatliche Planungen und ordnungsrechtliche Maßnahmen durchzusetzen.

Die Aktienmärkte

Dass die Weltwirtschaft sich zunehmend auf erneuerbare Energien umstellen muss, ist unstrittig. Einerseits erschöpfen sich die fossilen Brennstoffe, andererseits weisen auch die Indizes auf den Aktienmärkten seit vielen Jahren nach, dass Kohleaktien an Wert verlieren. Nicht nur die Kohleaktien haben eine „schlechte“ Performance, sondern auch die Öl- und Gaswerte bleiben deutlich hinter dem Industrie-Index zurück. Jetzt könnte man vermuten, dass die Energiewende einen weltweiten Erfolgskurs einschlagen wird und dass die Dekarbonisierung vor der Tür steht. Warum hält also die Trump-Administration den Fossil-Protektionismus aufrecht?

Es wäre sehr einfach, zu behaupten, Donald Trump hat keine Ahnung, er liest noch nicht einmal die wissenschaftlichen Berichte zum Klimawandel, er ist also ein dummer Klimaleugner. Ist er wirklich so dumm? Der Mann weiß genau, warum er den Klimawandel leugnet, denn die wissenschaftlichen Wahrheiten über Klimaveränderungen spielen in seiner Gedankenwelt keine Rolle  – es ist, wie immer, das Geld, denn „die Barclays Bank schätzt, dass die Begrenzung der Emissionen auf 2oC in den nächsten 25 Jahren einen Rückgang der künftigen Einnahmen der Öl-, Kohle und Gasindustrie von 33 Billionen USD verursachen wird.“[1] Insofern ist die Denkweise des Donald Trump identisch mit dem Credo der kapitalistischen Wirtschaft: Es geht niemals um die Sache – never, ever- es geht immer nur um Interessen.

Die Ökonomie hat sich zum Sklaven des Öls gemacht

Es werden aber nicht nur Einnahmen aus dem Ölgeschäft ausbleiben, sondern durch den Rückzug vom Öl werden gigantische Buchwerte ökonomisch vernichtet. Auch wenn diese Vernichtung nur nomineller Natur ist, wird sie nicht folgenlos bleiben, denn das Nichtverbrennen fossiler Brennstoffreserven hat eine immense ökonomische Auswirkung. „Es entstehen ungeheuer große „gestrandete“ (stranded, wertlose) Vermögenswerte von fossilen Reserven, deren Wert auf der Habenseite zahlloser Vermögensbilanzen steht. Eine aktuelle Studie [2] schätzt diese „gestrandeten Vermögenswerte“ auf rund 6 Billionen USD, vorausgesetzt, dass nur 20% der identifizierten fossilen Brennstoffreserven bis 2050 verbrannt werden können. Andere Schätzungen kommen sogar auf 20 Billionen USD, verursacht durch eine mögliche Minderung der CO2-Emissionen zur Begrenzung der Erwärmung auf 2oC.[3] Diese „gestrandeten Vermögenswerte“ müssen als Teil der Kosten für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen angesehen werden.“[4]

Wenn also weltweit weniger Öl verbrannt wird, werden scheinbar Vermögenswerte vernichtet, welch eine Ironie. Kapitalsammelstellen (Versicherungen, Pensionskassen, Rentenversicherungsträger) repräsentieren große Vermögen, die sehr häufig an fossile Werte gebunden sind. Oftmals handelt es sich um sehr große Pensionsfonds, die zunehmend als Hochrisikopapiere eingestuft werden müssen. Der Haken daran ist, dass der größte Finanzdienstleister der Welt, Blackrock, sich gegen Klimaschutzziele der Banken ausspricht und Milliarden Aktien an Ölfirmen hält.

Das Ende des Petrokapitalismus

Um diese Probleme zu bewerkstelligen, müssen Veränderungen im Wirtschaftssystem vorgenommen werden. Fraglich ist, ob unser Wirtschaftsminister Peter Altmaier dazu bereit ist, denn gigantische Vermögenswerte hängen am Öl. Donald Trump ist definitiv nicht dazu bereit, etwas zu ändern. Er hat es in der Vergangenheit schon häufig erwähnt: Wenn das Rohöl in der Erde bleibt, so Trump, werden Vermögenswerte in Höhe von mehreren Billionen Dollar vernichtet. Dies hat er als ökonomischen Wahnsinn bezeichnet. Klar, die ökonomische Logik besagt, dass „Brennstoffe, die nicht verbrannt werden können, nicht viel wert sind.“ (Alex Steffen)

Auf diese Brennstoffe haben wir aber unser Wirtschaftssystem aufgebaut. Deshalb sitzen wir nun in der Zwickmühle. Einerseits basiert das Wirtschaftssystem auf die Verbrennung von Kohlenstoff und andererseits gibt es zu den erneuerbaren Energien keine brauchbare Alternative. Deshalb erfordert die Klimakatastrophe ein neues und anderes Denken, dass den „fossilistischen Kapitalismus“ (Elmar Altvater) hinter sich lässt und eine konsequente Dekarbonisierung, eingebettet in einer Kreislaufwirtschaft, in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt. Es reicht nicht aus, in neue Technologien zu investieren. Wir müssen uns auf eine radikale Transformations-Agenda vorbereiten. Ein erster Schritt wäre der sofortige Stopp der Subventionierung fossiler Brennstoffe. Diese Subventionen werden, laut eines IWF-Papiers auf etwa 600 Milliarden US-Dollar jährlich geschätzt. Dies ist aber eine sehr vorsichtige Schätzung, denn die Finanzminister der Welt kamen auf der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank im Jahre 2019 auf einen wesentlich höheren Betrag. Die Hauptverursacher des Klimawandels kassieren also Subventionen, um den Klimawandel zu beschleunigen – ein Skandal ohnegleichen.

[1] Ernst Ulrich von Weizsäcker, Wir sind dran, Club of Rome, Der große Bericht, München, 2019, S. 253.

[2] Carbon tracker and the Grantham Research Institute on Climate Change and the Environment at the LSE. http://www.carbontracker.org/report/unburnable-carbon-wasted-capital-and-stranded-assets/

[3] Capital Institute.2011. “The Big Choice. In the Future of Finance“ Blog. 19. Juli. Auch auf Carbon Tracker verweisend.

[4] Ernst Ulrich von Weizsäcker, Wir sind dran, Club of Rome, Der große Bericht, München, 2019, S. 228.

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