Ist die Energiewende gut für das Klima?

03. Februar 2023

Zugegeben, die Frage in der Überschrift ist zynisch. Es wird aber bedenkenlos angenommen, dass die Kapazität an Windkraft- und Solaranlagen der Gradmesser für eine hinreichende CO2-Reduktion ist. Eine hohe Dichte von erneuerbaren Energien führt hoffentlich dazu, dass die fossilen Brennstoffe im Boden bleiben. Die Energiewende wird also zwingend benötigt. Fraglich ist, ob die Energiewende eine Materialschlacht[1] nach sich zieht und ob die Produktion von (»grünem«) Wasserstoff eine Energieschlacht hervorruft. Es ist zweifellos unabdingbar für eine zukunftsfähige Gesellschaft, dass der Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl stattfindet. Da ich die Postwachstumsstrategie zur Bekämpfung der Klimakatastrophe für zielführend halte, möchte ich einige Aspekte darstellen, die zeigen, dass der Klimaschutz und die erneuerbare Energien nicht zwangsläufig zusammengehören müssen. Schließlich beinhaltet ein vollständiger Umstieg auf erneuerbare Energien nicht, dass wir darauf verzichten, weiter Flächen zu versiegeln, die letzten fruchtbaren Böden zu vernichten, die letzten Wälder abzuholzen, die letzten Fischgründe abzufischen und den Individualverkehr tendenziell aufzugeben. Auf der Klimakonferenz in Paris im Jahr 2015, bei der sich die Staaten endlich auf ein belastbares Klimaabkommen einigen konnten, hat Gastgeber Frankreich eine weltweite 4-Promille-Initiative für den Boden vorgeschlagen. Und hier ist die Erhaltung der Moore besonders hervorzuheben.

Moore, ja bitte!

Jedes Moor, das in Deutschland entwässert wird, ist ein Verbrechen gegen das Klima. Durch die Trockenlegung wird sehr viel Kohlenstoff frei und gelangt dann in die Atmosphäre. Moore haben die Eigenschaft, dass sie wachsen und somit vermehrt Kohlenstoff einlagern können. Außerdem wird durch den Abbau von Mooren die Natur bedroht, weil Biotope für bedrohte Tier- und Pflanzenarten verloren gehen. Die Wissenschaftler des Thünen-Instituts geht davon aus, dass in Deutschland jährlich 1,5 Promille Humusboden verloren gehen. Die Verdichtung des Bodens nimmt in Deutschland mit sechzig Hektar Flächenfraß täglich zu. Auf der Klimakonferenz in Paris verpflichtete sich Frankreich auf das 4-Promille-Ziel. Deutschland hat die zugehörige internationale Deklaration als Erstunterzeichner mitgetragen. Seit dieser Vereinbarung im Jahr 2015 sollen pro Jahr 4 Promille Humusboden  zusätzlich entstehen. Stattdessen werden in Deutschland 1,5 Promille jedes Jahr vernichtet. Fraglich ist, ob die Energiewende tatsächlich den Klimawandel hinreichend bekämpft. Oder werden die Klimaschutzargumente nur vorgeschoben, um weiterzumachen wie bisher.

Windräder ja bitte, aber…

Dass die deutsche Industrie inzwischen auch für die erneuerbaren Energie plädiert, dürfte niemanden verwundern, schließlich muss die Kapitalakkumulation  aufrechterhalten und der Umfang der Produktion ständig erhöht werden. Solange das System wächst, wird immer mehr Energie benötigt, und nicht weniger. Klimaschutz und Kapitalakkumulation stehen im Zielkonflikt.

Windkraft benötigt, ähnlich wie Solarzellen, jede Menge seltener Erden. Für die getriebelosen Antriebe wird sehr viel Neodym benötigt. Dieser Rohstoffe ist knapp und er wird, wie fast alle seltenen Erden, unter unmenschlichen Bedingungen aus der Erde geholt. Die Natur leidet, es werden viele Giftstoffe freigesetzt und ganze Landstriche in Papua-Neuguinea, Indien, Chile oder Ghana werden vergiftet. Außerdem fressen Windräder Fläche und sie gefährden die Biodiversität. Auch Windräder sind nicht ewig zu gebrauchen. Die übliche Nutzungsdauer von Windkraftanlagen beträgt circa 20 Jahre, danach müssen sie entsorgt und neue Windräder müssen gebaut werden.

Wenn sich die Abstände zwischen den Rotoren der Windräder verringern, nimmt die Energieausbeute ab. Neuere Untersuchungen gehen davon aus, dass die von den Rotoren verbrauchte Windenergie sich fatal auf die Regenwolken auswirken. Somit könnten Windkraftanlagen sich negativ auf das Klima auswirken und Temperaturerhöhungen und Trockenheit verursachen. Der Entzug von systemimmanenter Bewegungsenergie verändert Natur und Klima. Im Übrigen sind Trockenheit und Überflutungen zwei Seiten einer Medaille. Sie sind die Folgen eines geringen Fassungsvermögens des Bodens. Beides kann verbessert werden, wenn sich die Wasserrückhaltung verlangsamt.

Die Betreiber von Windkraftanlagen befinden sich in einem Dilemma. Einerseits müssen Windräder viel schneller gebaut und die Genehmigungsverfahren müssen beschleunigt werden. Andererseits beklagen die Betreiber, dass gerade die Umweltschützer diese Verfahren verlangsamen, weil beispielsweise die Rotmilane geschützt werden müssen. Deshalb sind umfangreiche Gutachten zu erstellen. Der Spagat ist deshalb so problematisch, weil sowohl Betreiber und Artenschützer gleichermaßen Naturschützer sind und dem Klimawandel etwas entgegensetzen wollen. Als Lösung könnte man auf die Begutachtung des Artenschutzes weitgehend verzichten, damit die Genehmigungsverfahren beschleunigt werden können. Im Gegenzug könnte man den Artenschützern Ausgleichsflächen anbieten, die dann wiederrum den Tieren und Pflanzen zur Verfügung stehen. Dies macht aber nur Sinn, wenn zusätzliche Naturschutzflächen entstehen, die beispielsweise auch Humus generieren können. Der Flächenfraß der Windräder müsste dann ebenfalls kompensiert werden.

Wasserkraft, Solar und Co, ja bitte, aber…

Große Wasserkraftwerke sollen gut für das Klima sein und werden als »Waffe« gegen den Klimawandel angeführt. Dies ist zynisch, weil diese Kraftwerke Feuchtgebiete zerstören und hydrologische Störungen verursachen. Ökosysteme werden auch hier zerstört.

Solaranlagen, die im freien Feld stehen, benötigen viel Platz und »fressen« dementsprechend viel Flächen. Dies ist gerade in einem dichtbesiedelten Land wie Deutschland ein strukturelles Problem. Außerdem ist die Energiedichte des Lichts sehr gering. »Im Durchschnitt kommen drei Kilowattstunden Sonnenenergie pro Tag und Quadratmeter in Deutschland an – und davon fängt eine neu installierte Solaranlage im Mittel nur etwa 16 bis 18 Prozent ein. Da also pro Quadratmeter wenig zu holen ist, sind viele Quadratmeter an Solarpaneelen nötig.«[2] Nur zum Vergleich: »Die Energiedichte von Benzin liegt bei 12.800 Wattstunden (Wh) pro Kilogramm (kg) Benzin und beim Diesel beträgt sie 11.800 Wh pro kg Diesel.«[3]  Gegenwärtig leisten moderne Li-Ionen-Akkus 130 Wh pro kg. Diese Akkus werden in Elektroautos verbaut. Experten rechnen damit, dass zukünftig die Energiedichten dieser Akkus über 200 Wh pro kg betragen. Wenn man diese Zahlen miteinander vergleicht, wird klar, dass Kraftstoffe auf Rohölbasis eine wesentlich höhere Energiedichte haben: Ölbasis circa 12000 Wh pro kg, Akkubasis circa 130 Wh pro kg. Die Akkuleistungen verbessern sich zwar ständig, sie werden aber kaum die Energiedichte des Öls erreichen.

Fazit

Anja Reschke hat es in ihrer neuen Sendung »Reschke Fernsehen« am 02.02.2023 in der ARD auf den Punkt gebracht: „Die Windkraft bringt den Wumms“, und nicht die Solarenergie. Nicht das ich gegen erneuerbare Energien bin, im Gegenteil, der Ausbau muss zügig vorangehen. Ich warne bloß davor, sich an diesen Techniken zu berauschen und zu glauben, dass das die langfristigen Lösungen seien. Um den Klimawandel nachhaltig zu bekämpfen, müssen die fossilen Energieträger tendenziell im Boden bleiben. Diesen »Verlust« werden die erneuerbaren Energien nicht ausgleichen können. Die, zugegeben gut gemeinten, erneuerbaren Energien sind aus ökologischer und ökonomischer Sicht nicht immer vorteilhaft. Sie stillen lediglich den zunehmenden Energiehunger. Ob die »bescheidenen« Technologien (Sonnen- und Windenergie) bei einer wachsenden Wirtschaft den entsprechenden Energiebedarf decken, ist zweifelhaft. »Grüne« Innovationen und Strategien sind inzwischen parteiübergreifender Konsens, weil damit wirtschaftliches Wachstum generiert und Kapital akkumuliert werden kann. Ob sich das ultrakomplexe Klimasystem davon beeindrucken lässt, darf  ebenfalls bezweifelt werden. Die Ökosysteme müssen sich auf allen Ebenen wieder regenerieren, damit sie wieder Kohlenstoff absorbieren und binden können. Dies ist nur möglich, wenn Biodiversität (Humusboden) und Energie zusammen gedacht werden. Jegliche ökologische Verbesserung stabilisiert auch das Klima. Die größte Verbesserung wäre aber die Suffizienz beim Material- und Energieverbrauch, gepaart mit einem Umbau der Wirtschaft. Der Konstruktionsfehler der Ökonomie ist, dass man sich ausschließlich um das Gaspedal kümmert. Es wird Zeit, dass die Bremse und der Rückwärtsgang als hilfreiche Einrichtungen wahrgenommen werden.

[1] Der grüne Slogan –Die Sonne schickt keine Rechnung- ist auch nur ein Werbetrick. Ein Beispiel: Die „Brandenburgische Glasmanufakturen, die Solarglas für Photovoltaikanlagen herstellen, verbrauchen täglich 420.000 kWh auf der Basis von Gas.“ (Kathrin Gerlof)

[2] Ulrike Herrmann, Das Ende des Kapitalismus, Köln, 2022, S. 137

[3] http: / / www.umweltbewusst-heizen.de / verkehr / Elektrofahrzeuge /Batterie / Energiedichte / Energiedichte-Akku.htm, abgerufen am23.06.2017

Weitere Artikel