Die Geschichte des Kohlenstoffs

24. Juli 2019

Wenn wir weiterhin auf dieser Erde leben wollen, müssen wir einiges verändern um die Klimakatastrophe abzuwenden. Der Begriff Klimakatastrophe ist semantisch nicht korrekt, da das Klima natürlich kein Subjekt ist und deshalb keine Katastrophen erleben kann. Weitläufig wird der Begriff »Klimawandel« benutzt. Der Begriff ist semantisch zutreffender, aber auch eine Verniedlichung dessen, was da auf uns zurollt. Wenn ein Mensch krank wird, sprechen wir von einer Krankheit und keineswegs vom Gesundheitswandel. Die Krankheit der Erde wird aber Klimawandel genannt. Der Ausdruck suggeriert, dass das Klimaproblem technisch beherrschbar ist. Die Technik wird das Problem aber nicht lösen. Um das Klimaproblem zu erfassen, benötigen wir die zeitliche Dimension. Das bedeutet, die Begriffe Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit müssen in einen Kontext gesetzt werden.

Die schrumpfende Zukunft

„Faktisch schrumpft die einigermaßen gleichbleibende Gegenwart, aber damit zugleich auch eine ökologisch nachhaltige, lebenswerte Zukunft. Der Gedanke der „Gegenwartsschrumpfung“ stammt von dem Philosophen Hermann Lübbe und wurde vom Soziologen Hartmut Rosa aufgegriffen. Er besagt, dass die Phase der Gegenwart sich ob der rasenden Beschleunigung immer mehr verkürzt. Aufgrund der wachsenden Zahl wissenschaftlicher und technischer Neuerungen veralten Informationen immer schneller; der Aufenthalt in der Gegenwart wird immer kürzer. Sprich: Die Gegenwart schrumpft und die Vergangenheit rückt ihr immer näher.“ [1] Möglicherweise erleben wir schon bald die Vergangenheit, obwohl die Zeit voranschreitet und uns doch eine Zukunft bescheren sollte. Wie ist so etwas überhaupt möglich? Warum führt eine „Gegenwartsschrumpfung“ dazu, dass sich Zukunft und Vergangenheit vereinen können?

Die Urzeit

 Die Wirtschaft ist zu 95 Prozent vom Öl abhängig. Dieses Geschenk der Urzeit ist Fluch und Segen zugleich. Rohöl besteht aus Kohlenstoff und er entstand aus längst erloschenen Sternen. Kohlenstoff ist also älter als unser Sonnensystem. Jedes einzelne Kohlenstoffatom befindet sich seitdem auf eine endlose Reise durch die Zeit. Die Natur hat vor vielen Millionen Jahren angefangen, bestimmte Rohstoffe zu produzieren. Der größte Teil des Rohöls wurde in zwei Phasen der globalen Erwärmung gebildet, vor 90 Millionen und 160 Millionen Jahren. Vor circa 160 Millionen Jahren wurde Sonnenenergie in Form von fossilen Brennstoffen in der Erde gelagert. Dies ist die konzentrierte Sonnenenergie der Urzeit, die im Laufe von Jahrmillionen in das Erdinnere »gewandert« ist und dort gespeichert wurde. Organische Kohlenstoff–Ketten können sich nur bilden, wenn es irgendwann auf der Erde eine intensive und konzentrierte Algenblüte gab. Die Voraussetzungen dafür gab es vor circa 160 Millionen Jahren. Es herrschte auf der Erde eine sehr hohe Temperatur an der Wasseroberfläche, somit konnte der kontinuierlich entstehende Algennachwuchs ernährt werden. Es musste aber noch eine zweite Voraussetzung eintreten. Das sogenannte Erdöl-Muttergestein muss vorhanden sein; also sehr feinkörnige Schlammablagerungen, die einen hohen Gehalt an organischer Materie aufweisen. In der Erdgeschichte lagerten sich, vor allem im heutigen Mittleren Osten, zeitlich dreimal dicke Planktonschichten ab. Einmal in der Zeit des Jura und zweimal in der späteren Kreidezeit. Begünstigt wurde die »Ölproduktion« der Natur dadurch, dass sowohl in der Zeit des Juras als auch in der Kreidezeit ein extremes Treibhausklima herrschte, zeitgleich erstickten die Meere.

Das Leben verschwand

 Aufgrund des Sauerstoffverlustes starb das gesamte Leben in den Meeren und es wurden die Bedingungen für unsere großen Ölfelder geschaffen. Dieser Verlust des Sauerstoffes stand im Zusammenhang mit einem extremen Treibhausklima. Das Eis der Erde schmolz und der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre stieg extrem an. Dieser Treibhauseffekt trat zeitgleich mit dem Ersticken der Meere auf. Man darf sich solch ein Treibhaus aber nicht als tropisches Paradies vorstellen. Die Erde war krank, weite Teile des Globus waren vergiftet und ein Leben war kaum möglich. Der Regen war extrem säurehaltig, er verbrannte die Vegetation und verätzte die Böden und auch das Gestein. Extrem giftiger Schwefelwasserstoff entwich aus den sauerstoffarmen Ozeanen und stieg in die Atmosphäre. Das System „Leben“ hat sich also damals, aufgrund der hohen CO2 – Konzentration, selbst zerstört. Dies geschah häufiger auf unserem Planeten. Die Erde fand aber immer wieder ins Gleichgewicht zurück, dass kann aber schon mal 250.000 Jahre dauern.

Das extreme Treibhaus

 Wieviel CO2 ist jetzt nötig, um solch ein Ereignis auszulösen? Ich habe mittlerweile viele Artikel über die CO2 – Konzentration verfasst. Wer mehr erfahren möchte, wird in der Abteilung: Blog – Allgemein auf dieser Homepage fündig. Wir hatten zwar in den letzten 800.000 Jahren sehr unterschiedliches Wetter, die CO2 -Konzentration in der Atmosphäre lag aber nie über 300 ppm, das entspricht 0,03 Volumenprozent. Bei dieser Konzentration bleibt das Klima stabil. Heute haben wir aber einen astronomisch hohen Wert – 410 ppm, das entspricht 0,041 Volumenprozent, Tendenz stark steigend. Als die Erde in der Urzeit krank war und kaum Leben zugelassen hat, war die CO2 – Konzentration circa vier bis fünfmal höher als vor der industriellen Revolution[2]. Das bedeutet, der Wert lag in etwa bei 0,15 Volumenprozent, menschliches Leben ist bei diesem Wert kaum möglich.  Eine Gruppe von 35 internationalen Wissenschaftlern, unter dem Vorsitz von Jan Zalasiewicz (International Union of Geological Sciences),  ist sogar der Meinung, dass der gegenwärtige Wert von ca. 410 ppm das letzte Mal vor drei Millionen Jahren im Zeitalter des Pliozäns erreicht wurde. Soweit möchte ich an dieser Stelle nicht zurückgehen. Wie lassen sich nun die Zahlen der letzten 800.000 Jahre belegen?

Die Forschung

Klimaforscher behaupten, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre momentan wesentlich höher ist als jemals in den letzten 800.000 Jahren zuvor. Dies lässt sich mit Hilfe von Eisbohrkernen beweisen. Wissenschaftler haben am Dome C in der Ostantarktis einen Eiskern erbohrt, der drei Kilometer lang ist. Es wurden hier stückweise 3 Meter lange Bohrkerne eingesetzt. Damit konnte man in Laboranalysen herausfinden, wie sich das Erdklima und die Zusammensetzung der Atmosphäre verändert haben. Die Analyse des Bohrkerns aus gepresstem Schnee brachte folgendes Ergebnis: Die Erde hat während der letzten 740.000 Jahre acht Eiszeiten und acht wärmere Perioden erlebt. Die nächste Eiszeit ist frühestens in 15.000 Jahren zu erwarten, wenn sich der Mensch wie in der vorindustriellen Zeit verhalten und auf den CO2-Ausstoß weitgehend verzichten würde. Dies ist zwingend erforderlich, weil der empfindlichste Teil im gesamten Ökosystem der Erde die Atmosphäre ist, die besonders geschützt werden muss. Im Gegensatz zu anderen sogenannten Naturkatastrophen ist es nicht irgendwann vorbei und das Leben beginnt neu. Die Folgen einer Klimaveränderung werden, mit allen Konsequenzen, bleiben.

Zukunft und Vergangenheit

Erst vor kurzer Zeit haben Geowissenschaftler das Holozän (das sogenannte Nacheiszeitalter) als beendet erklärt. Um die zeitliche Dimension zu erfassen – das Holozän dauerte nur 12.000 Jahre, jetzt leben wir im „Antropozän“. Die Begründung der Wissenschaftler lautet, der Mensch hat in der Natur schon deutliche Spuren hinterlassen. Wir verbrennen Kohlenstoff und verwandeln die Erde wieder in ein Treibhaus. In einem schwindelerregenden Tempo werden Prozesse beschleunigt und das, von neoliberalen Ökonomen vergötterte, Wirtschaftswachstum ruiniert die Natur und das Klima. Die kürzlich veröffentlichten Warnsignale aus der Arktis zeigen, wie unerwartet schnell unser Klima kippen kann und der rasante Rückgang des Polareises beschleunigt den Klimawandel. Wenn sich unsere Art zu wirtschaften nicht grundlegend ändert, werden wir erleben – nein, wir werden es nicht erleben, wie sich Zukunft und Vergangenheit vereint und das urzeitliche und lebensfeindliche Treibhaus zurückkehrt.

[1] Albrecht von Lucke, Kühnert-Debatte: Die große Zukunftsverdrängung, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Berlin, Juni 2019, S.11

[2] Die Sauerstoffabnahme in den Meeren begann, als wir anfingen, fossile Stoffe zu verbrennen, also vor circa 200 Jahren mit der industriellen Revolution.

Weitere Artikel