Die Macht der multinationalen Konzerne

05. Dezember 2019

Am 25.10.2011 veröffentlichte die Frankfurter Rundschau eine Studie, die die wirtschaftliche Macht auf dem Globus dokumentierte. Das Ergebnis – 147 Firmen kontrollieren die Welt. Aufgrund der Kapitalkonzentration der letzten Jahre ist zu vermuten, dass diese Zahl sich erheblich reduziert hat. Interessant dabei ist, dass die 20 mächtigsten Unternehmen aus der sogenannten Finanzbranche kommen. Mittlerweile hat sich der Machtzuwachs des Finanzsektors stark erhöht, weil die „staatliche Einmischung in die Wirtschaft“ (Joseph E. Stiglitz) seit der Finanzkrise 2007/2008 kaum zu spüren war. Nach der Finanzkrise  sind keine zielführenden Regulierungen vorgenommen worden und außerdem wird die Finanzwirtschaft zunehmend von Nichtbanken dominiert. „Mit 149 Billionen Dollar wurde fast die Hälfte des gesamten Finanzvermögens auf der Welt zuletzt nicht mehr von Banken bewegt, sondern von Versicherungen, Pensionsfonds und einer wachsenden Zahl anderer Finanzvermittler. Zu diesen gehören auch gewaltige Schattenbanken.“[1]

Diese Schattenbanken verhalten sich wie Banken, unterliegen aber nicht der Finanzaufsicht. Die regulierten und kontrollierten Banken lagern bestimmte, hochriskante Geschäfte an die Schattenbanken aus und entziehen sich so der Finanzmarktkontrolle. Dieser „Graumarkt der Finanzwelt“ (FAZ) wird auf 76 Billionen US-Dollar geschätzt.[2] Demzufolge ist die unkontrollierte Machtanhäufung dieser Hedgefonds, Versicherungen und Pensionsfonds immens. Ganze Staaten und Gesellschaften werden durch die Lobbymacht dieser Unternehmen unter Druck gesetzt und natürlich möchte diese sogenannte „Finanzindustrie“ auch noch Steuerprivilegien genießen. Die großen und mächtigen Unternehmen der Realwirtschaft scharren schon mit den Hufen und möchten ebenfalls Steuererleichterungen haben.  Unions-Politiker haben auch schon signalisiert, dass sie den Körperschaftsteuersatz von 15 Prozent auf 10 Prouent reduzieren wollen. Leider legen die großen, internationalen Konzerne ihre Steuerzahlungen aber nicht offen. Welch ein Widerspruch – auf der einen Seite Steuerprivilegien zu fordern und auf der anderen Seite die Steuerzahlungen nicht zu veröffentlichen. Und wie reagiert die EU bzw. Deutschland auf diese Misere?

Konzerne sollen Steuerzahlungen offenlegen

Der Luxemburg-Leaks-Skandal aus dem Jahre 2016 hat die EU dazu bewogen, strengere Regeln einzuführen. Im Jahre 2017 wurde der Country-by-Country Report (CbC) für die multinationalen Unternehmen zwingend. Die innerstaatliche Umsetzung des Country-by-Country Reporting erfolgte dann durch die EU-Amtshilferichtlinie und wurde im Rahmen eines neuen § 138 a AO (Abgabenordnung) in deutsches Recht überführt. Konzerne wurden somit verpflichtet für sämtliche Tochterfirmen die Eckdaten auszuweisen. Diese Eckdaten beinhalten mindestens die Vermögenswerte, die Lohnsumme, die Zahl der Vollzeitarbeitsplätze und die Umsätze in dem jeweiligen Staat. Seit drei Jahren wird darüber gerungen, diese Daten auch der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

Nun könnten die Wirtschaftsminister der Mitgliedstaaten einen Vorschlag verabreden, dass die multinationalen Konzerne zukünftig ihre Steuerzahlungen veröffentlichen müssen. Insbesondere muss offengelegt werden, in welchen Ländern wie viel Steuern gezahlt werden. Das Verschieben von Gewinnen innerhalb der EU-Länder und die damit zusammenhängende Steuervermeidung soll durch das Country-by-Country-Reporting der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.  Betroffen sind sämtliche Konzerne der Real- und Finanzwirtschaft, die einen Jahresumsatz von mehr als 750 Millionen Euro verbuchen. Erst kürzlich diskutierten Die EU-Wirtschaftsminister darüber den CbC-Report zu veröffentlichen. Die betroffenen Unternehmen lehnen eine Offenlegung der gezahlten Steuern ab. Auch der Lobbyverband BDI ist gegen eine Veröffentlichung der Steuerdaten. Sowohl die Unternehmen als auch die Lobbyverbände konnten sich bis jetzt auch auf ihre Vertreter im EU-Parlament verlassen, jetzt kommt aber Bewegung in die Verhandlungen, denn der finnische Ratspräsident hat einen Kompromissvorschlag eingebracht, der auch eine qualifizierte Mehrheit fand. Selbst das Land der Finanzoligarchen und des Brexits, Groß-Britannien, stimmten mit 16 anderen Staaten für dieses Vorschlag.  Frankreich, Spanien und Italien stimmen dem öffentlichen Country-by-Country-Reporting ebenfalls zu, während Irland, Österreich und Luxemburg eher eine kritische Haltung einnehmen. Jetzt könnte man vermuten, dass Deutschland bei der Steuertransparenz die führende Rolle übernimmt. Weit gefehlt.

Das SPD-geführte Bundesministerium unter Olaf Scholz kann sich neuerdings mit der Veröffentlichung der Steuerdaten anfreunden. Dies liegt möglicherweise am Machtkampf um den SPD-Vorsitz, denn der „Robin Hood“ der Steuerhinterziehung, Norbert Walter-Borjans, strebt ebenfalls mit Saskia Esken das Amt an.[3] Das CDU-geführte Bundeswirtschaftsministerium signalisiert aber seinen Widerstand, also blockierte Peter Altmaier im Rahmen des EU-Ministerrates die Entscheidung. Auch das Bundeskanzleramt lehnt eine Veröffentlichung ab. Peter Altmeier votiert für eine Enthaltung. Außerdem möchte er Länder wie Frankreich und Kroatien noch umstimmen.

Anstatt die Macht der Konzerne in der Steuergestaltung einzuhegen, lädt Deutschland die Konzerne ein, die gezahlten Steuern zu verstecken und nicht öffentlich zu machen. Selbst die EU-Kommission und auch das EU-Parlament sind  für die Veröffentlichung. Es ist nicht nachvollziehbar – die EU bringt einen vernünftigen Vorschlag zur Regulierung und zur Steuertransparenz der Konzerne ein und ausgerechnet Deutschland könnte dieses Projekt verhindern. Haben die deutschen multinationalen Konzerne etwas zu verheimlichen oder ist Deutschland ein heimliches Steuerparadies?

[1] Hans-Jürgen Urban, Wirtschaftsdemokratie als Transformationshebel, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Berlin, 2019, 11/19, S.107

[2] Vgl. Hans-Jürgen Urban, Wirtschaftsdemokratie als Transformationshebel, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Berlin, 2019, 11/19, S.107

[3] Es gilt als sehr sicher, dass die beiden SPD-Vorsitzenden auf dem Parteitag bestätigt werden.

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