Ein Leben ohne Handy scheint für die meisten Menschen nicht möglich zu sein. Hirnforscher sprechen schon von pathologischen Abhängigkeiten. Die selbst gewählte Fußfessel, genannt Smartphone, gehört mittlerweile zur „Normalität“ vieler Menschen. Auch wenn ich die Schülerproteste hinsichtlich des Klimawandels unterstütze, muss trotzdem festgestellt werden, dass gerade die jüngere Generation stärker vom Handy abhängig ist. Inwieweit schädigen nun diese Geräte das Klima? Ist der Stromverbrauch dieser kleinen Geräte mit winzigen Akkus nicht unerheblich?
Strom kommt aus der Steckdose
Ein durchschnittliches Smartphone hat, je nach Bauart und Marke, eine Leistung zwischen 5 und 12 Watt. In Deutschland sind 135 Mio. Mobilfunkanschlüsse registriert, 54 Mill. Smartphones werden genutzt und 124 Millionen Alt-Geräte liegen ungenutzt in Schubladen. Das einzelne Smartphone selbst ist ein sehr energieeffizientes Kommunikationsmittel. Die betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise bzw. die individualökonomische Beurteilung des Handys ist aber hinsichtlich des Naturverbrauchs nicht zielführend.
Die volkswirtschaftliche Sichtweise
Weltweit besitzen über drei Milliarden Menschen ein Smartphone, Tendenz steigend. Folglich wird auch der Energiedurst steigen. Auch wenn das Verschicken von Urlaubsbildern, kleinen Filmen oder auch nur ein Foto vom Frühstückstisch Freude bereitet, so stößt doch jede SMS und jede andere Nachricht ein Rechenzentrum an und Energie wird benötigt. Die infantilisierte Konsum- und Verschwendungsgesellschaft füttert permanent die Datenkrake facebook. Dieser weltweite Datenrausch führt zu einem unglaublichen Energieverbrauch und zu einer sehr hohen CO2 – Belastung durch die Handynutzer. Das zweite Problem ist die Herstellung des Smartphones. In der Produktion braucht es fünf bis zehn Mal so viel Energie und CO2 wie in der Nutzung. Durch die Fertigung eines Smartphones werden rund 48 Kilogramm CO2 emittiert. Bei den weltweit genutzten Smartphones wäre das CO2 – Einsparungspotenzial enorm hoch, wenn sich die durchschnittliche Nutzungsdauer von gegenwärtig 2 – 2,5 Jahren um 2 Jahre erhöhen würde.
Volkswirtschaftlich entstehen noch sehr viele weitere Probleme. Neben dem Energieverbrauch der Rechenzentren ist auch noch der hohe Flächenverbrauch dieser Zentren anzuführen. Auch die massiv umweltschädigende Förderung der Seltenen Erden führt neben dem Flächenverbrauch auch noch zu Umweltbelastungen und Ausbeutung der Arbeiterinnen und Arbeiter in den Bergwerken ferner Länder. Der Abbau der meisten Seltenen Erden erfolgt über Säuren. Die Metalle werden also aus den Bohrlöchern gewaschen und der giftige Schlamm bleibt zurück. Zusätzlich fallen sehr große Restmengen von Thorium, Uran, Schwermetalle, Säuren und Fluoriden an. Dieser giftige Schlamm wird häufig in künstlichen Teichen gelagert und das Grundwasser wird gefährdet. Da viele Seltene Erden radioaktive Substanzen enthalten, wird das Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung erhöht. Sowohl der Abbau als auch die Lagerung der Seltenen Erden geschieht unter menschenunwürdigen Bedingungen. Außerdem muss erwähnt werden, dass die Knappheit dieser Ressourcen ein wesentlich größeres Problem darstellt. Das gleiche gilt im Übrigen auch für die Bestandteile der Batterien der zukünftigen Elektroautos.
Der größte Klimakiller in 20 Jahren: das Smartphone
Nach Aussagen des Forschers Lotfi Belkir (W. Booth School of Eingineering Practice and Technology in Kanada) beträgt das jährliche Wachstum in der Informations- und Kommunikationstechnik-Branche (IKT) weltweit jährlich circa 1,5 Prozent. Diese Zahl wird vermutlich etwas höher ausfallen, weil die Produktion und der Gebrauch der Smartphones sich stärker beschleunigen wird. Die Konsequenz – in ungefähr zwanzig Jahren ist diese Branche der zweitgrößte Klimakiller. Nur die Mobilitätsindustrie kann diese hohen C02 – Emissionen noch toppen. Klimakiller Nr. 1 und Nr. 2 bilden dann zukünftig mit den selbstfahrenden und vernetzten Autos eine Symbiose. Hier wird der Bock zum Gärtner gemacht, denn der Lösungsansatz unserer Politiker lautet: Die Klimakiller Nr. 1 und Nr. 2 werden das Klimaproblem aus der Welt schaffen. Das soll aktive Klimapolitik sein? Im Hitzesommer 2018 hat der Klimaforscher Mojib Latif gesagt, dass es faktisch keine Klimaschutzpolitik gebe. Denn wenn sie vorhanden wäre, müssten die Emissionen zurückgehen bzw. nicht mehr so stark ansteigen.
Die von der Regierung angedachte digitale Zukunft wird keine Verkehrswende herbeiführen, da der öffentliche Nah- und Fernverkehr in diesen Planungen keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Der Individualverkehr scheint über alle Zweifel erhaben zu sein. Beispielsweise benötigt ein selbstfahrendes Auto über 50 Gigabyte an Daten, die stündlich über das Funknetz ausgetauscht werden müssen. Dazu werden eine energieintensive Infrastruktur und eine sehr große Anzahl von neuen Rechenzentren benötigt. Das ganze Land müsste von unzähligen Sendemasten überzogen werden. Die durch die Luft schwirrenden Datenmengen werden dem Tausendfachen des heutigen Volumens entsprechen. Paradoxerweise werden in diesem Zusammenhang weder die gesundheitlichen Folgen noch der Umweltverbrauch diskutiert. Man gewinnt fälschlicherweise den Eindruck, dass die smarte digitale Welt umweltneutral ist. Die Digitalisierung ist alles andere als mechanisch, sondern sie verschlingt enorme Mengen von Energie und Ressourcen. Die digitale Welt ist weder neu noch smart, sondern sie stellt eine noch heimtückischere Form der Naturzerstörung, Überwachung und Ausbeutung dar.
Anstatt an selbstfahrende Autos zu denken, wäre es viel sinnvoller, die Ingenieurskunst für viel kleinere Motoren, geringere Spritverbräuche und somit für einen geringeren CO2– Ausstoß einzusetzen. Noch sinnvoller wäre die kontinuierliche Abschaffung des Individualverkehrs und die gleichzeitige Stärkung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs.
 Die schöne digitale Welt
Auch wenn individuelle Verhaltensänderungen beim Klimawandel nicht viel bringen, müssen sich auch die Schülerinnen und Schüler mit dem Energieverbrauch und den C02 – Emissionen der schönen, neuen und digitalen Welt auseinandersetzen. Ich nutze kein Handy und fahre häufig mit dem Fahrrad in den Urlaub. Schülerinnen und Schüler berichten mir am Ende der Sommerferien dann von ihren Flugreisen und sind häufig vor den Sommerferien in Richtung Ballermann 6 unterwegs, um das Zeugnis der Reife zu feiern. Der Verlauf der Party wird natürlich über das Smartphone dokumentiert und der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.