Alles hängt mit allem zusammen

01. September 2020

„Alles hängt mit allem zusammen“.

(Alexander von Humboldt)

 „Das Meer braucht unsere Hilfe“, „Wir müssen das Klima retten“, „Der deutsche Wald stirbt“, „Das Artensterben schreitet voran“ – solche und ähnliche Überschriften lesen wir Tag für Tag. Schreckt uns das überhaupt noch auf oder gehören diese Überschriften mittlerweile zur Normalität? Oder sind diese Überschriften vielleicht sogar mit Vorsicht zu genießen? Gibt es Kausalitäten  und / oder Korrelationen?

Land- und Forstwirtschaft

 Am 26.08.2020 las ich in einer Zeitung sinngemäß: „Sinkende Erlöse, immer neue EU-Vorschriften und Dürreperioden erschweren den Landwirten die Arbeit. Darüber hinaus bringt die Corona-Krise zusätzliche Herausforderungen.“ Ähnliche Artikel werden auch für die Forstwirtschaft verfasst, beispielsweise: „Der Borkenkäfer hat ein leichtes Spiel. Die befallenen Fichten sind als „Flachwurzler“ ohnehin schon schwach. Der Klimawandel besorgt den Rest.“ Sind solche und ähnliche Aussagen überhaupt wahr, oder ist es eher umgekehrt?

Ich drehe die Aussagen nun ins Gegenteil. Die Landwirtschaft hat mit ihren Monokulturen und der intensiven Bearbeitung des Bodens dafür gesorgt, dass der humushaltige Boden verschwindet. Wir benötigen aber Humusböden als CO2-Speicher. Da die Landwirtschaft diesen Boden nicht mehr ausreichend „produziert“, brauchen sich die Bauern nicht zu wundern, wenn zunehmend Dürren entstehen. Sie sind demzufolge nicht Opfer des Klimawandels, sondern die Verursacher.

Die gleiche Argumentation könnte ich auch für die Forstwirtschaft anführen. Die Forstwirtschaft hat mit ihren Fichtenkulturen dafür gesorgt, dass der Wald zu einem Hochleistungsindustriebetrieb mutiert ist. Die Wälder sind eher Plantagen und die Bäume werden nicht nach ökologisch sinnvollen Aspekten gepflanzt, sondern die ökonomischen Ausbeutungsinteressen stehen im Vordergrund. Die deutschen Wälder litten in den letzten drei Jahren unter Trockenheit und Hitzeperioden. Der Borkenkäfer konnte sich in den geschwächten Bäumen besonders schnell vermehren und dann zu großen Populationen anwachsen, die den Waldbestand gefährden. Nach Aussagen des Statistischen Bundesamtes, wurde im Jahr 2019 mit 32 Millionen Kubikmetern fast dreimal so viel Schadholz aufgrund von Insektenschäden eingeschlagen wie im Vorjahr mit 11 Millionen Kubikmetern. Im Jahr 2017 waren es nur 6 Millionen Kubikmeter. Aus diesen Aussagen kann geschlossen werden, dass die Forstwirtschaft den Klimawandel selbst verursacht hat. Die Kapazität der CO2-Speicherung ist gefährdet, wenn Bäume sterben. Auch die Forstwirte sind keine Opfer des Klimawandels, sondern die Täter.

Täter oder Opfer?

Oh je, welche Aussagen sind nun richtig? Wer ist Opfer, wer ist Täter? Oder sind die Täter vielleicht die Opfer? Oder sind die Opfer vielleicht die Täter? ist die gesamte Menschheit gleichermaßen für den Klimawandel verantwortlich? Oder nur der globale Norden?

Der Forscher Alexander von Humboldt (1769 – 1859) prägte ein Naturverständnis, dass noch heute aktuell ist. Klimawandel, Artenvielfalt und Ressourcennutzung können auf die Erkenntnisse dieses Forschers zurückgeführt werden, denn – „alles hängt mit allem zusammen.“ Dies trifft insbesondere für die Land- und Forstwirtschaft zu. Sie sind gleichermaßen Täter und Opfer. Sowohl die Landwirtschaft als auch die Forstwirtschaft nutzen sehr häufig den Begriff der Nachhaltigkeit und inszenieren sich gerne als Naturschützer. Dies beruhigt zwar das Gewissen, aber es bleibt dabei – ein Baum ist ein Baum und es setzte sich die Erkenntnis durch, dass es keineswegs nachhaltig ist, einen gefällten Baum durch eine Neupflanzung zu ersetzen. Das gesamte Ökosystem ist zu betrachten. Da der gesamte Wald als Kohlenstoffsenke benötigt wird, sollte man den Wald in Ruhe lassen, damit er beispielsweise Humus bilden kann.

Wir benötigen zwingend die Humuswende

In Deutschland verlieren wir täglich sechzig Hektar Land, das entspricht circa 84 Fußballfelder[i] durch Versiegelungen aller Art. Die Bundesregierung wollte diesen Flächenfraß auf dreißig Hektar (= 42 Fußballfelder) bis 2020 begrenzen. Neben dem Klimaziel 2020 wurde auch dieses Ziel nicht eingehalten. Um die Klimakatastrophe wirksam zu bekämpfen ist es zwingend notwendig den Flächenfraß zu beenden und auf weitere Betonierung und Asphaltierung des Bodens zu verzichten, um vermehrt Humus zu generieren. Dies wäre eine sinnvolle Maßnahme für das Klima.

Ungestört wachsende Böden, wie beispielsweise Waldflächen, können Humus bilden, weil Pilze, Bodentiere, Pflanzen, Pilze und weitere Mikroorganismen eingelagert werden. In solch einen intakten Humusboden kann sehr viel CO2 gespeichert werden. Dies gilt auch für den Ackerboden, wenn man ihn nicht mehrmals im Jahr pflügen würde. Außerdem muss die Landwirtschaft dafür sorgen, dass ständig eine Pflanzendecke vorhanden ist. „Würden wir nur auf allen landwirtschaftlich genutzten Böden diese Erde in jedem Jahr auch nur vier Promille mehr Humus wachsen lassen, dann wäre der gesamte jährliche Kohlenstoff-Ausstoß der Menschheit im Boden gespeichert. Auf der Klimakonferenz in Paris, bei der sich die Staaten endlich auf ein Klimaabkommen einigen konnten, hat Gastgeber Frankreich genau das vorgeschlagen: eine weltweite 4-Promille-Initiative.“[ii]

Jedes Moor, das in Deutschland entwässert wird, ist ein Verbrechen gegen das Klima. Durch die Trockenlegung wird sehr viel Kohlenstoff frei und gelangt dann in die Atmosphäre. Moore haben die Eigenschaft, dass sie wachsen und somit vermehrt Kohlenstoff einlagern können. Außerdem wird durch den Abbau von Mooren die Tier- und Pflanzenwelt bedroht, weil Biotope für bedrohte Tier- und Pflanzenarten verloren gehen. Die Wissenschaftler des Thünen-Instituts gehen davon aus, dass in Deutschland jährlich 1,5 Promille Humusboden verloren geht. Die Verdichtung des Bodens nimmt in Deutschland mit sechzig Hektar Flächenfraß täglich zu.

Nach Aussagen des Bundesamts für Naturschutz haben sich die für den Naturschutz wichtigen Grünlandflächen in den letzten Jahren erheblich reduziert: in der Zeit von 1990 bis 2009 sind 875.000 Hektar verloren gegangen. Der Flächenfraß hängt mit dem Klimawandel zusammen beziehungsweise der Klimawandel hängt mit dem Flächenfraß zusammen. Um den Klimawandel wirksam zu bekämpfen, wurde in Deutschland das Erneuerbare-Energien-Gesetz verabschiedet. Das klingt zunächst einmal vernünftig, ist aber aus ökologischen Gesichtspunkten sehr fragwürdig, weil mit dem EEG der Flächenfraß nicht bekämpft wird. Für die Landwirte ist das EEG sehr profitabel, weil sie auf ihrer Fläche Mais anbauen können, der wiederum einer Biogasanlage zugeführt werden kann. Monokulturen sind für den Humusboden aber nicht förderlich.

Auf der Klimakonferenz in Paris verpflichtete sich Frankreich auf das 4-Promile-Ziel. Deutschland hat die zugehörige internationale Deklaration als Erstunterzeichner mitgetragen. Wenn die Bundesregierung den Klimawandel ernst nehmen würde, darf der Humusboden nicht abnehmen, sondern er müsste um 4-Promile jedes Jahr wachsen. Durch die zunehmende Industrialisierung der Land- und Forstwirtschaft findet aber ein ständiger Humusverlust statt. Leider wird das 4-Promile-Ziel der Klimakonferenz in Paris im Jahre 2015 nicht ausreichend berücksichtigt. Wenn Politikerinnen und Politiker glauben, dass sie nachhaltig handeln, wenn sie das 2-Grad-Ziel der Erderwärmung erfüllen, haben sie  die Zusammenhänge leider nicht erkannt. Das sind keine guten Nachrichten, sorry, Alexander von Humboldt.

[i] Bei einer unterstellten Größe von 68 Meter mal 105 Meter.

[ii] Florian Schwinn, Raubbau an der Erde: Unser Krieg gegen den Boden, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Berlin, 10´19, S.102.

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