Der Rebound-Effekt gilt auch für den Welthandel

27. April 2020

Bei 100 Tonnen Abfluggewicht etwa brauchen Sie 100 Tonnen Batterien. Da gibt´s noch nicht mal ansatzweise eine Idee, wie man das machen kann.“

(Peter Kameritsch, Finanzchef des Triebwerkbauers MTU, sieht keine Chance für einen Elektroantrieb für Passagierflugzeuge)

Elektroantriebe wird es für Flugzeuge und Kreuzfahrtschiffe  in Zukunft nicht geben. Bekanntlich tragen diese Fortbewegungsmittel  erheblich zum Klimawandel bei. Die Flugzeuge sind gegenwärtig am Boden und die Schiffe liegen im Hafen – ein Grund zur Freude? Zumal bald ein Jubiläum fällig ist – vor fast 30 Jahren hat die UN die Klimarahmenkonvention beschlossen. Also ein Grund zum Feiern, wohl eher nicht, denn global gesehen steigen die CO2 – Emissionen weiter.

Ende der 1980er Jahre tagte die erste Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages und es wurde damals schon festgestellt, dass der Klimawandel  „gravierende Folgen für die menschlichen Lebensbedingungen“ habe und „dramatische Entwicklungen nicht ausgeschlossen werden können“. Im Jahre 1995 wurde eine weltweite Klimakonferenz  in Deutschland (Berlin, COP 1) abgehalten und es wurden per Kabinettsbeschluss ehrgeizige Ziele formuliert, nämlich die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2005 um 25 Prozent gegenüber dem Niveau von 1987 zu senken. Dieses Ziel wurde schon vor über 25 Jahren nicht annähernd erreicht. Heute müssen wir leider feststellen, dass der in Deutschland postulierte Anspruch auf Bekämpfung des Klimawandels mit der Realität nichts zu tun hat. Im Gegenteil, „mit jedem Tag wird eines immer deutlicher: Der Klimawandel, den wir derzeit forcieren, wird alles übertreffen, was unsere Zivilisation je erlebt hat, und die Biologie der Erde grundlegend schwächen. Denn darin besteht das Neue der Lage: Der Mensch ist heute selbst eine geologische Kraft. Was ein großes Wissenschaftlerteam im Jahr 2017 als „biologische Vernichtung“ bezeichnete ist bereits in vollem Gang.“[1]  

Der Rebound-Effekt

Der von mir schon häufig beschriebene Rebound-Effekt  gilt auch für den Welthandel. „So mag die EU ihre Emissionsreduktionsziele  von 40% bis 2030 zwar erreichen, dies aber auch nur, weil viele Produktionen ins Ausland verlagert werden. „Die Emissionen, die bei Herstellung unserer liebsten Konsumgüter anfallen, werden nun anderswo gezählt. Solche „carbon leakages“ erklären, warum die Emissionen trotz aller Bemühungen global gesehen steigen.“[2] Beispielsweise produziert der Automobilhersteller VW einen beträchtlichen Teil der Autos in China (in den Werken Changchun, Chengdu und Foshan) und emittiert dort die entsprechende Menge CO2.

Also kein Grund zur Freude, die CO2-Emissionen stiegen seit 30 Jahren weltweit kontinuierlich an. Die Messstation Mauna-Loa auf Hawaii hat einen neuen Spitzenrekord festgestellt – 415 ppm CO2-Emisson. Dieser Wert wurde das letzte Mal vor einigen Millionen Jahren erreicht.  Während sich die EU die Zahlen des CO2-Ausstosses schön rechnet, passiert hinsichtlich der Energiewende relativ wenig. Gegenwärtig werden, in der öffentlichen Wahrnehmung, nur zwei Lösungsansätze diskutiert.

Die Lösung: Nord Stream 2

Mit dem Bau von Nord Stream 2 soll ein Brückenkraftstoff der Energiewende etabliert werden – Erdgas. Erdgas besteht aber, wie Rohöl und Kohle, aus Kohlenstoff und enthält natürlich CO2. Erdgas hat auf dem ersten Blick eine günstigere CO2 – Bilanz als Kohle und Öl; doch entweichen bei der Erdgas–Produktion in Russland große Mengen an Methan. Methan ist 25-mal klimaschädlicher als CO2.  Kritiker, vor allem Chemiker, könnten jetzt entgegen halten, dass Methan beim Verbrennen nur halb so viel Kohlendioxid  als Kohle erzeugt. Dies ist sicherlich richtig. Was passiert aber, wenn das Gas nicht verbrennt, weil es vorher aus der Pipeline Nord Stream 2 entweicht, bevor es im Kraftwerk landet? Dann fängt es Wärme in der Atmosphäre circa achtzigmal effizienter ein als Kohlendioxid.  Die Entweichung von Methan ist signifikant höher, wenn Erdgas durch Fracking (vornehmlich in den USA) gewonnen wird. Aber nicht nur die Produktion von Erdgas ist klimaschädlich, sondern beim Transport entweicht zusätzlich Methan. Wenn Erdgas verbrannt wird (Heizungen, erdgasbetriebene PKW´s u.ä.) wird weniger CO2 emittiert, insofern ist Erdgas geringfügig klimafreundlicher als Kohle.

Die Lösung: Windenergie

Kürzlich jubelte der Bundesverband Windenergie: „Einspeiserekord“. Was war geschehen? Die Orkanböen des Wintersturms „Sabine“ lieferten den deutschen Windrädern zeitweise 44 Gigawatt klimafreundlichen Strom. Damit wurden zwei Drittel des deutschen Strombedarfs abgedeckt. Somit wurde an diesen historischen Tagen die Energiewende für 2030 herbeigeführt, denn durch Addition aller erneuerbaren Energien ergab sich eine 65 prozentige Energieversorgung aus alternativen Erzeugungsarten. Einspeiserekord – ein Grund zur Freude, sicherlich nicht, denn das Stromnetz war am Limit.

Da die deutschen Netze viel zu klein ausgelegt sind, musste sich das sogenannte „Einspeisemanagement“ einschalten und Notfallmaßnahmen ergreifen. Die Netze konnten den Windstrom nicht komplett aufnehmen, also wurden die Windanlagen teilweise abgeschaltet und der Windstrom wurde nicht produziert. Dieser nicht hergestellte Windstrom wurde mit 210 GWh beziffert. Die Wochenzeitung „die Zeit“ hat diese Zahl verglichen: Mit 210 GWh hätte man circa 60.000 Haushalte, dies entspricht einer Kleinstadt, ein Jahr mit Strom beliefern können.

Die Konsequenz war, dass ein Überangebot von Strom vorhanden war. Die Strombörsen  reagierten mit Preissenkungen. Nach Aussagen der Wochenzeitung „die Zeit“ rutsche der Strompreis 18 Stunden sogar ins Minus. Also ergab sich eine ökonomisch widersinnige Situation: Stromerzeuger mussten den Stromkäufer für die abgenommenen Strommengen Preise zahlen, damit diese den Strom speichern können. Offensichtlich ist das Netz in Deutschland viel zu klein ausgelegt, hier sind dringend Investitionen erforderlich.

Die genannten Beispiele belegen, dass noch ein erheblicher Aufwand erforderlich ist, um eine zielführende Energiewende herbeizuführen. Man gewinnt den Eindruck, dass unser Wirtschaftsminister Peter Altmeyer den Rückwärtsgang eingelegt hat und der Klimawandel nicht ernsthaft bekämpft will. Natürlich haben wir momentan andere Sorgen und die Corona-Krise wird uns vermutlich noch sehr lange beschäftigen. Seit über 30 Jahren wissen wir aber, dass die CO2-Konzentrationen sehr stark zunehmen und das die nächste Krise, nämlich der Klimawandel, unmittelbar bevorsteht. Dies sind aber keine Neuigkeiten.

[1] Bill Mc Kibben, Die Kraft der Sonne und das Gewicht der Stimme, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Berlin, 03/20, 2020, S. 87.

[2] Isabell Schrickel, Technologie zuerst, in: der Freitag, Nr. 10 vom 05.03.2020, S. 15.

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