Effizienz und Rebound-Effekt

29. Juni 2019

„Die Wirtschaft ist unser Schicksal“                                                                                                                             

Walter Rathenau (1867 -1922)                                                                                                                                                                      

„Kinder, Betrunkene und neu ins Amt berufene Minister sagen die Wahrheit. So war der zufällig Bundesumweltminister gewordene CDU-Politiker Peter Altmaier erstaunt, als ihm gleich nach Amtsantritt der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) eine Studie vorlegte und damit die Forderung an die Regierung verband, sie möge doch bitte dafür sorgen, dass künftig das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppelt werde. Altmaier sagte verlegen lächelnd, das höre sich ja gut an, er könne sich aber nicht recht vorstellen, wie das gehen solle. Mit diesem Zweifel lag der Minister in der Sache durchaus richtig, aber schon wenige Wochen später, auf dem Weltrettungsgipfel „Rio +20“ im Juni 2012, konnte er bereits mitteilen, dass die Zukunft der Erde gefährdet sei, wenn man das Wirtschaftswachstum nicht vom Ressourcenverbrauch entkoppele.“[1]

Offensichtlich hat Peter Altmeier, der inzwischen Wirtschaftsminister ist, ursprünglich richtig argumentiert aber dann doch das Falsche gelernt.[2] Natürlich lässt sich das Wirtschaftswachstum nicht vom Ressourcenverbrauch entkoppeln. Dies hat in der Vergangenheit nicht geklappt; warum sollte es zukünftig funktionieren?

Jeder Basketballer kennt den Rückschlageffekt

Es ist der Wissenschaft schon seit vielen Jahren bekannt, dass der Klimawandel mit mehr Effizienz nicht aufzuhalten ist. Jeder Unternehmer weiß seit der industriellen Revolution vor knapp 200 Jahren, dass er am Markt nur überleben kann, wenn er permanent seine Effizienz steigert. Die Erhöhung der Effizienz hat aber zu keiner Zeit zu einer Verbesserung des Klimaschutzes geführt. Im Gegenteil, sehr häufig ist der Rebound – Effekt eingetreten. Auch wenn eine, positiv gemeinte, Effizienzsteigerung den Energie- und Ressourcenverbrauch[3] gesenkt hat, wurde dieser Vorteil sofort wieder „aufgefressen“, da die Marktlogik vom Gesetz der Massenproduktion  dominiert wird. Diese Logik fordert vom Unternehmer, dass er seine Effizienzvorteile sofort wieder nutzt, um noch mehr Waren herzustellen und zu verkaufen. Effizienzsteigerungen haben noch nie dazu geführt, dass weniger produziert und verkauft wurde. Im Gegenteil. Effizienzsteigerungen gehen einher mit dem Wirtschaftswachstum, und das wiederrum erhöht den Naturverbrauch.

Die klimaschädliche Autoindustrie

Effizienzsteigerungen werden in der Motorentechnologie nicht dazu genutzt, verbrauchsärmere Autos herzustellen. Ein Beispiel verdeutlicht diesen Rebound-Effekt: Ein VW Käfer aus dem Jahr 1960 verbrauchte 7,5 Liter pro 100 km. Er hatte 30 PS und konnte eine Spitzengeschwindigkeit von 110 km / h erreichen, bei einem Gewicht von 730 kg. Nun kommen wir zum angeblich effizienteren VW Golf aus dem Jahr 2017, der 7,0 Liter auf 100 km verbraucht und mit 90 PS eine Spitzengeschwindigkeit von 180 km / h erreicht. Das Gewicht beträgt rund 1200 kg. Die Tonnenkilometer pro Liter Benzin betragen beim Käfer 97,33 ; beim Golf sind es satte 171,42 . Wenn die beiden Fahrzeuge nur aus diesem Blickwinkel miteinander verglichen werden, ist der VW Käfer eindeutig effizienter. Warum ist das so? Der durchschnittliche Autobesitzer transportiert in der Regel nur Personen. Jeder Spediteur weiß aber, dass eine hohe Zahl von Tonnenkilometer pro Liter Benzin für ihn vorteilhaft ist, weil er mit seinem LKW Waren transportiert. Ein Autofahrer befördert aber keine Waren, erst recht nicht gewerbsmäßig, sondern er nutzt das Fahrzeug lediglich dafür, um von A nach B zu kommen. Deshalb ist unter dem Effizienzgesichtspunkt ein hohes Quantum Tonnenkilometer pro Liter Benzin negativ. Es ist eben nicht effizient, möglichst viel Blech sinnlos zu bewegen.

In der Automobilindustrie werden Effizienzsteigerungen leider nicht dazu genutzt, um verbrauchsärmere Autos zu produzieren, sondern bei fast gleichem Verbrauch schnellere und schwerere PKWs herzustellen. Einerseits ist die Automobilindustrie in der Lage den Kraftstoffverbrauch zu verringern, andererseits werden diese Vorteile sofort wieder „kaputtgemacht“, weil die Autos mit verbrauchserhöhenden Hilfs- und Komforteinrichtungen (z.B. Klimaanlagen) ausgestattet werden. Auch muss berücksichtigt werden, dass „ein Teil der durch technische Effizienzverbesserungen erreichten Einsparungen durch einen steigenden Verkehrsaufwand wieder geschmälert“[4] wird.

Ein zweiter Aspekt des Rebound-Effektes ist die Produktion selber. Wenn effizientere Autos auf den Markt kommen und die älteren Modelle verdrängen, muss mitberücksichtigt werden, dass, bedingt durch die Produktion des neueren, effizienteren Modells, Ressourcen und Energie verbraucht werden. Deshalb ist es, unter ökologischen und klimatechnischen Aspekten, häufig günstiger ein altes Auto nicht zu verschrotten, sondern sehr lange damit zu fahren. Hier fallen betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Logik auseinander.

Außerdem läuft keine Produktion umweltneutral ab. Effizientere Fahrzeuge werden dieses nicht kompensieren können. Unter ökologischen Gesichtspunkten bringt die neue Technologie selten Fortschritte. Betriebswirtschaftlich ist eine Reduzierung von 180 gr. / km CO2 auf beispielsweise 140 gr. / km sicherlich ein Erfolg und führt zu einer erhöhten Nachfrage dieses Autos. Dieser ökologische Erfolg muss aber nicht zwangsläufig für die gesamte Volkswirtschaft gelten. Wenn nun ein Autokonzern, bedingt durch die erhöhte Nachfrage, seinen Umsatz verdoppelt und dann zwei statt einem Auto produziert und verkauft, hat sich natürlich die volkswirtschaftliche CO2 – Emission dieser beiden PKWs auf 280 gr./km erhöht. Der Rebound- Effekt wirkt volkswirtschaftlich dann wie ein Bumerang.

Der Club of Rome hat uns die Tür geöffnet

Also, der im Jahre 2012 neu eingeführte Umweltminister Altmaier hatte ursprünglich recht – das Wirtschaftswachstum lässt sich nicht vom Ressourcenverbrauch entkoppeln. Dies ist aber keine Neuigkeit, sondern spätestens seit Karl Popper wissen wir doch, dass wissenschaftliche Hypothesen verifiziert oder falsifiziert werden können. Bei der Verifizierung wird nachgewiesen, dass die Richtigkeit einer Hypothese möglich ist, bei der Falsifizierung findet der Nachweis statt, dass der Wahrheitsgehalt einer Hypothese unmöglich ist. Wissenschaftler aller Fakultäten wissen schon seit sehr langer Zeit, dass unser Planet begrenzt ist und folglich keine unbegrenzte Naturausbeute stattfinden kann. Diese Hypothese ist wahr, weil sie schon im Jahre 1958 durch den amerikanischen Klimaforscher Charles David Keeling (1928 – 2005) falsifiziert wurde. Der Forscher führte präzise Messungen durch und konnte beweisen, dass die CO2 – Konzentration, mit wachsender, industrieller Naturausbeute, um 1,5 parts per million (ppm) pro Jahr kontinuierlich zunimmt. Im Jahre 1972 wurde dieser Wert von Dennis Meadows in seinem Buch „Die Grenzen des Wachstums“ ebenfalls bestätigt und falsifiziert.

Seit dieser Zeit hätte man umsteigen können auf eine ressourcenschonende Ökonomie. Dies wurde damals von vielen Ökonomen belächelt und man hat die Wirtschaftsweise nicht geändert. Helmut Schmidt prägte den Spruch: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“ und Veränderungen wurden nicht durchgeführt, stattdessen wurde die, wachstumsorientierte und ressourcenverschlingende, neoliberale Ökonomie eingeführt. Die ökologischen Probleme sind seit dem Jahre 1972 extrem angestiegen und heute haben wir eine CO2 – Konzentration von circa 420 ppm. Diese Konzentration war in den letzten 800.000 Jahren nie höher als 300 ppm. Seit den 1970 er Jahren wurde in der Ökonomie das Wirtschaftswachstum vergöttert, mit der Konsequenz, dass innerhalb (nur) einer Generation die Klimakatastrophe sichtbar wird.

Der Mechanismus des Rebound–Effekts ist noch älter als die Studie von Meadows, er wurde bereits im Jahre 1865 von William Stanley Jevons entdeckt. Er begründete, dass mit zunehmender Effizienz eben auch die Kosten der Produktion sinken. Wenn Unternehmen derartige Kosteneinsparungen nutzen, um durch Preissenkungen Konkurrenzvorteile zu erzielen, steigert dies tendenziell die Nachfrage. Folglich ist nicht auszuschließen, dass der Verbrauch der effizienten Inputs sogar steigt. Obwohl dieser Effekt schon seit 1980 in den Wirtschaftswissenschaften diskutiert wird, findet er keine Beachtung in den meisten Energie- und Klimaschutzstudien.[5] Letztendlich scheint die Marktlogik über alle Zweifel erhaben zu sein, und sie wird auch heute nicht angezweifelt, selbst die Grünen, die es eigentlich besser wissen müssten, haben sich dieser Marktlogik unterworfen und propagieren das grüne Wachstum.  Die Grünen haben doch auch wissenschaftliche Berater, die wissen es mit Sicherheit besser; sie wissen aber auch, dass man bestimmte Tatsachen schlecht verkaufen kann. Diese Erfahrung hat auch Peter Altmaier im Jahre 2012 als Umweltminister gemacht.

[1] Harald Welzer, Selbst Denken, Frankfurt am Main, 2013, S. 109 /110.

[2] „Es ist schwierig jemand dazu zu bringen, etwas zu verstehen, wenn sein Gehalt davon abhängig ist, es eben nicht zu verstehen.“ Sinclair Lewis, 1935

[3] Wobei natürlich wieder angeführt werden muss, dass Energie nicht verbraucht werden kann.

[4] https://www.umweltbundesamt.de/daten/verkehr/kraftstoffe, aufgerufen am 14.06.2019

[5] Selbst namenhafte wissenschaftliche Institute  wie das Intergovernmental Panel on Climate Chnage (IPCC) oder auch die Internationale Energie Agentur (IEA)) gehen davon aus, dass Effizienzsteigerungen den Klimawandel bekämpfen können, und der Rebound – Effekt wird auch in diesen Instituten nicht weiter untersucht.

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