Die Macht der Bros

19. Januar 2025

In den Vereinigten Staaten von Amerika ist die Schriftstellerin Ayn Rand (1905-1982) unter neoliberalen Ökonomen und rechten Politikern sehr populär und sie wird von dieser Personengruppe als wichtige Philosophin angesehen, sie ist gewissermaßen das amerikanische Aushängeschild des Neoliberalismus. Sie propagiert den reinen und uneingeschränkten Kapitalismus, also einen absolut freien Markt ohne jeglichen staatlichen Einfluss. Ihrer Meinung nach ist der Individualismus dem Kollektivismus weit überlegen. Die meisten Philosophen[1] wurden von Ayn Rand scharf kritisiert. So auch der deutsche Philosoph der Aufklärung, Immanuel Kant. Rand betrachtete Kant als Gegenspieler, den sie als »den bösesten Mann in der Geschichte der Menschheit« bezeichnete. Für die deutsche Kultur ist der von Kant geprägte Kategorischen Imperativ ein positives Leitbild. Aber dieses Leitbild der Aufklärung verliert auch hierzulande momentan an Bedeutung, leider.

Die sogenannten Lehren, philosophischen Betrachtungen und Botschaften der Schriftstellerin Ayn Rand werden im parteiischen Fernsehsender, Fox News, verbreitet. Dieser Sender wird auch von Donald Trump instrumentalisiert; der Privatsender lässt sich dieses aber auch gerne gefallen. Der damalige Präsident der USA, Ronald Reagan, fasste in den 1980er Jahren die Grundgedanken Ayn Rands in einem Satz zusammen: „Der Staat ist nicht die Lösung für unser Problem, der Staat ist das Problem.“ Seit dieser Zeit haben sich die Staatsfeinde aller Welt, die Neoliberalen, diesen Spruch auf die Fahne geschrieben. Sie betrachten den Staat als kleptokratischen und regulativen Steuerstaat und wünschen sich eine uneingeschränkte, von Steuern befreite, Kapitalakkumulation. Wenn es aber um die Garantien der Rechtsherrschaft und um die Absicherung des Eigentums geht, hat die Klasse der Kapitalisten schlagartig ein Interesse an einem starken Staat. Auch die IT-Branche Amerikas, namentlich Steve Wozniak, der verstorbene Steve Jobs (beide Mitbegründer von Apple) und Elon Musk (Tesla, X), sind für die kruden Botschaften Ayn Rands empfänglich. Obwohl Ayn Rand in Europa weitgehend unbekannt ist, passt auch der deutschstämmige Paypal Gründer Peter Thiel in dieses Umfeld. Die Lehren dieser Frau, die altruistisches Verhalten verabscheut, beeinflussen die gesamte IT-Branche und die schambefreite Externalisierungsgesellschaft verliert mit solchen Anschauungen den letzten Anstand.

Die moderne Broligarchie  

Die imperiale Lebensweise führte zur Ausdehnung »ressourcen- und emissionsintensiver Produktions- und Konsummuster«. (Brand / Wissen) Die sich selbst verstärkenden Steigerungsdynamiken wurden vor über 30 Jahren durch eine neoliberale Wirtschaftspolitik flankiert. Zu dieser Zeit glaubte man noch an die Untrennbarkeit von Demokratie und Kapitalismus. Heute machen sich zunehmend Anarchokapitalisten, die die sogenannte Broligarchie befürworten, breit. Der ursprüngliche Anarchismus lehnt den Staat grundsätzlich ab und der Kapitalismus funktioniert auch ohne demokratische Strukturen. Also lehnen die Anarchokapitalisten sowohl die Demokratie als auch den Staat ab.

Heute glauben die »Nachfahren« der Neoliberalen, die Anarchokapitalisten daran, dass ein Staat, und erst recht ein demokratischer Staat, überflüssig ist. Die Theoretiker des Neoliberalismus und des Anarchokapitalismus vertrauen der Demokratie nicht. Regierungen, die durch Mehrheitsentscheidungen zustande kommen, werden als Bedrohung angesehen, weil möglicherweise individuelle Freiheitsrechte beschnitten bzw. wirtschaftsfeindliche Beschlüsse gefasst werden können. Tendenziell neigen Neoliberale dazu, Experten und Eliten stärker zu vertrauen als demokratische Willensbildungsprozessen. Deshalb könne man das Gemeinwesen so führen wie eine Unternehmung. Dann wird die gewählte Regierung durch ein von Eliten zu bestimmendes Management ersetzt und der Geschäftsführer nimmt die Aufgaben des Regierungschefs wahr. Die Verfassung sollte durch Verträge ersetzt werden und die Bürger bekommen nur die Rolle des arbeitenden Konsumenten zugewiesen. Der Anarchokapitalismus benötigt keine mündigen Bürger, keine kritischen Politiker und erst recht keinen Wohlfahrtsstaat. Arbeitnehmerrechte werden weitgehend abgeschafft und Gewerkschaften sind dann auch überflüssig. Der öffentliche Raum ist zu privatisieren und gewinnmaximal zu gestalten – Kapitalismus pur. Dies ist ganz im Sinne von Milton Friedman der im Jahr 1976 an der Universität in Kapstadt erklärte, dass die Demokratie überbewertet ist. Er vertrat in seiner Rede die Auffassung, dass eine Abstimmung mit Dollar-Noten vorteilhafter sei als eine Wahl mit Stimmzetteln.

Die amerikanischen Anarchokapitalisten

Ohne die Anarchokapitalisten wäre die politische Aufwärtsbewegung von Donald Trump und JD Vance in den USA kaum möglich. Trump erhielt für seinen Wahlkampf von den Silicon Valley Milliardären Gelder im Millionenbereich. Insbesondere Elon Musk pumpte viele Millionen Dollar in den Wahlkampf zur Unterstützung von Donald Trump. Nun wurde auch noch die deutsche AfD von Elon Musk im Wahlkampf 2025 unterstützt. JD Vance hat seinen politischen Aufstieg insbesondere dem deutschstämmigen Milliardär Peter Thiel verdanken. Die Zehn-Millionen-Spende des Anarchokapitalisten Thiel sicherte Vance seinen Senatssitz in Ohio, den er ohne den Geldsegen wohl kaum gewonnen hätte. Thiel sagte schon im Jahr 2009, dass er nicht glaube, dass »Freiheit und Demokratie vereinbar seien«. Nun hat Trump die Wahl zum amerikanischen Präsidenten gewonnen und neben den ökonomischen Anarchokapitalisten wird eine neue politische Ordnung etabliert werden – die Broligarchie. Dies ist im Kern »eine Oligarchie, in der enorme Macht an die Bros der Technologie- und Finanzbranche fließt.«[2] Die antidemokratische Haltung ist in diesen Branchen sehr ausgeprägt. Neben Elon Musk und Peter Thiel gehören die Risikokapitalgeber Marc Andreessen und David Sacks ebenfalls zu den Bros. Wie viele Ultrareiche in der Welt glauben auch die Bros, dass sie über dem Gesetz stehen und das sie keinerlei Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft haben. Der kategorische Imperativ (Immanuel Kant) ist ihnen vollkommen fremd, er wird sogar von einigen Vertretern der Bros ausdrücklich abgelehnt. Stattdessen verpassen sie sich lieber ein Superhelden-Image. Rechtsextreme Populisten sind für solche Narrative empfänglich. Auch Trump ist solch ein „Superheld“. Im Jahr 2016 brüstete er sich im amerikanischen Wahlkampf damit, dass er jahrelang keine Steuern gezahlt hat. Im TV-Duell mit der damaligen Gegenkandidatin Hillary Clinton behauptete er: „Das macht mich schlau.“ Dazu fällt einem wirklich nichts mehr zu ein. Dies könnte man belächeln, wenn es denn nicht so ernst wäre. Jetzt könnte man meinen, dass die Bros den marktwirtschaftlichen Wettbewerb, als Motor des Kapitalismus, positiv bewerten. Weit gefehlt – große privatwirtschafte Monopole werden nicht abgelehnt, sie sind eher gut für die Kapitalakkumulation.

In Deutschland greifen glücklicherweise solche Menschen wie die amerikanischen Bros noch nicht nach politischen Ämtern. Trotzdem wird durch die Politik gewährleistet, dass das obere reiche Drittel der Bevölkerung ihre Situation verbessern können. Getreu dem Motto:   Ein Superreicher, eine Angestellte und ein Bürgergeldempfänger sitzen zusammen an einem Tisch mit hundert Keksen. Der Superreiche nimmt sich 99 davon und sagt zu der Angestellten: Pass auf, sonst nimmt dir der Bürgergeldempfänger noch deinen Keks weg.


[1] Aristoteles, Thomas von Aquin und die klassischen Liberalen sind die Ausnahmen.

[2] Brooke Harrington, Die kommende Broligarchie, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Berlin, 1`25, Januar 2025, S.71.

Weitere Artikel