Ãœberall Fremde

14. Juni 2024

Momentan halten wir uns in Venedig auf und genießen die 60. Biennale. Auf den sperrigen deutschen Pavillon, mit seinen übermächtigen Mauern, war ich besonders gespannt. In der Vergangenheit hat mich die Ästhetik dieses Bauwerks und die künstlerische Gestaltung nicht überzeugt. Wie wird es diesmal sein?

Foreigners everywhere

Der erste lateinamerikanische Kurator der 60. Biennale, Adriano Pedrosa, will mit dem Titel Foreigners everywhere zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden vermitteln. Was erwartet uns nun am deutschen Pavillon, der äußerlich an koloniale Zeiten erinnert? Wir waren gespannt.

Zunächst war der Zugang über den Haupteingang nicht möglich, weil er mit Beton zu gekippt wurde. Somit wurde ein erstes künstlerisches Signal gesendet. Also nahmen wir den Nebeneingang und das Thema Thresholds sprang uns in die Augen.

Thresholds

In der Broschüre war zu lesen: “Thresholds bedeutet in unserer Arbeit das Wecken der Sehnsucht nach Deterritorialisierung der politischen Fantasie. Wir erleben gerade die extreme Ausformulierung der Verhaftung im nationalstaatlichen, territorialen Denken, das unseren Diskurs über Geschichte und damit auch über die Zukunft zwischen Staatsangehörigkeiten und Zugehörigkeiten eine traumatische und gewaltsame Erfahrung. Unser Beitrag versucht, aus dieser Erfahrung eine Position der Erkenntnis zu generieren und für einen Moment die Grenzen zu überschreiten. Von der Schwelle aus wird mehr sichtbar, überlagern sich Wahrnehmungen und Bilder.“[1]

Nach dem Rundgang im Pavillon war ich von der künstlerischen Darbietung begeistert. Erstmals hat mich der deutsche Pavillon überzeugt und die Schwelle hat tiefe Spuren hinterlassen und viele Fragen aufgeworfen. Wo stehe ich, wo steht die Menschheit? Begeben wir uns in Richtung Zukunft und lassen die Vergangenheit hinter uns? Oder sind wir auf dem Weg aus der Zukunft in die Vergangenheit? Threshold – Schwellen bieten ausreichenden Stoff zum politischen Diskurs über Kolonialismus, Ausbeutung, Fremdenfeindlichkeit, Grenzen und Grenzüberschreitungen. Beim Thema über die Vergangenheit und die Zukunft musste ich allerdings an die Klimakatastrophe denken. Diese Schwelle wurde auf der Biennale ebenfalls, wenn auch nur peripher, angedeutet.

„Die Erde ist in Bewegung, utopisch, unbeherrschbar, verletzlich. Die Schwelle ist der Ort, an den alle verwiesen werden, denen das Recht auf Ankommen und damit Geschichte und Zukunft verweigert wird. Das Jetzt aber ist kein Ort, an dem man bleiben kann.“[2] Tiefgreifende Veränderungen sind nötig, damit sich Zukunft und Vergangenheit nicht vereinen können. Dies ist im Zusammenhang mit der drohenden Klimakatastrophe existenziell und ich habe dies in einem Blog auf dieser Homepage dargestellt: Die Entstehung der Atmosphäre vom 13.Juli 2023.

In diesem Artikel habe ich herausgearbeitet, dass die Erde in ihrer jetzigen Form nur entstehen konnte, weil Unmengen von CO2 in der Luft waren. Leben konnte sich auf der Oberfläche des Planeten aber nur in einer sauerstofflosen Atmosphäre bilden. Die ersten biologisch aktiven Moleküle notwendigen Aminosäuren konnten nur entstehen, weil der Sauerstoff auf der Erde nicht vorhanden war. Sauerstoff gab es noch nicht, weil Pflanzen nicht existierten. Irgendwann bildeten sich Pflanzen aus, die mit der Photosynthese große Mengen von CO2 absorbierten. Über viele Millionen Jahre stabilisierte sich die lebensfreundliche Erde und das Verhältnis von Sauerstoff und CO2 wurde im Laufe der Jahrmillionen immer ausgeglichener. Trotz mehrerer Eis- und Warmzeiten bewegte sich seit über 800.000 Jahren die, fein ausbalancierte, CO2-Konzentration zwischen 200 und 300 ppm (parts per million, in einer Million Liter Luftgemisch befinden sich 200 bis 300 Liter CO2). Seit 60 Jahren hat sich diese Konzentration nachhaltig verändert, heute liegt sie bei über 420 ppm, Tendenz steigend. Dies lässt sich nicht mehr rückgängig machen und der Klimawandel wird somit angeheizt. Wenn nicht umgehend gehandelt wird, können wir, durch den anthropogenen Klimawandel, zukünftig diese Schwelle der Vergangenheit wieder erreichen. Dann verbinden sich Zukunft und Vergangenheit und die Erde wird dann wieder ein lebensfeindlicher Ort sein. Auch diese Thematik wurde auf der Biennale künstlerisch sehr gut dargestellt. Ob das auf der Biennale dargestellte Raumschiff im deutschen Pavillon die Lösung ist, darf allerdings bezweifelt werden.


[1] https://deutscher-pavillon.org/de/curatorial, aufgerufen am 10.06.2024

[2] https://deutscher-pavillon.org/de/curatorial, aufgerufen am 10.06.2024

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