Der Arbeitsmarkt

14. Juli 2018

Die restriktive Geldpolitik beziehungsweise die Politik der liberalisierten Finanzmärkte führen dazu, dass sich der Produktionsfaktor Arbeit verändert hat und die damit verbundenen sozialen Probleme zugenommen haben. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder hat mit der Arbeitsmarktreform „Agenda 2010“ einen breiten Niedriglohnsektor geschaffen. Im Volksmund wurden diese Gesetze als Hartz IV bezeichnet, nach ihrem Miterfinder Peter Hartz, damaliger Personalvorstand von VW. Nun wäre es aber fehlerhaft, Peter Hartz als alleinigen Urheber zu nennen. Auch der Bertelsmann Konzern hat, wie so oft, kräftig an diesen Gesetzen mitgearbeitet. Somit entsteht der Eindruck, dass die Wirtschaftsmacht die demokratisch legitimierte Macht eindeutig dominiert. Einige Politiker halten Hartz IV für einen „Kampfbegriff“ und verwenden den offiziellen Namen, nämlich Arbeitslosengeld II. In Deutschland sind sechs Millionen Menschen unmittelbar betroffen.

Ein Alleinstehender erhält 416 Euro pro Monat. Wie ist dieser Regelsatz entstanden? Angeblich ist er abgeleistet worden aus den ermittelten Ausgaben der untersten 20 Prozent der Bevölkerung. Letztendlich ist der Betrag in Höhe von 416 Euro pro Monat politisch gewollt.  Wenn der Betrag statistisch korrekt ermittelt worden wäre, käme man auf einen Betrag von 571 Euro. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist für die Höhe der Grundsicherung der Maßstab für das Existenzminimum der steuerfreie Grundfreibetrag des Einkommensteuergesetzes maßgeblich. Nach § 32a Abs.1, Satz 1, Nr. 1 EStG beträgt der Grundfreibetrag 9.000,00 Euro pro Jahr.

Nun könnte man leicht diesen Fehler korrigieren und die Hartz IV – Sätze erhöhen. Dies ist aber nicht so einfach, denn es würde einen starken Lohndruck nach oben im Niedriglohnsektor geben. Dies hätte zur Folge, dass zahlreiche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Niedriglohnsektors neue „Kunden“ des Hartz IV-Systems werden. Da ihr Einkommen dann unterhalb der Bedarfsschwellen liegen würde, käme eine neue Welle von „Aufstockern“ auf uns zu. Die Erhöhung wird also von vielen Ökonomen abgelehnt.

Nun darf man aber nicht glauben, dass nur „die da oben“ ein Interesse daran haben, die Hartz IV – Sätze nicht zu erhöhen, auch die Einkommensbezieher im mittleren bzw. unteren Bereich sind häufig gegen eine Erhöhung. Dies mag unter anderem daran liegen, dass weite Teile der Bevölkerung darauf sozialisiert sind, Frustrationen nach unten und nicht nach oben zu lenken. Die Einkommensdifferenzen zwischen einem Spitzenverdiener und einem mittelmäßigen Verdiener werden in der Gesellschaft kaum thematisiert. Während der monetäre Unterschied zwischen einem Hartz IV-Empfänger und einem im Niedriglohnsektor arbeitenden Arbeitnehmer den gesellschaftlichen Diskurs bestimmen. In diesem Segment wird häufig darüber diskutiert, ob es sich überhaupt noch lohnt zu arbeiten.[1]

An dieser Stelle tauchen in der ökonomischen Diskussion zwei gegensätzliche Meinungen auf. Einige Ökonomen sind der Auffassung, dass die Hartz IV – Gesetzgebung es ermöglichen muss, die Empfänger zu sanktionieren. Ein Fehlverhalten sollte bestraft werden und Kürzungen des Bezuges wären die Folge. Die Kritiker möchten die Sanktionen weitgehend abschaffen. Das Existenzminimum lässt sich nicht kürzen. Dies wäre in der Tat fragwürdig, weil man dann Menschen die Existenzgrundlage nehmen würde. Das Existenzrecht leitet sich aus dem Grundgesetz ab und ist nicht abhängig vom Wohlverhalten der Bürger.

Nicht ohne Grund wurde in Deutschland das Lohnabstandsgebot (vgl. § 28 Abs. 4 SGB XII a.F.) zum 31. Dezember 2010 abgeschafft. Es besagte, dass die Regelsätze der Sozialhilfe bei Haushaltsgemeinschaften ( sog. Alleinernährerfamilie) von Ehepaaren mit drei Kindern niedriger bleiben als die erzielten monatlichen durchschnittlichen Nettoarbeitsentgelten unterer Lohn- und Gehaltsgruppen in einer entsprechenden Haushaltsgemeinschaft mit einer alleinverdienenden vollzeitbeschäftigen Person.

Das zentrale ökonomische Problem sind nicht die Kürzungen von Hartz IV – Bezügen, sondern die Niedriglöhne. Sie müssen eine Existenzsicherung gewährleisten. Dies scheint im „besten Niedriglohnsektor der Welt“ (Gerhard Schröder) nicht möglich zu sein. Eine Diskussion über Kürzungen oder Sanktionen im Hartz IV – Bereich sind überflüssig. Wichtiger ist die Abschaffung des Niedriglohnsektors, der das Einfallstor für Erwerbs-, Familien und Altersarmut in Deutschland darstellt.

[1] Die Frustrationen werden aber nicht nach oben geleitet, sondern man gibt häufig Ausländern und Flüchtlingen die „Schuld“.

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