„Die Finanzwirtschaft verdient Geld nicht dadurch, dass sie der „realen“ Wirtschaft dient, sondern sich selbst.“
(Mariana Mazzucato)
„Als im Jahr 2008 die Finanzkrise und anschließend die Eurokrise losbrachen, erging es den europäischen Ländern mit den stärksten wohlfahrtstaatlichen Systemen am besten, insbesondere den skandinavischen Ländern. Anders als viele Menschen im Finanzsektor gerne glauben würden, bestand das Problem nicht in zu starker, sondern zu geringer staatlicher Einmischung in die Wirtschaft. Beide Krisen waren die direkte Folge eines zu schwach regulierten Finanzsektors.“[i]
Wirtschaft- und Finanzkrisen sind nichts Neues – die gab es schon immer. Trotzdem lohnt sich ein Blick in die Geschichte. In den 1960er Jahren wurde der Finanzsektor als unproduktiv angesehen. Sowohl die traditionellen als auch die keynesianische geprägte Volkswirtschaftslehre schrieben dem Finanzsektor eine Mittlerrolle zu; er sollte der Wirtschaft dienen und die Geldversorgung sicherstellen. Dies änderte sich in den 1980er Jahren. Der Finanzsektor brachte zunehmend sogenannte Finanzprodukte in die Ökonomie ein und begriff sich als eine „wertschöpfende Industrie“. Nach der Finanzkrise 2008/2009 wurde vielen Ökonomen klar, dass dieser Sektor nicht zwangsläufig wertschöpfend war, sondern in vielen Fällen wurden auch Werte extrahiert beziehungsweise abgeschöpft.
Die Profiteure der Corona-Krise
Jetzt liest man in den Zeitungen wieder von Leerverkäufen und es wird munter für oder gegen das Corona-Virus gewettet. Auch wird gegen bestimmte Staaten spekuliert. Es befinden sich nach wie vor unzählige sogenannte Finanzprodukte auf dem Markt, die keinen Bezug zu ökonomischen Werten haben, weil sie ausschließlich Spekulationsgeschäfte bedienen. Man leiht sich im Rahmen von Leergeschäften Aktien und ist aufgrund dieser Rechtslage Besitzer dieser Aktien. Mit diesen Aktien wird dann gewettet und wenn man Glück hat, können diese Aktien später am Markt günstiger eingekauft werden um sie dann anschließend dem Verleiher, also dem Eigentümer, zurückzugeben. Der so entstandene “Gewinn” hat hingegen keinen ökonomischen Bezug und ist als leistungslose Rente zu qualifizieren.
Der US-amerikanische Milliardär Bill Ackman, Gründer des Hedgefonds Pershing Square, kaufte Ende Februar 2020 Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps) im Wert von 27 Millionen Dollar. Die Aktienmärkte stürzten im März 2020 ab und es wurden fiktive Werte in Höhe von 26 Billionen Dollar vernichtet. Daran verdiente Ackman sehr gut, denn die Auszahlung aus den CDS betrugen 2,6 Milliarden Dollar. Ackman ist aber nicht der einzige Profiteur der Corona-Krise.
Keynes und die Liquiditätsfalle
John Maynard Keynes (1883-1946), ein einflussreicher Kritiker der Finanzmärkte, warnte immer wieder vor den Folgen finanzieller Spekulationen. „In der Logik der Keynes` Liquiditätspräferenztheorie besteht die Hauptfunktion von Finanzmärkten nicht darin, für Effizienz zu sorgen, sondern für Liquidität. Ein liquider Markt muss geordnet sein.“[ii] Wenn die Märkte liquide sind, läuft die Wirtschaft reibungslos. Problematisch wird es dann, wenn Investoren erkennen, dass Kreditnehmer nicht mehr über ausreichende liquide Mittel verfügen, um Zinsen und Tilgung zu zahlen. Die Investoren, beziehungsweise die Gläubiger, stoppen dann die Finanzierung und stoßen ihre Vermögenswerte ab. Mit zunehmender Häufung entstehen dann Finanzblasen. Wenn das Wachstum der Schulden mit einer Zunahme der Vermögenswerte, die mit Schulden finanziert wurden, gegenüberstehen, ist das System stabil. Wenn nun aber Zweifel auftreten hinsichtlich der Werthaltigkeit dieser Vermögensgegenstände, wird das System instabil und es könnte sich zu einer Finanzkrise auswachsen. Nach Auffassung von Keynes zirkuliert das Geld, auf unkontrollierten Märkten, als Selbstzweck – und genau hier liegt die Gefahr. Geld verliert zunehmend die Eigenschaft, als Mittel des wirtschaftlichen Austausches zu dienen, sondern es bekommt einen spekulativen Charakter und somit breitet sich der Kasinokapitalismus aus.
[i] Joseph E. Stiglitz, Die Wirtschaft, die wir brauchen, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 10/19, Berlin, 2019, S. 80
[ii] Paul Davidson, John Maynard Keynes, Berlin, 2015, S. 108