Zuckersteuer vs. Zuckerstreuer

28. Februar 2019

150 Jahre Zuckersteuer

Mit der Zunahme des Überseehandels kam im 16. Jahrhundert der Kolonialzucker auf. Die Zuckersteuer wurde im Jahre 1841 in Deutschland eingeführt und zum 01. Januar 1993 abgeschafft. Begründet wurde die Abschaffung wegen des EG-Binnenmarktes. Der Artikel 5 des Gesetzes zur Anpassung des Umsatzsteuergesetzes an den EG-Binnenmarkt und andere Rechtsvorschriften sollten Wettbewerbsverzerrungen verhindern.

Nachsorge statt Vorsorge

Ich zweifele den Begründungszusammenhang an und behaupte, dass die Lobby der Nahrungsmittelindustrie den Zucker günstiger vermarkten und den Zuckerkonsum attraktiver gestalte wollte. Es sollte einfach mehr Zucker konsumiert werden. Da ist das Argument der Wettbewerbsverzerrung schnell gefunden, weil die Zuckerindustrie in anderen Ländern Wettbewerbsvorteile hat. Somit hat der deutsche Staat die Gesundheit der Menschen leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Das Vorsorgeprinzip wurde an dieser Stelle faktisch abgeschafft. Die Abgabenordnung  definiert im §§ 3 AO, dass die Steuereinnahmen auch einen Nebenzweck haben können. Man kann also auch mit Steuern steuern und das Konsumverhalten positiv, im Sinne der Gesundheitsvorsorge, beeinflussen.

Die krankmachende Zuckerindustrie

In den Medien ist zu lesen und zu hören, dass Zucker viele Menschen krank macht und deshalb fordern Mediziner und Verbraucherschützer in Deutschland die Einführung einer Steuer auf zuckerhaltige Getränke. Weiter wird ausgeführt, dass es bereits in anderen Ländern eine Zuckersteuer gibt. Es wird so getan, als wäre diese Steuer eine Innovation. Das Gegenteil ist der Fall; vor der neoliberalen Wende gab es eine Zuckersteuer in Deutschland. Sie wurde geopfert, weil der Wettbewerb wichtiger war als die Gesundheit der Bevölkerung. Ähnlich wie bei den Plastiktüten[1] knüpfen wir wieder an längst vergangene Tatbestände an.

Jetzt schlagen Mediziner mal wieder Alarm, weil limonaden- und colahaltige Getränke noch mehr Appetit auf noch mehr Zucker machen, denn zuckerhaltige Getränke sättigen, im Gegensatz zu Kalorien aus fester Nahrung, überhaupt nicht. Das System, das das Hungergefühl steuert, wird durch Zucker irritiert. Der Blutzuckerspiegel schnellt in die Höhe, weil der Zucker schnell in das Blut gelangt. Daraufhin stellt die Bauchspeicheldrüse mehr Insulin her. Insulin ist ein Hormon, das dafür sorgt, dass die Glukose aus dem Blut in die Zellen dringen. Nun sinkt der Blutzuckerspiegel wieder und die Folge ist, dass man mehr Appetit auf Zucker bekommt und man trinkt dann wieder Limonade. Wenn der Blutzucker steigt, sprechen Ärzte von einer Insulinresistenz. Zu den typischen Spätfolgen zählen: Herzinfarkt, Schlaganfall, Nierenversagen, Erblindung und Nervenschäden. Ich erspare mir weitere Ausführungen und bringe es auf den Punkt: Zucker macht krank.

Jetzt schlägt die Weltgesundheitsorganisation vor, zuckerhaltige Getränke mit einer Sondersteuer von mindestens 20 Prozent zu belegen. Länder wie Frankreich, Finnland, Ungarn und Mexiko haben solch eine Steuer bereits eingeführt. In Deutschland ist dies scheinbar nicht möglich, weil die Zuckerindustrie mauert und den Verlust von Arbeitsplätzen[2] in Aussicht stellt. Die Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) [3] belegt, dass die Deutschen in Westeuropa mittlerweile die niedrigste Lebenserwartung haben.

Alter Wein in neuen Schläuchen

Die Situation ist vollkommen absurd. Wegen der zu erwartenden Gesundheitsschäden haben wir seit Urzeiten in Deutschland ungesunde Lebensmittel bzw. Tabak besteuert. Die Branntwein-, die Tabak, die Bier-, die Schaumwein-, die Kaffee-, die Zucker- und die Salzsteuer[4] um nur einige zu nennen. Die Salz- und Zuckersteuer wurden im Rahmen der neoliberalen Wende abgeschafft um den Wettbewerb zu stärken – welch eine fadenscheinige Begründung. Jetzt stellt man, wer hätte das gedacht, fest, dass Zucker gesundheitsschädlich ist und Mitglieder des Bundestags-Gesundheitsausschusses fordern die Einführung der Zuckersteuer, welch ein Novum. Unsere Lebensmittel sind nicht nur von Zucker durchsetzt, sondern es lauern noch ganz andere gesundheitsschädliche Inhaltsstoffe. Es wird höchste Zeit, den gesamten Lebensmittelmarkt zu überprüfen und bestimmte Inhaltsstoffe zu verbieten oder sehr hoch zu besteuern. Eine Ampelkennzeichnung der Lebensmittel kann nur ein erster kleiner Schritt sein.

[1] Der Sinn und Zweck von Plastiktüten wurde schon in den 1970 er Jahren tiefgreifend diskutiert. In unserer Wohngemeinschaft hatten wir auch so eine schöne Tüte mit der Aufschrift „Jute statt Plastik“.

[2] Der Kabarettist Volker Pispers paraphrasiert: Man darf Terroranschläge nicht zu sehr erschweren, sonst gehen Arbeitsplätze in der Dynamitstangenindustrie verloren.

[3] Global, regional, and national age-sex-specific mortality and life expectancy, 1950–2017: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2017

[4] Die Salzsteuer wurde mit Wirkung ab dem 1. Januar 1993 ebenfalls aufgehoben.

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