„Klimaschutz ist eine Menschheitsaufgabe, und uns
fällt nichts anderes ein als Marktlösungen.“
(Elmar Altvater am 01.03.2007)
Viele Ökonomen und Politiker sind der Auffassung, dass Steuern grundsätzlich schädlich für die wirtschaftliche Entwicklung sind, deshalb werden Steuererhöhungen negativ dargestellt. Natürlich können Steuerreduzierungen dazu führen, die Konjunktur anzukurbeln. Die Steuerermäßigungen müssen sich aber dann auf den gesamten Steuertarif beziehen, damit auch die Konsumenten in den unteren Lohngruppen als Nachfrager die Konjunktur in Schwung bringen können. Steuern dürfen aber nicht nur aus dem Blickwinkel der Ökonomie betrachtet werden, sie halten auch die demokratische Gesellschaft zusammen und können auch dem Umwelt- und Klimaschutz dienen. Ich möchte an dieser Stelle die Steuern und auch Steuererhöhung verteidigen, da wir unsere monetären Verpflichtungen hinsichtlich der Klimaziele zwingend erfüllen müssen. Steuern sind natürlich „schädlich“ für reiche Steuerpflichtige; aber sind sie auch für die Allgemeinheit, für die Ökonomie und für die Ökologie nachteilig?
Nach der neoliberalen Wende wurden weltweit in den Industrieländern die Einkommensteuersätze massiv gesenkt. Diese neoliberale Rosskur führte zu nachhaltigen Einnahmeeinbußen und die Staatsverschuldung stieg rasant an. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel kreierte die Austeritätspolitik, damit sollte Deutschland nicht mehr auf Pump leben, die schwarze Null wurde populär und wer das Unwort „Steuererhöhungen“ in den Mund nahm war politisch tot.
Deutschland – Schuldenland
Heute ist Deutschland wegen des Klimawandels wieder ein Schuldenstaat. Über Steuererhöhungen darf aber nach wie vor nicht diskutiert werden und die Kosten des Klimawandels werden im Bundeshaushalt kaum berücksichtigt. Können wir unseren klimapolitischen Verpflichtungen nachkommen, wenn Erhöhungen im Spitzensteuersatz beziehungsweise der Subventionsabbau für „klimaschädliche“ Unternehmen systematisch aus der Betrachtung ausgeblendet werden?
Die Sondierungsgespräche im Jahre 2018 zwischen der CDU/CSU und der SPD (GroKo) ergaben, dass die Klimaziele für das Jahr 2020 aufgegeben wurden. Die Sondierer rückten mit einem einfachen Handstreich von den Zielen ab. Im Sondierungspapier zur GroKo wurde festgehalten, dass „die Handlungslücke zur Erreichung des Klimaziels 2020 so schnell wie möglich zu schließen“ sei. Diese Formulierung bedeutet faktisch eine Abkehr vom Klimaziel. Die Regierung hat mittlerweile ihr CO2 – Emissionsbudget[1] aufgebraucht, wir leben wieder auf Pump. Das Kyoto Protokoll aus dem Jahre 1997 ist ein stabiles Netzwerk, dass die Emissionen von Treibhausgasen begrenzen soll. Die beteiligten Länder erhielten Freirechte für den CO2 – Ausstoß. Diese Budgets werden im Zeitablauf immer geringer. Deutschland hat schon vor zwei Jahren seine Budgets aufgebraucht und lebt auf Pump.
Korrigiert endlich den Staatshaushalt
Die Begrenzungsverpflichtungen wurden von der Bundesregierung ignoriert. Ein wegducken ist aber nicht möglich, da die Regierung die finanzielle Verpflichtung für die Reduzierung der CO2 – Emissionen erfüllen muss. Bedingt durch den Emissionshandel wird Deutschland schon im Jahr 2020 über 90 Millionen Tonnen CO2 – Schulden erlangen. Eine Bilanzierung in Tonnen CO2 ist kaum möglich, also benötigen wir ein monetäres Äquivalent. Eine Tonne CO2 wird gegenwärtig mit über 20,00 Euro bewertet.[2] Daraus folgt, dass die Belastung für den deutschen Staatshaushalt mit mindestens 1,8 Mrd. Euro angesetzt werden muss. Fachleute gehen davon aus, dass die Preise im Emissionshandel zukünftig sehr stark steigen werden. Am 10.September 2018 beispielsweise kletterte der Wert auf einen historischen Höchststand: 24,85 Euro war der Wert eines EU-Emissionszertifikats für das Verschmutzungsrecht einer Tonne Treibhausgas. Dies ist deshalb bemerkenswert, weil das Betreiben von Braunkohlekraftwerken ab 30,00 Euro pro Tonne CO2 zum Verlustgeschäft wird. Hier wäre Deutschland besonders stark betroffen.
Ãœberschüsse? – Welche Ãœberschüsse?
Viele europäische Staaten haben diese Probleme nicht. Scheinbar haben die den Klimawandel ernst genommen und im Emissionshandel Überschüsse erzielt. Damit ein realistisches Bild entsteht, müssten in Deutschland diese Defizite in den Haushalt eingestellt und idealerweise auch finanziert werden. Es steht zu befürchten, dass dies nicht geschieht und Deutschland langfristig bei der Bekämpfung des Klimawandels abgehängt wird. Die Bundesregierung hat in der Klimapolitik und im Emissionshandel in der Periode bis zum Jahre 2020 unzulänglich gearbeitet. Im Emissionshandel haben Länder wie Frankreich und Großbritannien Überschüsse erwirtschaftet, die sie nun in die nachfolgenden Perioden übertragen können, während Deutschland auf den Altlasten sitzen bleibt, von der schwarzen Null träumt, Steuererhöhungen im Spitzensteuersatz nicht toleriert und eine realistische Einstellung von mindestens 1,8 Mrd. Euro in den Bundeshaushalt unterbleibt.
Gewinne privatisieren – Verluste sozialisieren
In meinem Buch „Die Vergötterung der Märkte“ habe ich mich intensiv mit dem „Washingtoner Consensus“ auseinandergesetzt und eindringlich davor gewarnt, die Natur und das Klima über die sogenannten Marktinstrumente zu schützen. Ausgerechnet diese marktbasierten Instrumente haben den CO2 – Emissionshandel ermöglicht. Jahrelang hat man die selbst eingeführten Instrumente nicht ernstgenommen. Die Märkte wurden mit diesen Zertifikaten überschwemmt und der Wert der Verschmutzungsrechte sank auf Ramschniveau ab. Die Nachhaltigkeit wurde zur Witznummer und die Politiker haben kräftig nachgeholfen. Im Jahre 2007 schenkte die Regierung Merkel den Konzernen (z.B. Thyssen Krupp, HeidelbergCement, BASF, RWE) 90 Prozent der Zertifikate, lediglich 10 Prozent mussten sie selbst finanzieren. Die Konzerne konnten die Verschmutzungsrechte einpreisen, an die Verbraucher weitergeben und sich eine goldene Nase verdienen. Schätzungen gehen davon aus, dass die oben genannten Konzerne auf diesem Wege über 30 Milliarden Euro erhalten haben. Dieser sogenannte Verdienst ist leistungslos, weil sie dafür nichts unternehmen mussten. Jetzt ziehen die Preise für Verschmutzungsrechte an und es steht zu befürchten, dass, ähnlich wie in der Finanzkrise im Jahre 2007, die liberalisierten Märkte wieder nach staatlicher Hilfe und „Planwirtschaft“ schreien.
Der Staat ist gefordert
Die Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat einen ersten konstruktiven Vorschlag gemacht. Sie will die Ministerien per Gesetz zwingen die Klimaschutzverpflichtungen in die Haushalte der Ressorts einzustellen. Wenn ein Ministerium die europäischen Verpflichtungen hinsichtlich des Klimaschutzes verfehlt, muss dies, je nach dem Grad der Nichteinhaltung, in den Haushaltsplänen der verantwortlichen Bundesministerien veranschlagt werden. Recht so. Das wäre haushaltspolitisch der erste vernünftige Schritt. In der Koalition ist dieser Vorstoß sehr umstritten. Der CDU-Wirtschaftspolitiker Joachim Pfeiffer meint dazu: „Eine Klimaplanwirtschaft wird es mit CDU und CSU nicht geben.“ Somit bleibt die Hoffnung, dass neoliberale Ökonomen und Gegner von staatlichen Regelungen diesmal ihre Theorie ernst nehmen und verlustbringende Kohlekraftwerke abschalten, wenn der Zertifikatsmarkt dieses über den Preis der Verschmutzungsrechte einfordert. Daran glaubt natürlich kein Mensch, denn man will ja Gewinne erzielen, kaum Steuern zahlen und Subventionen einstreichen. Der Emissionshandel hat leider nicht dazu geführt, dass der Ausstoß von Treibhausgasen reduziert wird. Genau das Gegenteil ist eingetreten und die Märkte versagen wenn es um den Klimaschutz geht.
[1] Das CO2 – Emissionsbudget wurde im Kyoto Protokoll schriftlich fixiert.
[2] Die Preise für Emissionszertifikate im EU-Emissionshandel haben sich verdreifacht. Im Januar 2018 kostete eine Tonne CO2 noch circa 7,00 Euro, im September 2018 lag sie schon bei ungefähr 24,00 Euro.