Atomkraft – Greenwashing

29. Januar 2022

„Die Welt haben wir nicht nur gemeinsam mit denen, die mit uns leben, sondern auch mit denen, die vor uns waren, und denen, die nach uns kommen werden.“

(Hannah Arendt, Vita activa, S. 69)

Es sollte mit der europafreundlichen Ampel-Koalition so schön und klimafreundlich werden. Jetzt hält sich die Begeisterung für die europäische Klimapolitik in Grenzen, weil die EU-Kommission in Brüssel die Atomkraft und die Energieversorgung mit Erdgas als nachhaltige Energiequellen einstufen will. Dies war schon vor der Wahl zum Deutschen Bundestag klar. Die damalige Kanzlerin Angela Merkel warnte schon vor der Wahl, dass sich die Kernenergie als „grüne“ Energiequelle nicht verhindern lasse. Bereits im Herbst schmiedete Frankreich in der EU eine Nuklear-Allianz. Das „Atomkraft – Greenwashing“ ist bereits beschlossene Sache. Auch wenn noch kleine Änderungen zu erwarten sind, dass Grundgerüst steht.

Hauptproblem Endlager

Sowohl Atomkraftbefürworter als auch Atomkraftgegner können sich nicht vor dem Hauptproblem der Endlagerung drücken. In Deutschland wird sehr viel Atommüll überirdisch gelagert. Diese Fahrlässigkeit erklärt sich aus dem fehlenden Endlager. Vier Endlager wurden in Deutschland ausgewiesen, sie sind allesamt als Endlager nicht geeignet. Das Versuchsendlager Asse 2 in Niedersachsen ist ein Beispiel für den grob fahrlässigen Umgang mit Atommüll. Die Asse säuft ab und die Fachleute können den Aufwand für die Bergung der maroden Fässer nicht absehen. Morsleben ist schon 1998 stillgelegt worden. Auch Gorleben kommt nach den jüngsten Erkenntnissen als Endlager nicht infrage. In den 1970 er Jahren wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit beschlossen, den Salzstock in Gorleben als Endlager für hoch radioaktiven Atommüll zu nutzen. In der Folgezeit nahmen die naturwissenschaftlich-technischen Probleme stetig zu. Neben der Gasentwicklung im Endlager konnte auch der Nachweis über Langzeitsicherheiten nicht mehr erbracht werden. Somit ist auch Gorleben als Endlager gestorben. Der Schacht Konrad befindet sich in der Errichtungsphase. Voraussichtlich ist auch er nicht als Endlager geeignet. Also gibt es in Deutschland kein realistisches Endlager.

Aber in zehn Jahren soll er gefunden sein, der Ort, der die nächste Million Jahre den Atommüll sicher lagert. Dies erscheint unrealistisch, weil die Datenbasis fehlt. Die Problematik der geologischen Daten in Deutschland habe ich im Blog No Atomstrom in my Wohnhome am 23. Juni 2019 beschrieben.

Was bleibt?

Es gibt weltweit kein sicheres Endlager für den Atommüll. Deshalb sollte sich die EU erst mit dem Atomstrom als Energiequelle beschäftigen, wenn ein sicheres Endlager gefunden wurde. Dies wird aber vermutlich nicht geschehen. Die EU wird ihre fragwürdige Taxonomie  durchpeitschen, auch wenn viele Staaten damit unzufrieden sind. Letztendlich geht es in der Taxonomie darum, Investitionen in die Atomkraft zu kanalisieren. Dies wäre ein denkbar schlechtes Signal.

Atomkraft – CO2-neutral?

Außerdem ist auch die Nutzung der Kernenergie nicht klimafreundlich. Hierfür gibt es mehrere Gründe. Beispielsweise wird sich die CO2-Bilanz von Atomstrom rapide verschlechtern, weil der Uranabbau zunehmend geringere Urangehalte aufweist. Die Konsequenz ist eine ähnliche wie bei der Rohölförderung, denn der Abbau ist mit einem steigenden Energieaufwand verbunden, der wiederum nicht CO2-neutral ist. Auch werden bei der Verarbeitung von dem sehr knappen Gut Natururan große Mengen hochpotenter Gase freigesetzt. Schlussendlich wird die vermehrte Nutzung der Kernenergie das CO2-Problem nicht lösen. Wie verhält es sich mit Erdgas?

Die Lösung – Erdgas?

Kohle, Erdöl und Erdgas bestehen aus Kohlenstoff, der bei der Verbrennung CO2 freisetzt. Das Narrativ -Erdgas hat eine bessere CO2-Bilanz als Kohle – stimmt nicht, weil bei der Produktion von Erdgas sehr viel Methan entweicht.[1] Außerdem entweicht Methan auch beim Transport von Erdgas. Noch mehr Methan wird freigesetzt, wenn Erdgas durch Fracking gewonnen wird und zu LNG (liquefied Natural Gas) verflüssigt wird. Renommierte US-Forschungseinrichtungen haben bereits 2018 bestätigt, dass beim Fracking besonders viel Methan freigesetzt wird. Außerdem wird beim Fracking einer der meistgebrauchten Rohstoffe der Erde verbraucht, nämlich Sand, der ebenfalls knapp wird. Damit die USA Fracking betreiben können, benötigen sie weit über 50 Millionen Tonnen Sand jährlich und jede Menge Chemikalien, die ebenfalls in die Erde gepumpt werden.

Deutschland beabsichtigt in der Hafenstadt Brunsbüttel in Schleswig-Holstein einen LNG-Terminal zu bauen. Die German LNG Terminal GmbH ist ein deutsch-niederländisches Konsortium die die Anlandestation errichten will. Kritiker befürchten den sogenannten Lock-in-Effekt. Das bedeutet, dass Erdgas noch sehr viele Jahre verwendet wird, weil diese neue Infrastruktur kostenintensiv ist. Somit wird es viele Jahre dauern, bis sich diese Investition amortisiert hat. Wenn der Terminal in Betrieb genommen würde, geraten die Klimaziele unter Druck. Die Landesregierung in Schleswig-Holstein hat sich klar für den Ausbau des LNG Terminals entschieden. Weitere Terminals sollen folgen. Und dann ist da ja noch die diskussionswürdige Pipeline Nord Stream 2.

Resümee

Der Wirtschaftsminister Robert Habeck hat zwar die Atomkraft-Pläne der EU gerügt, er wird sich aber nicht zwischen die deutsch-französische Partnerschaft stellen. Auch der Bundeskanzler Olaf Scholz wird gegen die Atompolitik der EU protestieren. Er weiß aber heute schon sehr genau, dass er dafür keine Mehrheit in der EU bekommt. Die will er vermutlich auch nicht haben und er kann mit dem Vorwurf der Deutschen Umwelthilfe, die die Stellungnahme der Regierung als „halbherzig und widersprüchlich “ nannte, sehr gut leben. Es ist, wie so häufig, ein abgekartetes Spiel und Robert Habeck hat die fragwürdige Vorstellung, dass die Politik  aus Kompromissen besteht, kultiviert. Letztendlich wird es darauf hinauslaufen, dass Frankreich sein EU-Siegel für die Atomkraft bekommt. Deutschland wird im Gegenzug das klimaschädliche Erdgas weiter nutzen. Kompromisse sind aber selten gute Lösungen. Warum wird so viel über Energie geredet und die Energiesuffizienz totgeschwiegen? Gerade veränderte Nutzungsmuster in allen gesellschaftlichen Bereichen könnte den Energieverbrauch reduzieren, beispielsweise Tempo 130 auf Autobahnen. Es geht doch um die Schaffung von Gesellschaften, die mit wenig Energie gedeihen können. Energieintensive Gesellschaften werden tendenziell den CO2-Ausstoss erhöhen. Außerdem ist eine totale Elektrifizierung der Welt kein erstrebenswerter Zustand.

[1] Methan ist 28-mal klimaschädlicher als CO2.

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