Dieses Jahr habe ich meinen Sommerurlaub in der unfassbar schönen Natur Norwegens verbracht. Auch habe ich mir die Stadt Oslo angesehen und war von der Verkehrssituation begeistert, da Autos im Stadtgebiet kaum zu sehen waren.
Die Koalition aus der linken Arbeiterpartei, den Sozialisten und den Grünen hatte die Kommunalwahl am 14. September 2018 gewonnen und sie beschloss ein Maßnahmepaket, das den Ausstoß klimaschädlicher Gase in Oslo bis 2020 um 50 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 senken soll. Die Regierung will den Verbrauch von fossilen Brennstoffen reduzieren. Folgende Maßnahmen wurden getroffen: Neben dem Ausbau des Radwegenetzes wurde auch in Elektrofahrräder investiert, die man sich an jeder Straßenecke leihen kann. Der öffentliche Nahverkehr wurde erheblich ausgebaut und die Autos wurden sukzessive aus der Stadt verbannt. Ich habe in meinem Artikel „Die klimafreundliche Stadt“ am Beispiel Stockholm dargestellt, mit welchem Instrumentarium man die Autos aus der Stadt verweisen kann. Im Gegenzug wird in Oslo das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs systematisch verbessert und das Netz wird ausgebaut. Durch diese Maßnahmen hat Oslo nicht nur an Lebensqualität gewonnen, sondern es wurde auch sinnvoller Klimaschutz betrieben.
Zurück nach Deutschland
Im Rahmen der Bahnprivatisierung gründeten Gewerkschaften, Fahrgastverbände und die NGO´s von Attac im Jahre 2006 das Bündnis „Bahn für alle“. Leider konnte sich dieses Bündnis nicht durchsetzen und die Bahnprivatisierung wurde von der Regierung bevorzugt. Der Bund ist aber nach wie vor Alleineigentümer der Bahn und könnte verkehrspolitische Maßnahmen beschließen, die dem Kilmaschutz dienlich sind. Einige Maßnahmen habe ich bereits in einigen Blogs (z.B. Die Umsatzsteuer) beschrieben. Auch müssten die Investitionen verstärkt werden. Dies ist mit einer privatisierten Bahn aber kaum möglich, da Privatunternehmen nur Investitionen vornehmen, die den Gewinn maximieren. Dies hat zur Folge, dass nur lukrative Verbindungen angeboten werden und der Kahlschlag im Schienennetz eine Größenordnung erreicht, die besorgniserregend ist. „Insgesamt wurde das Schienennetz seit 1994 um 17 Prozent reduziert, was rund 5.400 Kilometern entspricht. Die Zahl der Weichen wurde zulasten eines möglichst flexiblen Bahnverkehrs nahezu halbiert. Im selben Zeitraum wurden mehr als vier Fünftel der 11.742 industriellen Gleisanschlüsse gekappt.“[1]
back to the furture
Wir waren verkehrspolitisch schon mal viel weiter. Die Koalition „Bahn für alle“ forderte einen Ausbau des Schienennetzes in Europa um 35.000 Kilometer. Dies ist insofern interessant, weil dies dem Stand von 1970 entspricht. Die vergangenen 50 Jahre waren dadurch geprägt, dem Auto- und Flugverkehr den Vorrang zu geben. Durch die neoliberale Wende wurde dann die Privatisierung vorangetrieben, mit der Konsequenz, dass unsinnige Großprojekte (z.B. Stuttgart 21) gefördert wurden, die zwar prestigeträchtig sind, aber ökonomisch und ökologisch katastrophale Folgen haben. Die Eisenbahn wurde jahrelang auf Verschleiß gefahren; dies verdeutlicht der Sonderbericht des Bundesrechnungshofes vom Dezember 2018 über die Bahn. In diesem Bericht wurde der beklagenswerte Zustand der Bahn auf unzureichende Ersatzinvestitionen zurückgeführt. Während andere Länder Erweiterungsinvestitionen durchführen, scheint es Deutschland nicht möglich, dass verschlissene und abgeschriebene Vermögen zu setzen. „Während Deutschland im vergangenen Jahr nur 77 Euro pro Kopf in das Schienennetz steckte, wandten Österreich und die Schweiz trotz moderner Infrastrukturnetze eine zwei- bis dreimal höhere Summe auf.“[2] Die Stadt (!) Oslo investiert im Zeitraum 2008-2027 im Rahmen des „Oslopakke 3“ 5,8 Milliarden Euro in den Ausbau der Metro und in den öffentlichen Verkehr.
Deutschland – das verkehrspolitische Trauerspiel
Wie sieht es nun in Deutschland aus? Das ressourcenschonende und klimafreundliche Verkehrsmittel Bahn wird sukzessive privatisiert und gewinnorientiert ausgerichtet und das Auto mordet  weiterhin die wachsenden Städte. Es wird nach wie vor in Autobahnen investiert, die Investitionen in den öffentlichen Verkehr sind bescheiden und unser Verkehrsminister Andreas Scheuer erkennt unzureichend, dass die Bahn klimafreundlich ist. Er könnte viel von den Norwegern lernen. Neben der hervorragenden Verkehrssituation in Oslo gibt es in Norwegen auch ein Tempolimit von 110 km/h auf Autobahnen und 70 km/h auf Landstraßen. Eine Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit ist sehr teuer, wird drastisch geahndet und ist sinnvollerweise einkommensabhängig. Aber unser Verkehrsminister steht nach wie vor der Autoindustrie sehr nahe, ist gegen ein Tempolimit und tut sich nicht als Befürworter einer klimafreundlichen und steuerfinanzierten Bürgerbahn hervor. In Deutschland wird lieber gerast bis der Arzt bzw. der Totengräber kommt, denn ein Tempolimit ist bekanntlich „gegen jeden Menschverstand“ (Andreas Scheuer). Merkwürdig nur, dass die Regierungen von über 190 Ländern der Erde demzufolge keinen Menschenverstand haben.
[1] Tim Engartner in der Wochzeitung der Freitag vom 01. August 2019, Seite 4.
[2] Tim Engartner in der Wochzeitung der Freitag vom 01. August 2019, Seite 4.