Soll die Lufthansa gerettet werden?

09. Mai 2020

„Bei 100 Tonnen Abfluggewicht etwa brauchen Sie 100 Tonnen Batterien. Da gibt´s noch nicht mal ansatzweise eine Idee, wie man das machen kann.“

(Peter Kameritsch, Finanzchef des Triebwerkbauers MTU, sieht keine Chance für einen Elektroantrieb für Passagierflugzeuge)

  

Die Lufthansa hat einen ersten Zwischenstand zu den Rettungsverhandlungen mit der Bundesregierung publiziert. Gemäß einer Pflichtmitteilung an die Börse vom Donnerstag umfasst das Rettungspaket ein Volumen von neun Milliarden Euro. Es geht sowohl um einen Kredit in ungenannter Höhe als auch um eine Beteiligung des bundeseigenen Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Darüber hinaus beansprucht der Staat auch Sitz und Stimme im Aufsichtsrat. Dies sieht die Luftfahrtindustrie anders, sie möchte eine bedingungslose Rettung durch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, obwohl kürzlich bekannt wurde, dass die Lufthansa auch das Steuerparadies und das Schattenfinanzzentrum der Caymen-Inseln nutzt, um sich vor den Steuerzahlungen in Deutschland zu drücken. Dies wird auch durch eine kürzlich veröffentlichte Kurzstudie des Teams Finanzwende bestätigt. Also müsste der Staat mindestens zwei Bedingungen setzen. Erstens sind die Bücher weltweit zu prüfen und gegebenenfalls muss nachversteuert werden. Falls Steuerverkürzungen oder gar Steuerhinterziehungen aufgedeckt werden, sind die Verantwortlichen zur Rechenschaft heranzuziehen.  Außerdem sind Dividendenausschüttungen oder Bonuszahlungen zu stoppen und Beschäftigte der Lufthansa sind zu schützen. Zweitens müsste ein tragfähiges Konzept für den Klimaschutz vorgelegt werden.

Der Klimakiller

Der Flugverkehr trägt erheblich zur globalen Erwärmung bei. Deshalb stellt sich die Frage, ob jetzt nicht die Zeit gekommen ist über eine grundsätzliche Umstrukturierung der Lufthansa nachzudenken. Während viele deutsche Touristen wieder anfangen von der Sonne und dem Urlaub in fernen Ländern zu träumen, werden immer neue Erkenntnisse zum Klimawandel veröffentlicht. Wie ich an anderer Stelle schon mehrfach ausgeführt habe, ist die CO2 – Konzentration gegenwärtig auf einem Rekordhoch (415 ppm). Die amerikanische National Ocean and Athmospheric Administration führt in einer Studie aus, dass die Ausdehnung des Antarktischen und Arktischen Meereseis sich zeitgleich auf einem Rekordtief befindet. Bedingt durch den Temperaturanstieg und einem Anstieg des Meeresspiegels sind Szenarien möglich, die sich nicht mehr umkehren lassen. Solche Kipp-Punkte setzen Transformationsprozesse, beispielsweise die Umwandlung von Kohlenstoffspeicher in Kohlenstoffquellen, in Gang.

Diese erschreckenden Nachrichten werden wegen der Corona-Krise kaum wahrgenommen. Viele Menschen beschäftigen sich momentan sogar mit der Urlaubsplanung. In der Vergangenheit verreisten vierzig Prozent der Deutschen mit dem Flugzeug. Im Flugbetrieb boomen die Billigflieger und Kreuzfahrten werden immer günstiger. Die Mobilitätsindustrie ist der einzige Sektor, der in den vergangenen Jahren nichts zu den Emissionsminderungen beigetragen hat. Der CO2-Ausstoß wird im Verkehrssektor, nach einer unbestimmten Phase der Corona-Stagnation, vermutlich wieder zunehmen. Der internationale Tourismus ist für satte 8 Prozent der weltweiten CO2 – Emissionen verantwortlich. Deutschland trägt als Reiseland mit jährlich 329 Megatonnen zu dem Kohldioxid – Ausstoß bei. Nur die Länder China und die USA verursachen eine höhere Emission. Aus diesen Gründen sollte sehr genau überlegt werden, wie die öffentliche Hilfe der Lufthansa aussehen sollte.

„Öffentliche Unterstützung der Luftfahrtindustrie muss klar an die Ausrichtung am 1,5-Grad-Ziel gekoppelt sein. Die Emissionsreduktion muss dabei real sein: Zweifelhafte Rechnungen im Rahmen von Kompensation (Offsetting) oder Agrartreibstoffe, die der Umwelt und Ernährungssicherheit schaden und zu Landkonflikten führen, sind keine Option. „Grünes Fliegen“ ist und bleibt eine Illusion – es führt daher kein Weg an einer Verringerung von Flügen vorbei. Für eine gerechte Erholung von der Coronakrise braucht es demokratische Entscheidungsmechanismen und öffentliches Eigentum. Regierungen müssen dabei einen gerechten Strukturwandel vorantreiben: durch den Umbau der Verkehrsnetze, verbesserten Zugang zu erschwinglichen Alternativen (wie Bahnreisen) und Maßnahmen, die den Beschäftigten den Wechsel von fossilen Arbeitsplätzen hin zu klimafreundlichen Alternativen mit fairen Arbeitsbedingungen ermöglichen.“[1]

Gerade Fluggesellschaften nutzen das betriebswirtschaftliche Gesetz der Massenproduktion schamlos aus, um die Kosten zu drücken und billige Flugangebote machen zu können. Hierbei wird aber häufig übersehen, dass ein Massenflugbetrieb auch eine massive Erhöhung der CO2-Emission bedeutet. Wenn der Flugverkehr in den letzten vierzig Jahren um knapp vierhundert Prozent gestiegen ist, dann hat sich der CO2– Ausstoß auch um circa vierhundert Prozent erhöht. Technische Neuerungen und Innovationen trugen möglicherweise dazu bei, dass die Steigerung nicht ganz so hoch ausfällt. Die Bundesregierung ist also gut beraten, die Verhandlungen mit der Lufthansa unter Berücksichtigung des Klimawandels zu führen.

Die Corona-Krise hat aber auch gezeigt, dass es möglich ist, klimaneutral zu verreisen. Im Inland kann zu Fuß oder mit dem Fahrrad gereist werden. Das Ausland lässt sich auch mit der Bahn besuchen. Je weiter es in die Ferne geht, desto größer ist der klimatische Fußabdruck.

 [1] Dieses Zitat stammt aus einem offenen Brief, der von sehr vielen nationalen und internationalen Wissenschaftlern unterschrieben wurde. Siehe: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/savepeoplenotplanes

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