Die Mietpreisbremse bremst nicht

15. Dezember 2024

Der Markt regelt alles – Nein – Der Markt muss geregelt werden!

Die Mietpreisbremse

Die Mietpreisbremse soll verhindern, dass die Mieten von Wohnungen über ein gewisses Maß hinaus ansteigen. Über die Umsetzung der Mietpreisbremse entscheiden die Bundesländer in eigener Verantwortung.

Am 1.6.2015 ist das Gesetz zur Mietpreisbremse bei der Neu- oder Wiedervermietung von Wohnungen in Kraft getreten. Es sieht vor, dass die Miete beim Abschluss eines Mietvertrags maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Da wären wir schon bei einem ersten Problembereich, denn für Neubauten und umfassend sanierte Wohnungen gilt die Mietpreisbremse ausdrücklich nicht.

Für welche Gebiete eine solche Mietpreisbremse gelten soll, können die Bundesländer für fünf Jahre per Rechtsverordnung festlegen. Viele Länder haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und Gebiete definiert, die der Mietpreisbremse unterworfen sind. In mehreren Bundesländern haben Gerichte allerdings die Auffassung vertreten, dass die jeweils erlassenen Rechtsverordnungen wegen formeller Fehler unwirksam sind.

Die jeweilige Landesregierung muss in einer Rechtsverordnung begründen, warum das entsprechende Gebiet einen angespannten Wohnungsmarkt besitzt und deshalb eine Mietpreisbremse für diese Gemeinde erforderlich ist. Im § 556d Abs.2 BGB werden verschiedene Kriterien dafür definiert. Ein Kriterium ist beispielsweise, wenn die Mieten in der Gemeinde deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt. Somit ergibt sich ein zweiter Problembereich. Wenn die Mieten im gesamten Bundesgebiet gleichmäßig steigen, erhöht sich auch der bundesweite Durchschnitt und das genannte Kriterium läuft ins Leere – die angespannte Wohnungslage wird obsolet.    

Davon ausgehend, dass eine angespannte Wohnungslage attestiert wird, ergibt sich nun ein dritter Problembereich, denn erschreckend viele Vermieter ignorieren einfach die gesetzlichen Bestimmungen der Mietpreisbremse. Dies liegt möglicherweise am Charakter der Rechtsverordnungen der Länder. Eindeutige Gesetze sind zielführender. Außerdem gilt grundsätzlich: »Wo kein Kläger, da kein Richter.« Der Berliner Mieterverein bilanzierte schon im Einführungsjahr 2015, dass „die Mietpreisbremse nicht greift.“ Obwohl der Berliner Mieterverein mit mehr als 190.000 Mitgliedern die Einführung der Mietpreisbremse mit initiiert hat, wird die Bremse wegen der vielen Schlupflöcher als nutzlos vom Verein kritisiert.

Zusammenfassung: Warum läuft die Mietreisbremse ins Leere

Ausgehend vom ersten Problembereich können drei unterschiedliche Szenarien auftreten, bei denen der Vermieter sich nicht an die Mietpreisbremse halten muss. Dass viele Vermieter die Mietpreisbremse einfach ignorieren, kommt noch erschwerend hinzu.

  1. Szenario: Die Wohnung liegt bereits über der ortsüblichen Vergleichsmiete. Wenn der Vormieter bereits deutlich mehr für die Wohnung bezahlt hat, als andere Mieter in der Umgebung, muss auch der neue Mieter den überhöhten Mietpreis akzeptieren. Der Vermieter kann sich in diesem Fall auf den Bestandsschutz berufen. Das bedeutet, dass er bei einer erneuten Weitervermietung seiner Wohnung die Miete nicht senken muss, um sie an die Vergleichsmiete anzupassen. Im Gegenteil. Wenn die Wohnung bereits teurer war, darf sie das auch bleiben. Die Mietpreisbremse greift nicht. 
  2. Szenario: Die Wohnung ist ein Neubau. Nach Oktober 2014 fertig gestellte Wohnungen fallen ebenfalls nicht unter die Mietpreisbremse. So möchte die Regierung vorsorgen, dass aufgrund des neuen Gesetzes nicht weniger Wohnungen gebaut werden. Ob diese Argumentation zielführend ist, lässt sich nicht verifizieren. 
  3. Szenario: In der Wohnung wurden umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt. Dann muss der Vermieter die Mietpreisbremse ebenfalls nicht einhalten.

Die Wohnungssituation im internationalen Vergleich

Deutschland ist das Mieterland Nummer 1 in der EU. Ãœber die Hälfte der Bevölkerung (52,4 %) lebte hierzulande im Jahr 2023 zur Miete. Das war der höchste Wert in der EU. Deutlich niedriger lagen die Anteile zum Beispiel in Frankreich (36,9 %), Spanien (24,7 %) oder Polen (12,7 %). Den niedrigsten Anteil in der EU verzeichnete Rumänien. Dort lebten nur 4,4 % der Bevölkerung zur Miete. Aus diesem Befund kommt dem deutschen Wohnungsmarkt eine besondere Bedeutung zu. Außerdem steigen die Wohnungskosten in Deutschland und immer mehr Haushalte müssen ihr verfügbares Einkommen für die Wohnung aufwenden. In Zahlen ausgedrückt: 13,0 % der Bevölkerung in Deutschland lebten im Jahr 2023 in Haushalten, die durch Wohn­kosten überbelastet waren, das heißt, sie mussten mehr als 40 % ihres verfügbaren Einkommens für Wohnen ausgeben. Deutschland (13%) lag damit über dem EU-Durchschnitt von 8,8 %.

Kann der Markt es richten?

In einer funktionierenden Marktwirtschaft „pendeln“ sich Angebot und Nachfrage ein und es entsteht ein Gleichgewichtspreis. Dieser Sachverhalt lässt nicht so einfach auf den Wohnungsmarkt übertragen. Eine Wohnung bzw. ein Haus ist ein langlebiges Gebrauchsgut, demzufolge braucht es eine gewisse Zeit, neue Angebote zu erstellen. Daraus leiten sich dann zwangsläufig Ungleichgewichte auf dem Wohnungsmarkt ab. Diese volkswirtschaftlichen time lags führen dazu, dass die Ausweitung des Wohnungsangebots erst viele Jahre später erfolgt. Demzufolge ist die Angebotsfunktion relativ „starr“ und die Nachfrage wächst stark. Dieses volkswirtschaftliche Ungleichgewicht kann sich nur langfristig ausgleichen, sodass die Knappheit auf dem Wohnungsmarkt zu gesellschaftlichen Verwerfungen und sozialen Spannungen führt. Außerdem sind in der deutschen Volkswirtschaft die Miet- und Kaufpreise für Häuser bzw. Wohnungen stärker gestiegen als die Einkommen. Dies gilt vor allem für die Ballungsräume. Neben privatisierten Wohnungskonzernen tummeln sich auf dem Markt internationale Fonds und Investmentfirmen, die ihre Renditen maximieren wollen.

Der Wohnungsmarkt ermittelt aus den oben genannten Kriterien einen Marktpreis, der viel zu hoch ist und somit nicht mehr sozialverträglich ist. Auch wenn markthörige und neoliberale Politiker es anders sehen, in dieser volkswirtschaftlichen Wohnungsbaulage kann der Markt dieses Problem nicht lösen. Also ist der Staat aufgefordert, die sozialen Gesichtspunkte des Wohnungsmarktes zu untersuchen und gegebenenfalls korrigierend einzugreifen. Dies kann beispielsweise durch den vermehrten Bau von Sozialwohnungen geschehen. Da der Markt die Ungleichgewichte scheinbar nicht ausgleichen kann, könnte der Staat, also auch die Gemeinden und Kommunen, die Bautätigkeit übernehmen.

Nach dem Ampel-Aus droht leider auch das Aus der Mietpreisbremse. Sicherlich ist es gut eine Mietpreisbremse zu haben, die Wirkung dieses Instruments darf aber bezweifelt werden. Die Mietpreisbremse führt nur zu Rechtsverordnungen, die auch Interpretationsspielräume und Schlupflöcher zulassen. Sie kann deshalb nicht die gleiche Wirkung erzielen wie ein Gesetz. Eine durchgreifende Reform des Mietrechts (§ 535 bis § 577 BGB) und eine Änderung der Sittenwidrigkeit von überhöhten Mieten wären möglicherweise zielführender als eine Mietpreisbremse, die viele Ausnahmen gestattet und deshalb kaum bremst. Beispielsweise könnte man den Tatbestand des Mietwuchers gesetzlich ändern. Gegenwärtig liegt Mietwucher vor, wenn die vereinbarte Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 50% übersteigt. Diese Zahl könnte beispielsweise auf 20% abgesenkt werden, dann hätten die Mieter einen justiziablen Wert, um erfolgreiche Klagen zu führen. Zusätzlich muss der Straftatbestand des Mietwuchers entsprechend geahndet und bestraft werden.  

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