»Unsichtbar wird die Dummheit, wenn sie genügend große Ausmaße angenommen hat.« (Bertold Brecht)
Das Verbrennen fossiler Stoffe erhöht die Entropie auf Erden, während der Energievorrat der Sonne unerschöpflich ist. Deshalb erfordert die Klimakatastrophe ein neues und anderes Denken, dass den »fossilistischen Kapitalismus« (Elmar Altvater) hinter sich lässt und eine konsequente Dekarbonisierung, eingebettet in einer Kreislaufwirtschaft, in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt. Es reicht nicht aus, in neue Technologien zu investieren, es muss eine radikale Transformations-Agenda erfolgen. Ein erster Schritt wäre der sofortige Stopp der Subventionierung fossiler Brennstoffe. Diese Subventionen werden, laut eines Papiers des Internationalen Währungsfonds (IWF) aus dem Jahr 2018, auf etwa 600 Milliarden US-Dollar jährlich geschätzt. Dies war aber eine sehr vorsichtige Schätzung, denn die Finanzminister der Welt kamen auf der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank im Jahre 2019 auf einen wesentlich höheren Betrag. Diese Schätzung wurde im Jahr 2022 nochmals korrigiert. Zitat aus dem IWF-Bericht: »Die Subventionen für fossile Brennstoffe lagen im Jahr 2022 bei sieben Billionen Dollar oder 7,1 Prozent des (Welt-)Bruttoinlandsprodukts.« Die Hauptverursacher des Klimawandels kassieren also Subventionen mit steigender Tendenz, um den Klimawandel zu beschleunigen – ein Skandal ohnegleichen. Ob die Subventionierung mit einer Bundeswirtschaftsministerin und Lobbyistin der fossilen Industrie, Katherina Reiche, gestoppt werden kann, darf bezweifelt werden.
Damit aber nicht genug. Der Gewinn der fünf größten Erdölproduzenten der Welt, die Unternehmen ExxonMobil (USA), Shell (Großbritannien, früher Niederlande), Chevron (USA), Total (Frankreich) und BP (Großbritannien) betrug im Jahr 2022 zusammen 200 Milliarden Dollar. Es handelt sich hier um den Gewinn und nicht um den Umsatz. Diese atemberaubenden Gewinne ergeben sich seit vielen Jahrzehnten ausschließlich, weil fossile Brennstoffe aus der Natur entnommen und verkauft werden. Die Profiteure des Klimawandels werden nicht nur reicher und mächtiger, zusätzlich werden noch Unmengen an Steuergeldern, in Form von Subventionen, abgegriffen.
Verschleiern, Verschleiern, Verschleiern
Hinzukommt, dass über viele Jahrzehnte von den Unternehmen der fossilen Branche Kampagnen finanziert wurden, um die Tatsachen zum Klimawandel zu verschleiern. Desinformationen wurden verbreitet und erfolgreiche Verzögerungsstrategien etabliert. Mittlerweile wird der Klimawandel zwar als Problem erkannt, aber es bestehen erhebliche Zweifel an den Gegenmaßnahmen. Jede Maßnahme wird von den Unternehmen der fossilen Branche und von sehr vielen Politikern torpediert und mit der Reduzierung des Wohlstandes begründet.
»Die wichtigste wissenschaftliche Publikation zum Verständnis dieser mit strategischer Desinformation geführten politischen Debatte über Klimapolitik ist 2020 im Fachjournal „Global Sustainability“ erschienen. Die Publikation, an deren auch Autorinnen und Autoren aus Deutschland beteiligt sind, zerlegt die Verzögerungsdiskurse in vier Kategorien:
1. „Es ist nicht möglich, die Folgen des Klimawandels abzumildern: Kapitulation.“
2. „Andere sollen zuerst etwas unternehmen: Abwälzen von Verantwortung.“
3. „Disruptiver Wandel ist unnötig: Forcieren nicht transformativer Lösungen.“
4. „Die Veränderungen werden tiefgreifend sein: Hervorheben der Kehrseiten.“
In der Debatte des Jahres 2023 rund um das Klima und die Energiepolitik waren fast alle in dem Fachartikel beschriebenen Strategien zu beobachten.«[1]
Mangels eigener zielführender Maßnahmen nutzen insbesondere die konservativen und rechtsgerichteten Parteien die strategische Desinformation. Besonders beliebt ist die zweifelhafte Behauptung, dass Deutschland nur für zwei Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich sei (»Abwälzen von Verantwortung«). Vergessen wird dabei, dass in Deutschland (83,3 Mill. Einwohner) aber nur ein Prozent der Weltbevölkerung (8,16 Mrd. Bewohner) ansässig sind. Die Behauptung ist deshalb zweifelhaft, weil ein einziges deutsches Unternehmen erheblich zur weltweiten CO2-Emission beiträgt, nämlich RWE. »Denn der deutsche Konzern ist einer der größten Produzenten von Treibhausgasen weltweit, insgesamt ist er für 0,47 Prozent jener Treibhausgase verantwortlich, die die Menschheit bislang zusätzlich in die Atmosphäre ausgestoßen hat.«[2] Wenn nun die aufsummierten CO2-Emissionen seit dem Jahr 1850 betrachtet werden, liegt Deutschland auf Platz 6 der weltweiten Klimasünder. Nur die USA, China, Russland, Brasilien und Indonesien weisen eine schlechtere CO2-Bilanz aus. Diese Länder sind aber auch weitaus größer und bevölkerungsreicher als Deutschland.
Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2021 das Argument, dass andere zuerst etwas unternehmen sollen, zunichtegemacht. Das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass es vollkommen egal sei, wie groß der Emissionsbeitrag Deutschlands ist. Die Bundesregierung muss ihrer gesetzlichen Pflicht zum Klimaschutz nachkommen. Politische Argumente und ökonomische Erwägungen können keine Rechtspflicht umgehen. Da zeigt sich, dass die juristische Logik nicht der Verwertungslogik unseres kapitalistischen Systems unterliegt und auch nicht der Praxis des aktuellen Bundesvetternwirtschaftsministeriums.
[1] Christian Stöcker, Einlullen, verschleiern, Zweifel säen, Wie die Fossillobby unsere Zukunft gefährdet, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 7`24, Berlin, 2024, S. 82.
[2] Nick Reimer, Er will an die Kohle von RWE, in: der Freitag, Nr. 12 vom 20. März 2025, S. 2.