Exponentielles vs. lineares Wachstum

26. Mai 2020

„Ein ehrlicher und gewissenhafter Mensch ist im Ölsektor so selten, dass man ihn ins Museum stellen müsste.“

(US-Innenminister Harold Ickes, 1936)

Die CO2-Konzentration liegt gegenwärtig bei 415 ppm. Dieser hohe Wert wurde in den letzten 800.000 Jahren noch nie erreicht und er wird auch nicht sinken. Wenn Kohlenstoff, beispielsweise in Form von Benzin, verbrannt wird, verbindet es sich mit Sauerstoff und es entsteht CO2. Das Kohlendioxid wird dann in den Weltmeeren, in den Wäldern und Pflanzen oder auch in der Atmosphäre gebunden. Es wird also, selbst durch eine Corona-Krise, nicht weniger, sondern bleibt bestenfalls konstant. Natürlich nur unter der Voraussetzung, dass die Menschheit darauf verzichtet, Kohlenstoff zu verbrennen. Die Flugbetriebe nehmen aber ihre Tätigkeit langsam wieder auf und die CO2-Steigerungsrate nimmt ebenfalls wieder Fahrt auf. Nach Aussagen der Klimaforscher wird es für die Biosphäre, und hier vor allem für die Menschheit, kritisch, wenn wir den Wert von circa 440 ppm erreichen würden. Dann wird die 2-Grad-Zielmarke der Pariser-Klimakonferenz aus dem Jahre 2015 gerissen und wir werden unsere gewohnte Erde, das Wetter und die Natur nicht mehr wiedererkennen. Auch wenn CO2 in geringer Dosierung ungiftig ist und dem Menschen nicht unmittelbar schadet, wird die Zunahme des atmosphärischen Kohlendioxids für die Menschheit zum größten Problem aller Zeiten, weil das gesamte Ökosystem instabil wird.

flatten the two curves – Klimawandel und Virusausbreitung

Einige Klimaforscher unterstellen ein exponentielles Wachstum der CO2-Konzentration, andere gehen von einem linearen Wachstum aus. Welche Sichtweise zutrifft, ist für den Klimawandel unerheblich. Im Gegensatz dazu, ist dies bei der Virenausbreitung nicht zu vernachlässigen. Bei ungehemmter Virenausbreitung kommt es zwangsläufig zu einem exponentiellen Wachstum, deshalb ist ein „flatten-the-curve“ alternativlos. Beim Klimawandel ist aber ein „flatten-the-curve“ nicht möglich. Beim Corona-Virus konnte man, durch entsprechende Verhaltensweisen, die Kurve abflachen und gewissermaßen „zurückdrehen“. Das ist beim Klimawandel nicht umsetzbar, auch wenn, ein von mir sehr geschätzter Ökonomie-Professor, anderes behaupten. Der renommierte Volkswirt Rudolf Hickel schreibt: „In Anspielung auf den medizinischen Appell zur Senkung der Infektionskurve gilt es jetzt, eine doppelte Aufgabe zu bewältigen: Flatten the two Curves – der Anstieg der Infiziertenzahl muss ebenso abgebremst werden wie die Erderwärmung!“[i] Rudolf Hickel hat natürlich recht und ich teile diese Sichtweise. Es ist aber illusorisch, dass ein „flatten-the-curve“ beim Klimawandel möglich ist. Dieser Prozess lässt sich nicht umkehren, auch wenn die „Möchtegern-Klimaklempner“ (Naomi Klein) in ihren Laboren anderes behaupten. Hier führen Verhaltensänderungen lediglich dazu, dass weniger CO2 in die Atmosphäre gelangt. Durch einen kompletten Verzicht auf CO2-Emissionen kann man die Kurve bestenfalls konstant halten. Wenn wir Benzin und ähnliches verbrennen, dann entlassen wir CO2 aus unseren Auspuffrohren und dieses Gas bleibt dann auch unwiederbringlich in der Natur, es verschwindet nicht mehr – nie mehr. Es ist kein Virus, denn man bekämpfen und ausrotten kann.

Um im Bild zu bleiben – natürlich gibt es beim Klimawandel keinen Impfstoff und es wird nie einen geben. Auch Medikamente können nicht verabreicht werden. Kohlendioxid ist ein ubiquitäres Gas, es verteilt sich gleichmäßig über den gesamten Erdball. Es gibt nur eine Möglichkeit den Klimawandel zu bekämpfen: der Kohlenstoff muss dableiben, wo er ist – in der Erde.

Keine Verhandlungssache

Sowohl in der Corona-Krise als auch beim Klimawandel gibt es keinen Verhandlungsspielraum. Der Virologe Christian Drosten sagte am 05.05.2020 in der Süddeutschen Zeitung: „Ich mache mir wirklich Sorgen, wenn ich Vertreter der Wirtschaft höre, die praktisch sagen, von dieser Lockerung weichen wir jetzt keinen Millimeter zurück. Als wäre das Verhandlungssache.“ Diese Aussage ist auch auf den Klimawandel übertragbar. Vertreter der Wirtschaft sind häufig der Auffassung, dass der Klimawandel ebenfalls verhandelt werden kann. Die CO2-Konzentration ist wissenschaftlich ermittelt worden und sie ist eine unbestreitbare und unverhandelbare Tatsache. Die ständige Zunahme der CO2-Konzentrationen wird uns weltweit gesundheitlich wesentlich stärker bedrohen als irgendein Virus. Die Corona-Epidemie werden wir aller Wahrscheinlichkeit in den Griff bekommen, die Klimakatastrophe wird hingegen unsere Vorstellungskraft übersteigen. Deshalb läuft die Zeit des Verhandelns ab und wir müssen nun durchgreifend Handeln.

[i] Rudolf Hickel, Flatten the Curves: Corona und die Klimakrise, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Berlin, 05/20, 2020, S. 23

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