„Worüber soll man sich Gedanken machen:
– wenn das Eis der Arktis schmilzt, so ist New York unter Wasser, desgleichen Europa, ausgenommen die Alpen.
-Katastrophen kennt allein der Mensch, sofern er sie überlebt; die Natur kennt keine Katastrophen.“ (Max Frisch, 1981)[1]
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Die Studie „Proceedings oft he National Academy of Sciences“[2] vom 01.08.2022 forderte in der Fachzeitschrift PNAS, dass in der Klimaforschung endlich Worst-Case-Szenarien Berücksichtigung finden müssen. Die Forscher fanden heraus, dass solche Szenarien kaum bekannt sind. Sie kamen zu dem Schluss, dass der Klimawandel zum weltweit gesellschaftlichen Zusammenbruch oder sogar zum Aussterben der Menschheit führen kann. Ist diese Thematik tatsächlich untererforscht?
Ein kurzer Blick in die Geschichte[3]
Der Anstieg der CO2 -Emission konnte bereits im Jahre 1958 durch den amerikanischen Klimaforscher Charles David Keeling (1928-2005) nachgewiesen werden. Der Forscher führte präzise Messungen durch und konnte beweisen, dass die CO2 -Konzentration seit der Industrialisierung um 1,5 parts per million (ppm) pro Jahr kontinuierlich zunimmt. Schätzungen gehen davon aus, dass die Erdbevölkerung jeden Tag mindestens 65 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre verbringt; der Planet kann diese große Menge nicht absorbieren.
Das Klima ist über einen unvorstellbar langen Zeitraum stabil geblieben. Auch wenn die Erde während der letzten 740.000 Jahre acht Eiszeiten und acht wärmere Perioden erlebt hat, blieb die CO2-Konzentration in der Atmosphäre stabil unter 300 ppm. Unstrittig ist, dass die CO2 -Konzentration im Jahre 1860 circa 293 ppm (parts per million; in einer Million Liter Luftgemisch befinden sich 293 Liter CO2) betrug. Als Dennis Meadows seine Studie „Die Grenzen des Wachstums“ im Jahr 1972 veröffentlichte, betrug sie circa 315 ppm. Das war besorgniserregend. Er sagte eine CO2-Konzentration i.H.v. 380 ppm zur Jahrtausendwende voraus. Damit lag er richtig. Heute beträgt sie knapp 420 ppm und die ökologischen Folgen werden immer stärker sichtbar.[4] Meadows schrieb: »Gegenwärtig steigt er (der Wert, Anmerkung U.K.) um etwa 1,5 ppm. Berechnungen, die den CO2 -Austausch zwischen Atmosphäre, Biosphäre und den Ozeanen berücksichtigen, lassen im Jahr 2000 einen Gehalt von 380 ppm erwarten, dreißig Prozent mehr als 1860. Das zusätzliche Kohlendioxid stammt in erster Linie aus den Verbrennungsprozessen mit natürlichen Brennstoffen.«[5]
Zurück in die Gegenwart
Über die CO2-Konzentration und dem damit zusammenhängenden Austausch zwischen Atmosphäre, Biosphäre und den Ozeanen wird wenig berichtet. Der mediale Schwerpunkt liegt eher beim Wetter oder bei den Waldbränden und die damit zusammenhängenden Dürren. Man möchte keine Panikmache betreiben und weiterhin behaupten, dass es fünf vor zwölf ist und das individuelle Verhaltensänderungen die Klimakatastrophe noch aufhalten können. Rückkopplungen, die beispielsweise durch den Rückgang des gebundenen Kohlenstoffverlustes durch Dürren und Brände im Amazonasgebiet entstehen, werden im gängigen Klimamodellen nicht berücksichtigt. Deshalb könnte die CO2-Konzentration abrupt ansteigen, wenn bestimmte Kipppunkte erreicht werden. Da der Klimawandel häufig aus der Sicht des Wetters diskutiert wird, entsteht der Eindruck, dass noch ausreichend Zeit vorhanden ist. Was aber, wenn es tatsächlich zu spät ist?
Die PNAS-Studie vom 01.08.2022 wurde unter anderem von einigen der renommiertesten Klimaforscher der Welt begleitet, beispielsweise von Johan Rockström (Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung) und Hans Joachim Schellnhuber (sein institutioneller Vorgänger). Die Analyse wird treffenderweise als „Climate Endgame“ bezeichnet und geht von einer Zunahme der durchschnittlichen Erdtemperatur aus. „Nur damit Sie mal eine Vorstellung bekommen: Temperaturen von mehr als zwei Grad über den vorindustriellen Werten herrschten auf der Erdoberfläche seit dem Pleistozän nicht mehr – das ist mehr als 2,6 Millionen Jahre her.“[6]
Im Rahmen des Klimawandels werden sogenannten „Kipp-Kaskaden“ immer wahrscheinlicher. Diese führen von einer Katastrophe direkt in die nächste Katastrophe. „Zum Beispiel könnte die häufigste Wolkengattung in Mitteleuropa, Stratocumulus, bei CO₂-Konzentrationen, die bis zum Ende des Jahrhunderts möglicherweise erreicht werden, abrupt verschwinden. Das würde eine zusätzliche globale Erwärmung von ungefähr acht Grad (!) verursachen.“[7] Damit wäre ein menschliches Leben, wie wir es kennen, auf der Erde nicht mehr möglich. Die PNSA-Studie führt dazu aus, dass bis zum Ende des Jahrhunderts wahrscheinlich die Schwellen überschritten werden, die frühere Massensterben ausgelöst haben. Dies ist besonders alarmierend, da menschliche Gesellschaften lokal an eine bestimmte klimatische Nische angepasst sind.[8] Auch wenn Elon Musk es anders sieht, ein Leben auf dem Mond ist für die Menschheit nicht möglich. Deshalb sollten die finanziellen Mittel, die für die Raumfahrt verschwendet werden, besser für die Bekämpfung des Klimawandels eingesetzt werden.
[1] Max Frisch, Der Mensch erscheint im Holozän, Frankfurt am Main, 1981, S. 103
[2] https://www.pnas.org/doi/full/10.1073/pnas.2108146119
[3] Vgl. Udo Köpke, Die Vergötterung der Märkte, Marburg, 2018, S. 151 ff.
[4] Zumal diese hohe CO2-Konzentration das letzte Mal vor einigen Millionen Jahren erreicht wurde.
[5] Dennis Meadows, Die Grenzen des Wachstums, Hamburg, 1973, S. 60
[6] Svenja Beller, Endspiel um das Klima, in: der Freitag, Nr. 33, vom 18.08.2022, S. 13
[7] Svenja Beller, Endspiel um das Klima, in: der Freitag, Nr. 33, vom 18.08.2022, S. 13
[8] Vgl. https://www.pnas.org/doi/full/10.1073/pnas.2108146119