Das Klima, die Flüchtlinge und die Klimaflüchtlinge (2.)

27. Juli 2018

Flüchtlinge

Die im 1. Teil  beschriebene gefühlte Verantwortungslosigkeit für die Klimaproblematik ist auch in der Flüchtlingsfrage zu beobachten. Die Anzahl der Asylanträge ist in Deutschland im Jahr 2017 auf 222.683 Anträge gesunken. Im Jahr 2016 bezifferten sich die Anträge auf 745.545.[2] Flüchtlinge werden kaum noch wahrgenommen. Viele Bürger sind der Auffassung, dass das Problem gelöst sei. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Die EU hat für die Bekämpfung der Fluchtursachen keinesfalls zielführende Veränderungen vorgenommen. Die einzige Maßnahme, die ergriffen wurde, war die Unterbrechung der Migrations- und Fluchtrouten. Die Abschottungspolitik der EU-Mitgliedstaaten führte zu einer Zusammenarbeit mit Diktaturen und repressiven Regierungen. Die Länder Tschad, Sudan, Eritrea und Äthiopien wurden in die EU-Abschottungspolitik eingebunden. Auch die libysche Küstenwache schickt sehr häufig die überladenen Flüchtlingsboote zurück. Solch eine Abschottungspolitik ist nicht kompatibel mit der Genfer Flüchtlingskonvention. Dort heißt es im Artikel 33 Abs. 1: Kein Flüchtling darf in ein Gebiet abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit bedroht sind. Wer sich auf diesen Artikel bezieht, wird in der heutigen Zeit schnell als Moralist oder Gutmensch bezeichnet bzw. verdammt. Ich bin darüber erschüttert, dass überhaupt die Bedeutung von Menschenrechten diskutiert wird. Menschenrechte sind kompromisslos. Soll man im Mittelmeer etwa nur jeden Zweiten ertrinken lassen oder nur den retten, der für den deutschen Arbeitsmarkt brauchbar ist? Es ist ein Rückfall in die Barbarei, wenn im Internet, in Zeitungen, Zeitschriften und auch im öffentlichen Rundfunk darüber diskutiert wird, ob man Menschen in Lebensgefahr retten oder lieber sterben lassen soll. Auch bei Selbstmördern, die eigentlich freiwillig sterben wollen, muss menschliches Leben gerettet werden. Selbst im barbarischen Zweiten Weltkrieg galt unter Marinesoldaten das ungeschriebene Gesetz, dass die Besatzung eines versenkten Feindschiffes geborgen werden muss und mit Nahrung und Trinkwasser zu versorgen ist. Es gibt in einem Rechtsstaat keine Alternative: menschliches Leben muss immer, überall und ausnahmslos gerettet werden. Wer solche Diskussionen führt bzw. Vor-und Nachteile der Lebensrettung abwägt, hat die einfachsten Grundlagen der Menschenrechte und der christlichen Gebote nicht verstanden.

Die vielschichtigen Fluchtursachen sind zu bekämpfen. Neben den Kriegen in der arabischen Welt, der neokolonialen Ausbeutung der afrikanischen Staaten und der ungleichen Verteilung des Reichtums zwischen der Nord- und Südhälfte der globalen Welt wird der Klimawandel  zukünftig die Flüchtlingsströme vergrößern. Die Länder, die am meisten betroffen sind (zum Beispiel in Afrika), können kaum alleine mit den klimabedingten Problemen fertig werden. Es wird prognostiziert, dass in Afrika „im Jahr 2020 zwischen 75 und 250 Millionen Menschen kein ausreichendes Trinkwasser haben werden.“[3] Es kann nicht sein, dass die Menschen des Südens mit dieser Situation alleine gelassen werden, den Kontinent Afrika nicht verlassen können und die Freizügigkeit mit Hilfe der EU massiv unterdrückt wird. Auch das von ausländischen Investoren durchgeführte „landgrabbing“ in Afrika muss international geächtet und gestoppt werden.

Wäre es möglich, dass die Menschen in den ärmeren Ländern den westlichen Lebens- und Konsumstil kopieren könnten, gäbe es möglicherweise weniger Fluchtbewegungen. Im Gegenzug würde die Traglast des Planeten zusammenbrechen, dass Ökosystem wäre ruiniert und der Klimawandel stellte sich als echte Klimakatastrophe dar. Durch die derzeitige Flüchtlingspolitik wird die Bewegungsfreiheit von Menschen in vielerlei Hinsicht eingeschränkt, während sich das Kapital weltweit frei bewegen kann. Wenn Olaf Henkel, früherer Verbandsfunktionär der Unternehmer, mit einer unschuldigen Miene verkündet, das Kapital gehe überall da hin, wo es sich wohlfühlt, scheint dieses Prinzip für Menschen und erst recht nicht für Flüchtlinge zu gelten.  Flüchtlingsbewegungen sind sehr häufig eine Reaktion auf Krisen, die durch die freie Bewegung der Kapitalströme hervorgerufen werden. Kapitalistisch geprägte Wirtschaftssysteme funktionieren nur, wenn es Gewinner und Verlierer gibt. Also existiert in vielen Ländern eine Klasse von Menschen die nichts besitzen außer sich selbst. Sie sind also auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesen. Daraus folgt, dass viele Menschen ihre Heimat, der Not gehorchend, verlassen müssen. Die Not wird sich zukünftig durch den Klimawandel verstärken.

[2]https://de.statista.com/statistik/daten/studie/76095/umfrage/asylantraege-insgesamt-in-deutschland-seit-1995/, aufgerufen am 17.01.2017

[3] Harald Welzer, Klimakriege, Frankfurt am Main, 2008, S. 57.

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