Der Zustand des Waldes

23. Oktober 2024

„Schmeicheln wir uns indes nicht zu sehr mit unsern menschlichen Siegen über die Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns.“ (Friedrich Engels, Fragmente zur „Dialektik der Natur“) 

Um es vorwegzunehmen – die Waldziele (forest goal) für das Jahr 2030 werden nicht erreicht. Nach internationalen Versprechen soll die globale Entwaldung und Waldschädigung spätestens im Jahr 2030 gestoppt und umgekehrt werden. Daraus wird aber nichts, weil der kürzlich veröffentlichte Bericht „Forests under fire: Tracking progress on 2030 forest goal“ zu einem anderen Ergebnis kommt. Einerseits enthält der Bericht eine Untersuchung zur Beendigung der Entwaldung und der Waldschädigung und andererseits werden die Auswirkungen der Verschärfung der zunehmenden Waldbrände analysiert.

Die Folgen der Entwaldung

Der Humanökologe Andreas Malm wies schon in Coronazeiten auf die Konsequenzen der globalen Entwaldung hin. „Bei der Entwaldung handelt es sich nicht nur um einen Motor des Biodiversitätsschwunds, sondern auch des zoonotischen Spillover  selbst. Werden Schneisen durch tropische Wälder geschlagen, Flächen gerodet, Außenposten tiefer und tiefer ins Landesinnere verlegt, kommt der Mensch mit all den wimmernden Lebewesen in Kontakt, die bisher unbeeinträchtigt ihr Dasein fristeten. Menschen besetzen oder fallen in Gebiete ein, in denen sich Krankheitserreger in Hülle und Fülle tummeln.“[1]  

Aber nicht nur tropische Wälder sind von der globalen Entwaldung betroffen, sondern auch verstärkt deutsche Wälder. Dies geht aus dem Waldzustandsbericht der Bundesregierung hervor (vgl. 13. Mai 2024 Pressemitteilung Nr. 43/2024 und Bericht der vierten Bundeswaldinventur vom 08.10.2024). Der Bericht geht nicht davon aus, dass die angestrebte Klimaneutralität realisiert werden kann. Das Pariser Klimaabkommen von 2015 beschreibt das Phänomen der Klimaneutralität im Artikel 4.1 als „Gleichgewicht zwischen den anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen aus Quellen und dem Abbau solcher Gase durch Senken “. Diese zweifelhafte Klimaneutralität ist seit dem 09. Oktober 2024 in weite Ferne gerückt, weil der deutsche Wald nicht mehr beim Klimaschutz hilft. Die kürzlich veröffentlichte Bundeswaldinventur kommt zu dem Ergebnis, dass der Wald selbst zu einer „Kohlenstoffquelle“ geworden ist. Der deutsche Wald gibt inzwischen mehr Kohlenstoff ab, als er aufnehmen kann. Dieses Worst-Case-Szenario findet hingegen kaum Beachtung in der deutschen Öffentlichkeit.

Der neuste Waldzustandsbericht stellt außerdem fest, dass seit Beginn der Erhebung im Jahr 1984 die Anteile der Schadstufen 2 bis 4 und die mittlere Kronenverlichtung, also der sichtbare Blatt- und Nadelverlust, aller Baumarten angestiegen ist. Nach dem Dürresommer 2018 konnten im Jahr 2019 die deutlichsten Veränderungen beobachtet werden.

Der Wald und die Wirtschaft

Der Bericht „Forests under fire: Tracking progress on 2030 forest goal“ kommt zu dem Ergebnis, dass die Ziele für nachhaltige Entwicklung, Klima und Natur nur erreicht werden können, wenn das Wirtschaftssystem sich ändert und alternative Wege beschritten werden. Der im Jahre 2013 verstorbene deutsche Soziologe Burkart Lutz verstand jeden Wachstumsschub kapitalistischer Ökonomien als Landnahme. Insbesondere beim Wald muss nicht nur die Landnahme gestoppt werden. Der Wald muss außerdem ökologisch sinnvoll  bewirtschaftet werden, damit er wieder zu einer Kohlenstoffsenke werden kann. Dies wird erreicht, indem die Ausbeutung des Waldes gestoppt und er in Ruhe gelassen wird. Eine zunehmende Waldbrandgefahr durch zukünftige Dürren lässt sich nur mit einer tiefgreifenden Umstrukturierung des Waldes, der Waldwirtschaft und des Forstmanagements verhindern.[2]

Die Waldbrände nehmen weltweit zu

Im Jahr 2023 ist die Anzahl der Waldbrände stark angestiegen. Allein in Brandenburg wurden 2022 doppelt so viele Waldbrände nachgewiesen wie im Vorjahr. Die Waldbrandgefahr steigt weltweit stark an. Sie könnten ein Indikator dafür sein, dass die nördlichsten Waldzonen der Erde den Klimawandel entscheidend verschärfen. Auch die borealen Nadelwälder, die sich von Kanada über Alaska, Sibirien und Skandinavien erstrecken, könnten zukünftig mehr CO2 abgeben als sie speichern. Es ist paradox, wenn die Wälder zur Beschleunigung des Klimawandels beitragen würden. Dabei werden sie in allen Berechnungen zur Klimaneutralität als Bremse des Klimawandels hervorgehoben. Welch ein fataler Irrtum. Die Großbrände überdauern immer häufiger den Winter, weil sie im Untergrund weiter glimmen. Diese sogenannten »Zombie-Feuer« erhöhen die Waldbrandgefahr mit zunehmender globalen Erwärmung.

Bei der Waldbrandbekämpfung spielt feuchtes Totholz eine entscheidende Rolle. Damit kann zwar kein Waldbrand verhindert werden, aber eine Feuerwalze kann damit gebremst werden. Damit vereinfachen sich die Löscharbeiten. Gesunde Wälder haben an warmen Sommertagen ein um 8 Grad Celsius vermindertes Waldinnenklima. Dies ist nur möglich, wenn das Kronendach des Waldes geschlossen ist. Die Kronenverlichtung nimmt aber, nach dem aktuellen Waldzustandsbericht, signifikant ab. Am günstigsten wäre es, wenn die Sonne den Waldboden kaum berührt. Dadurch kann er sich nicht erwärmen und die Gefahr des Austrocknens ist ebenfalls gebahnt. Deshalb sollten Waldinseln wieder verbunden und Fuhrwege, Lichtungen und Gassen für die Industriemaschinen vermindert werden. Eine Verschärfung der Genehmigungsverfahren für Waldschneisen wäre wünschenswert. Dies ist aber nur Wunschdenken, weil momentan Stromtrassen von Nord nach Süd auf die Befindlichkeiten der sensible Biosphäre Wald keine Rücksicht nehmen. Auch werden Waldinseln vielfach nicht zusammengeführt, weil diese Inseln für den Bau von Windkrafträdern in Frage kommen.


[1] Andreas Malm, KlimaIx, Berlin, 2020, S. 63

[2] Die im August 2024 vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) veröffentlichte Studien (UFZ-Waldzustandsmonitor) kommt zu ähnlichen Ergebnissen.

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