Immer mehr Menschen verdingen sich als „Crowdworker“. Es klingt zunächst positiv. Man klappt zu Hause seinen Laptop auf, setzt sich auf das Sofa und beginnt zu arbeiten. Die Arbeitsaufträge lassen sich aus dem Internet aufrufen und sie werden logischerweise digital bearbeitet. Da keine Arbeitsverträge vorliegen, sind solche Crowdworker keine Angestellten, sondern sie gelten als selbstständig und die Arbeitnehmerschutzrechte finden keine Anwendung. Deshalb sind auch keine Sozialversicherungsbeiträge fällig. Es wird weder in die Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung eingezahlt, noch werden Unfallversicherungsbeiträge abgeführt. Auch haben Selbstständige keinen Anspruch auf einen Mindestlohn. Deshalb ist die Bezahlung der Crowdworker außerordentlich niedrig.
Durch die schöne neue digitale Welt wird Crowdwork zunehmen und die Menschen, die in solchen Systemen arbeiten, verlieren ihren arbeitsrechtlich garantierten Arbeitnehmerschutz. Außerdem bewirbt man sich nicht mehr auf eine Arbeitsstelle. Jeder der sich auf solch eine Plattform anmeldet, kann mitarbeiten. Es ist möglich, abends, nachts und am Wochenende zu arbeiten. Für die Arbeitgeber sehr praktisch und ein flexibles Instrument, weil unabhängig von Zeit und Raum produziert werden kann. Außerdem wird die Arbeitsleistung durch Algorithmen überwacht. Dadurch werden Bewertungssysteme aufgebaut und die Beschäftigten, die ihre Leistung nicht bringen, werden einfach nicht bezahlt. Kündigungsschutz, Fehlanzeige.
Die Digitalisierung löst das gesellschaftliche Miteinander, dass durch den persönlichen Kontakt von arbeitenden Menschen besteht, tendenziell auf.
Während des Wahlkampfes zum Bundestag im Jahr 2017, der gescheiterten Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU, FDP und Grüne und auch innerhalb der GroKo – Verhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD wurden die Politiker sämtlicher beteiligten Parteien nicht müde zu behaupten, dass Deutschland ein schnelleres Internet benötigt. Das klingt zunächst einmal vernünftig. Die Probleme hingegen, die sich bei der digitalen Umstellung in der Produktion und auch in der Gesellschaft ergeben werden, wurden überhaupt nicht angesprochen und analysiert.
Das wird besonders deutlich bei dem von der Bundesregierung initiierten Projekt Industrie 4.0. Die darin verankerte Digitalisierung der Produktion wird zwangsläufig zum Abbau von Arbeitsplätzen führen und den Reichtum der Unternehmer mehren. Deshalb ist die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) zu diskutieren. Auch wenn die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen momentan Konjunktur hat, muss dieses trotzdem hinterfragt werden. Zweifelsfrei werden durch die Digitalisierung viele Jobs wegfallen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen darf aber die bestehenden, gut funktionierenden Sozialsysteme nicht gefährden. Die Ursache für die gesellschaftlichen Differenzen (soziale Ungleichheit, Einkommensungerechtigkeiten, prekäre Beschäftigungsverhältnisse) liegen nicht im Sozialsystem, sondern sie wurden durch die Politik der Agenda 2010 ausgelöst. Die Ursachen für Armut werden durch ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht beseitigt.
Auch wenn ein bedingungsloses Grundeinkommen viele Vorteile bietet, darf ein wesentlicher Nachteil nicht übersehen werden, nämlich die Spaltung der Gesellschaft in Menschen die arbeiten und somit eine Leistung erbringen und Menschen die nicht arbeiten. Sinnvoller sind Modelle, die die gesellschaftliche Kooperation in den Mittelpunkt stellen. Für jede Gesellschaft ist die soziale Teilhabe von entscheidender Bedeutung. Dies kann nur durch eine nachhaltige Teilhabe am Erwerbsleben vollzogen werden. Damit kann die soziale Identität vieler Bürgerinnen und Bürger hergestellt werden. Arbeit hält das Leben zusammen, man bekommt Anerkennung und sie hat einen sozialen Sinn.
Deshalb kann vermutet werden, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen eine tendenziell unsolidarische Grundkonzeption hat. Das erklärt auch, dass liberale und neoliberale Ökonomen und einige Unternehmer diesem Konzept etwas Positives abgewinnen können. Unternehmen sind verpflichtet, vernünftige sozialversicherungspflichtige Arbeitsverträge vorausgesetzt, die Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen. Dieser Posten stellt eine erhebliche Kostenbelastung dar, die die Unternehmen einsparen wollen. Ein ausschließlich steuerfinanziertes bedingungsloses Grundeinkommen würde die Unternehmen massiv entlasten. Dies kann nicht richtig sein.
Insgesamt benötigen wir einen neuen Gesellschaftsvertrag, der den Sozialstaat nicht antastet. Außerdem müssen die Vor-und Nachteile eines bedingungslosen Grundeinkommens realistisch ausgelotet werden. Schlussendlich müssen aber die Ursachen bekämpft werden. Der Verursacher der Agenda 2010, Gerhard Schröder, preiste auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos im Jahre 2005 seine Hartz IV Reform an: „Wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt.“ Die Agenda 2010 muss auf den Prüfstand und gegebenenfalls abgeschafft werden, Einkommens- und Vermögensgerechtigkeit ist herzustellen, eine Reduktion der Arbeitszeit ist dringend vonnöten und der Wettbewerb muss zugunsten einer gesellschaftlichen Kooperation in seine Schranken verwiesen werden.