„Die Migrationsdebatte ist vielleicht der Kulminationspunkt der
gegenwärtigen Europa-Krise, aber sie ist nur ein Problem von vielen.“
(Sigmar Gabriel, Ex-Vizekanzler, SPD)
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Die ökonomischen Probleme Europas werden nicht ausreichend diskutiert. Der öffentliche Diskurs findet momentan ausschließlich in der Flüchtlingsdebatte statt. Gegenwärtig hält ökonomisch nur eine einzige Organisation den Kontinent zusammen, die Europäische Zentralbank (EZB).
Auch wenn es anders erscheint, die Finanzkrise aus dem Jahre 2008 ist noch lange nicht überwunden. Der italienische EZB-Chef Mario Draghi wird seit dem nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen, dass er mit seiner Geldpolitik nur Zeit kaufen kann; die wirtschaftlichen Probleme können aber durch die Geldpolitik nicht gelöst werden. Recht hat er, die autonome EZB ist keine Organisation die Wirtschaftspolitik betreiben sollte. Wir warten seit fast zehn Jahren auf echte Reformen.
Obwohl die EZB eigentlich nur der Geldpolitik verpflichtet ist, hält sie Europa wirtschaftspolitisch durch die Niedrigzinspolitik im Rennen. Flankierend werden Staatsanleihen im großem Umfang gekauft. Das Volumen dieser Ankäufe betrug in den letzten Jahren fast zwei Billionen Euro. Gleichzeitig wuchs die Staatsverschuldung der Euro-Staaten von 62 Prozent des BIP´s (2008) auf inzwischen 82 Prozent. Da die Leitzinsen bei annähernd null Prozent liegen, sind Zinssenkungen nicht möglich bzw. nicht kompatibel mit einer seriösen Geldpolitik. Der Gestaltungsspielraum der EZB ist erschöpft, ein „zubuttern“ ist nicht mehr möglich.
Außerdem deutet sich der Klimawandel an. Was hat der Klimawandel mit der Zinspolitik der EZB zu tun? Nun ja, um die Wirtschaft gleichgewichtig zu gestalten, muss die EZB die Inflationsrate beobachten. Wenn Wirtschaftsgüter teurer werden, steigt die Inflationsrate, dass Geld wird weniger wert. Also muss die EZB eingreifen und die Zinssätze erhöhen, um den Geldwert stabil zu halten. Dies ist die eigentliche Kernaufgabe der EZB. Wenn nun die Lebensmittelpreise, bedingt durch den Klimawandel (z.B. extrem schlechte Ernten) steigen und die Inflation anzieht, ist die Zentralbank gezwungen, die Zinssätze zu erhöhen. Ob dieses Szenario eintrifft, lässt sich gegenwärtig nicht genau prognostizieren. Namenhafte Wirtschaftsinstitute sind aber der Auffassung, dass der Konjunkturzyklus sich dem nächsten Abschwung nähert. In der volkswirtschaftlichen Theorie muss in einer solchen Situation die Notenbank (EZB) dafür sorgen, dass sich der Abschwung nicht zu einer Depression entwickelt. Im Normalfall kann die Notenbank dagegen steuern und Zinssenkungen einleiten. Da bei einem Leitzins von circa null Prozent der Köcher leer ist, hat die EZB keinen Gestaltungsspielraum. Die EZB sollte die Wirtschaftspolitik zwar unterstützen, sie kann aber keine aktive Politik betreiben, sondern nur Zeit kaufen. Politiker sind aufgefordert, finanzwirtschaftliche Reformen einzuleiten, weil sich die nächste Finanzkrise schon andeutet.
Deutschland hat eine ambivalente Haltung zur Europäischen Zentralbank. Einerseits ist die Geldpolitik der EZB umstritten, andererseits profitiert gerade Deutschland von dieser geldpolitischen Situation. Die öffentlichen Haushalte können sich, dank der Zinsflaute, günstig verschulden. Durch den niedrigen Leitzins sind die stattlichen Zinsausgaben, nach Aussagen des Statistischen Bundesamts, um 8,7 Prozent zurückgegangen.
Es werden zunehmend Anleihen, Schuldverschreibungen und Obligationen verkauft. Händler an den Wertpapierbörsen der Welt reiben sich die Hände. Es werden immer mehr Anleihen platziert, demzufolge kassieren die Banker kräftig Provisionen und die Banken verdienen. Weltweit wurden noch nie so viele Anleihen gehandelt wie zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Demzufolge lassen die Investmentbanker die Sektkorken knallen und die Börse boomt. Dies ist keineswegs erfreulich, weil maßgebliche Ökonomen schon die nächste Finanzkrise am Horizont aufziehen sehen. Anleihen sind Schuldverschreibungen. Wenn Unternehmen oder auch der Staat eine Anleihe auflegt, wachsen die Schulden der Unternehmen beziehungsweise des Staates. Die globale Verschuldung wächst momentan dramatisch. Der Internationale Währungsfonds (IWF) beziffert sie bei 164 Billionen Dollar, dies entspricht 225 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung.
Viele Ökonomen sind der Auffassung, dass die nächste Finanzkrise durch die Verschuldung der Unternehmen ausgelöst wird. Sollten die Zinsen steigen, müssten die Unternehmen viel mehr Geld für ihre Schulden ausgeben. Dies wird viele Unternehmen überfordern und die arbeitende Bevölkerung könnte mal wieder zur Kasse gebeten werden, wenn es zu Massenentlassungen auf dem Arbeitsmarkt kommen sollte.