»Bei der Ausbeutung von Mensch und Natur geht der Kapitalismus sehr gründlich vor.« (Kohei Saito)
Auch wenn das Wirtschaftswachstum kritisch zu hinterfragen ist, findet in der Natur glücklicherweise Wachstum statt. Es gibt nichts Schöneres als ein wachsender Wald und ein wachsendes Moorgebiet. Jeder Gärtner erfreut sich über wachsende Pflanzen und jeder Landwirt über eine auskömmliche Ernte. Eine wachsende Regeneration des Anbaubodens hilft bei der Bekämpfung des Klima- und Umweltschutzes. Hierbei spielt das Moor eine herausragende Rolle.
Im 18. Jahrhundert war der Klimawandel vollkommen unbekannt und man wusste noch nicht, dass trockengelegte Moore CO2 emittieren. Um landwirtschaftliche Nutzflächen und Brennstoffe zu gewinnen, wurden Moore deshalb entwässert. Somit standen die Moore als CO2-Senken nicht mehr zur Verfügung. Außerdem wurde der abgebaute Torf als Brennstoff verwendet, der ebenfalls CO2 freisetzte. Die Bilanz der letzten 200 Jahren – nur noch 2 Prozent der ursprünglichen Moore sind intakt.
Für die Bekämpfung des Klimawandels ist entscheidend, dass weitere Bodenversiegelungen die Ausnahme bleiben und weitere Flächen geschützt werden müssen. In Deutschland sind bereits über 90 Prozent der Auenwälder und Moore trockengelegt worden. Außerdem wurden unzählige Flüsse begradigt. Gegenwärtig sind in Deutschland sechs Prozent der Landfläche streng geschützt und nur 0,6 Prozent als Wildnisgebiete ausgewiesen. Zumal in Deutschland jeden Tag 60 Hektar Boden durch Straßen- und Häuserbau verloren geht. Es kann nicht sein, dass durch den Bau von neuen Autobahnen Moore in Anspruch genommen werden. Beispielsweise würde der Bau der Küstenautobahn A 20 unverbaute Kulturlandschaften und Moore zerstören.[1] Die Flächen werden dringend benötigt, um CO2 zu binden und Grundwasser zu bilden. Wir müssen unseren Boden, unsere Wälder, Flüsse und Moore schützen, damit sie uns schützen können.
Durch die Generierung von Humus können die Ziele des Klimawandels und der Biodiversität miteinander vereint werden. Dies hört sich zunächst einfach an und sollte auch machbar sein. Es gibt aber ein Problem, dass sich unmittelbar aus dem Klimawandel ergibt. Durch die Erderwärmung trocknen die Humusböden weltweit aus. Die Böden in der Taiga bestehen aus einer sehr dicken Humusschicht, die sich hervorragend als Kohlenstoffspeicher eignet. Der Boden ist feucht und kühl. Durch den Klimawandel trocknet der Humusboden aus und begünstigen somit die Gefahr von intensiven Bränden, die wiederum CO2 in die Atmosphäre entlassen. Ähnlich verhält es sich mit dem arktischen Boden, der circa eine Billionen Tonnen CO2 speichert. Diese Menge befindet sich auch gegenwärtig in der Atmosphäre. Wenn nun der Klimawandel den arktischen Boden »auftaut«, wird es gewaltige Veränderungen geben. Gegenwärtig ist das CO2 noch relativ sicher gebunden. Dies könnte sich aber mit fortschreitender Erwärmung ändern. Es wäre nicht nur vermessen, sondern auch falsch, dem Klimawandel die Schuld an der Austrocknung des Humusbodens zu geben. Leider finden wir, häufig unbedacht, solche Aussagen in der Berichterstattung und in den Medien. Richtig formuliert muss es heißen, dass nur und ausschließlich die Menschheit für die Austrocknung des Humusbodens verantwortlich ist, weil sie den Klimawandel vorantreibt und zu wenig dagegen unternimmt. Der Klimawandel kann niemals schuld sein.
Als 16-jähriger niedersächsischer Schüler habe ich manchmal, um mir eine wenig Geld zu verdienen, in den Ferien im Moor gearbeitet. Damit der Torf gut trocknen konnte, musste er gewendet werden. Die Torfstecher ließen die Torfsoden liegen und wenn die Oberfläche weitestgehend trocken war, kamen die Torfwender, das war mein Arbeitsbereich, zum Einsatz. Damals wusste ich nichts vom Klimawandel und die ökologische Bedeutung des Moores war mir kaum bekannt. Wenn ich heute, über 50 Jahre später, meine alte „Arbeitsstelle“ aufsuchen möchte, muss ich sehr genau schauen, um sie zu finden. Zwar ist Niedersachsen das moorreichste Bundesland, die Moore sind aber kaum zu erkennen, weil sie inzwischen landwirtschaftlich genutzt werden. Durch die breit angelegte Entwässerung sind sie einfach verschwunden.
Jedes Moor, das in Deutschland entwässert wird, ist ein Verbrechen gegen das Klima. Ursprünglich waren ein Zwanzigstel der Fläche in Deutschland von Mooren bedeckt, das sind 1,5 Millionen Hektar. Über 95 Prozent davon sind heute tot. Urbanmachung und Torfabbau sorgen dafür, dass weltweit jedes Jahr 5.000 km2 Moore vernichtet werden. Auch wenn es unglaublich klingt, das weltweit größte Moor liegt in Afrika. Es ist im Kongobecken (Cuvette Centrale) unter dem Regenwald verborgen.
Moore haben sich seit der letzten Eiszeit stark ausgebreitet. Heute verschwinden sie 10-mal schneller, als sie sich seit dieser Zeit ausgebreitet haben. Wenn Torfmoore nur als Sequestrierungspotenzial gesehen werden, dann wird das Moor nicht als lebender Organismus betrachtet, sondern eher als tote Maschine. Dieses Land könnte eine CO2-Senke sein, wird aber, durch die Entwässerung, zu einer Emissionsquelle. Durch die Trockenlegung wird sehr viel Kohlenstoff frei und gelangt dann in die Atmosphäre. Moore haben die Eigenschaft, dass sie wachsen und somit vermehrt Kohlenstoff einlagern können. Dieses Wachstum vollzieht sich aber sehr langsam. Ein naturbelassenes Moor wächst einen Zentimeter pro Jahr, also einen Meter in 100 Jahren. Die Vernichtung der Moore vollzieht sich rasend schnell, der Aufbau geschieht indes sehr langsam.
Außerdem wird durch den Abbau von Mooren die Artenvielfalt gefährdet, weil Biotope für bedrohte Tier- und Pflanzenarten verloren gehen. Die Wissenschaftler des Thünen-Instituts geht davon aus, dass in Deutschland jährlich 1,5 Promille Humusboden verloren gehen. Die Verdichtung des Bodens nimmt in Deutschland mit sechzig Hektar Flächenfraß täglich zu. Wenn der Humusboden weltweit jedes Jahr um 4-Promille wachsen würde, könnte das Klima wirksam geschützt werden, weil »Moore auf nur drei Prozent der globalen Landfläche doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder zusammen«[2] speichern. Zu diesen Wäldern gehören der tropische Regenwald, die Nadelwälder der Taiga und alle sonstigen Wälder. Die heutigen noch lebenden Moore der Welt binden jährlich 200 Millionen Tonnen CO2. Auf keinem Kontinent wurden so viel Moore vernichtet wie in Europa. Gleichzeitig gehören die Europäer zu den größten CO2-Emittenten der Welt. Neben vielen europäischen Staaten gilt die Humuswachstumsvorgabe auch für Deutschland, weil wir die zugehörige internationale Deklaration in Paris im Jahr 2015 als Erstunterzeichner mittragen. In Deutschland stellen Moore große Kohlenstoffsenke dar und trockengelegte Moore sind im Umkehrschluss sehr große CO2-Schleudern. Also muss Deutschland unverzüglich mit der Landnahme von Mooren aufhören. Wenn möglich, müssen Moore renaturiert und neu geflutet werden.
Fazit
Wenn die Bundesregierung den Klimawandel ernst nehmen würde, darf der Humusboden nicht abnehmen, sondern er müsste um 4-Promile jedes Jahr wachsen. Durch die zunehmende Industrialisierung der Land- und Forstwirtschaft und der Verdichtung des Bodens durch Wohnungs- und Straßenbau findet aber ein ständiger Humusverlust statt. Um die CO2-Quelle wieder zur CO2-Senke zu transformieren, müssen die Moore wieder vernässt werden. Dann wird das Moor vom Wasser luftdicht verschlossen und Kohlendioxid bleibt da, wo er hingehört – im Boden.
[1] Die Autobahn A 20 ist auf 200 Kilometer ausgelegt und sie soll die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein verbinden.
[2] Ingrid Wenzl, Feuchtgebiete, in: der Freitag vom 21.April 2022, Nr.16, S.15.