„Wir schmieden dauernd zu viele Pläne und denken dauernd zu wenig nach.“
Joseph Schumpeter
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Die Corona-Krise befeuerte die Diskussion um die Globalisierung. Wir merken, wie abhängig wir von globalen Lieferketten sind. Dieser Sachverhalt trifft auch auf ein wichtiges Konsumgut der westlichen Welt zu: die Jeans.
Die Reise beginnt
 Wir beginnen in Kasachstan. In großen Plantagen wächst hier der Rohstoff – die Baumwolle. Pestizide sorgen dafür, dass lästige oder schädliche Lebewesen getötet werden. Die Baumwolle wird entweder von Hand oder mit Hilfe von Maschinen geerntet. Jetzt wird Transportleistung benötigt, weil die Baumwolle in die Türkei versandt wird. Eine türkische Spinnerei spinnt die Baumwolle zu Garn. Aus diesem Garn wird in den Webereien in Taiwan der Jeansstoff produziert. Die chemische Indigofarbe (blau) wird zum Einfärben des Jeansstoffes in Polen hergestellt. In Tunesien laufen im wahrsten Sinn des Wortes die Fäden zusammen. Die Garne kommen aus der Türkei, der Jeansstoff aus Taiwan und die Indigofarbe aus Polen. In Tunesien werden Garne und Stoffe eingefärbt. Danach geht der Jeansstoff zur Veredelung nach Bulgarien, um ihn weich zu machen. Jetzt laufen in China die Fäden zusammen. Der Jeansstoff kommt aus Bulgarien, die Knöpfe und Nieten aus Italien und der Futterstoff aus der Schweiz. Die Jeans wird in China fertiggestellt und nach Frankreich transportiert. In Frankreich wird die Hose mit Bimsstein, der aus Griechenland kommt, gewaschen, damit der sogenannte »stone-washed-effect« entstehen kann. Jetzt geht die Jeans nach Deutschland, das Firmen-Label wird aufgenäht und gegebenenfalls wird noch ein Aufdruck »Made in Germany« platziert.
Die Reise endet in Deutschland
 Im Einzelhandel angekommen, hat die Jeans mehr als 50.000 Kilometer zurückgelegt und 8.000 Liter Wasser verbraucht. Für das Ökosystem ergeben sich viele negative Konsequenzen. Ein beträchtlicher Teil der Umweltverschmutzung, verursacht durch deutsche Produkte, findet im Ausland statt. Konsumgüter, die für den deutschen Markt in China produziert werden, belasten die dortige CO2-Bilanz. Bedingt durch die vielen Transportkilometer wird eine große Menge Rohöl verbraucht und die Atmosphäre muss sehr viel Kohlendioxid und andere schädliche Stoffe aufnehmen. Für die Bewässerung benötigen die Baumwollplantagen eine sehr große Menge Wasser. Um die Schädlinge zu bekämpfen, werden viele unterschiedliche Chemikalien, die mehr oder weniger gesundheitsschädlich sind, eingesetzt. Diese Chemikalien verseuchen die Böden, das Grundwasser und die Luft. Überschüssige Reste der giftigen Farbstoffe werden in die Flüsse nahe der Färberei eingeleitet. Neben diesen Umweltverschmutzungen hat die Jeansproduktion auch negative Auswirkungen auf die Arbeiterinnen und Arbeiter, die unter ungesunden Arbeitsbedingungen die Hosen herstellen müssen. Meistens sind es unterbezahlte Frauen und Kinder, die arbeitsrechtlich wenig Schutz erfahren. Dies wird in der Corona-Krise besonders deutlich. Auch ist in den Textilfabriken von Bangladesch die Bausubstanz so marode und einsturzgefährdet, dass nicht selten die Arbeiterinnen und Arbeiter mit ihrem Leben bezahlen müssen, wenn sie die Fabrik betreten.
Die schöpferische Zerstörung
Nicht nur Discounterriesen stellen ihre Jeans und sonstige Kleidung in maroden Gebäuden mit unhaltbaren Arbeitsbedingungen und geringen Löhnen in asiatischen Ländern (vor allem in Bangladesch) her. Die in Bangladesch ansässigen Organisationen wie FEMNET oder der Clean Cloth Campaign (CCC) stellen fest, dass auch teure Luxuslabels und Marken in denselben maroden Fabrikhallen mit dem gleichen unterbezahlten Personal herstellen lassen, wie die günstigen Handelsketten. Die heutige Jeansmode bringt die schöpferische Zerstörung eindeutig zum Ausdruck, denn die fertig hergestellte Jeans wird im Anschluss tatsächlich zerstört. Man verwendet sehr viel Energie, um diese Jeans mit Löchern zu versehen, den Stoff auszudünnen, Garne zu entfernen, um insgesamt die neue Jeans alt aussehen zu lassen. Diese alt aussehende Jeans lässt sich als Mode- und Designerware dann sehr teuer verkaufen. Je löchriger die Hose, desto höher ist der Preis. Es wird immer schneller konsumiert und auch schneller weggeschmissen. Hinzu kommt, dass die Jeans in der heutigen Zeit immer weniger im Einzelhandelsgeschäft gekauft wird. Häufig wird die Transportleistung noch erhöht, indem die Jeans im Internet bestellt und bei Nichtgefallen auch schnell wieder zurückgeschickt wird.
Fazit
 Die Corona-Krise müsste uns eigentlich die Augen öffnen. Der Diskurs über diesen ökonomischen und ökologischen Wahnsinn bleibt aber leider aus. Waren und Güter werden über große Entfernungen geschickt, allein ein einziger Apfel legt häufig 10.000 Kilometer zurück. Die genannten Beispiele zeigen, dass der materielle Besitz immer schnelllebiger wird bei zunehmendem Transportaufwand. Der Motor der Konsumgesellschaft ist die Verschwendung. Nur wenn in einer Gesellschaft viel weggeworfen wird, wird auch viel gekauft. Sättigungserscheinungen scheint es offensichtlich nicht zu geben. Fraglich ist, wie lange uns die Natur diese Verschwendung noch gestattet.