Ich bin Energiesparer

04. Januar 2023

„Ohnehin sollte niemand davon ausgehen, dass ein Wirtschaftsmodell, das seit knapp 200 Jahren auf fossilen Energien basiert, mit erneuerbaren Energien unverändert weitergehen könnte.“ (Wolfgang Sachs)

Die Älteren werden sich noch erinnern, dass das Bundesministerium für Wirtschaft im Jahre 1980 eine Marketingkampagne mit dem Slogan Ich bin Energiesparer  gestartet hat. Diese Kampagne sollte zum Energiesparen aufrufen und etliche Autofahrer fuhren den abgebildeten Aufkleber spazieren.

Heute wird wieder behauptet, dass die Verbraucher ihr Verhalten ändern, weniger Energie verbrauchen und weniger CO2 ausstoßen sollen. Individuelle Verhaltensänderungen  bringen aber kaum etwas. Natürlich macht es keinen Sinn einen elektrisch betriebenen SUV oder einen entsprechenden Sportwagen zu fahren. „Groß, schwer und hochmotorisiert sind SUV´s wahre Klimakiller. Ein elektrischer, „nachhaltiger“ SUV ist daher so widersinnig wie das Butterschneiden mit einer Kreissäge. Außerdem gilt das physikalische Gesetz ebenfalls für E-Autos, wonach der Luftwiderstand quadratisch mit der Geschwindigkeit ansteigt. Deshalb muss ein Auto bei 200 km/h viermal so viel Kraft aufbringen, um den Luftwiderstand zu überwinden, wie bei 100 km/h. Ähnliches gilt für den Rollwiderstand. Während ein Verbrenner die hohe Geschwindigkeit lange durchhalten kann, gilt dies für den Stromer nicht. Genauer gesagt, dessen Reichweite bricht ganz schnell ein. E-Autos sind folglich ideale Fahrzeuge für mittlere Geschwindigkeiten.“[1]  Wenn der Luftwiderstand sich bei doppelter Geschwindigkeit vervierfacht, ist es ökologisch geboten, die Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h nicht zu überschreiten. Um den Klimawandel wirksam zu bekämpfen, dürfen schwere SUV´s und Sportwagen, ob elektrisch oder herkömmlich angetrieben, nicht mehr produziert werden. Leider wird uns von den Herstellern der SUV`s suggeriert, dass sie nachhaltig sind, weil sie aus den Gewinnen aus dem Verkauf dieser Stadtpanzer erst die Möglichkeit haben, »ökologische« Elektroautos finanzieren zu können. Dann kommt die Krönung der Verlogenheit, denn dies soll, nach Auffassung der Marketing- und Werbestrategen, eine nachhaltige und ökologische Entwicklung darstellen.

 Die industrielle Produktion

Neben dem Wasserverbrauch von ca. 480.000 Liter pro Fahrzeug werden für die Produktion eines einzigen Autos, das durchschnittlich 1,5 Tonnen wiegt, über den gesamten Produktionsprozess hinweg im Schnitt 70 Tonnen Materialien und Ressourcen verbraucht. Je nach Gesamtfahrleistung entstehen 15 bis 20 Prozent der CO2-Emissionen bei der Produktion eines Pkw und ein Prozent beim Recycling. Was beim Betrieb eines Fahrzeugs verbraucht und emittiert wird, ist also nur ein Teil der Ressourcen- und Schadstoffbilanzen von Fahrzeugen. Der Energieeinsatz in der PKW-Produktion betrug im letzten Jahr, nach Berechnungen des Branchenverbandes ACEA, ungefähr 40,5 Megawattstunden pro Fahrzeug. Eine Megawattstunde entspricht 1000 kwh. Also wird für die Produktion eines Autos 40500 kwh Energie benötigt. Es werden beispielsweise 1000 VW Golf pro Tag hergestellt. Das entspricht dann 40,5 Millionen kwh pro Tag. Nur im Werk Wolfsburg laufen aber täglich 3.500 Fahrzeuge vom Band. Insofern ist der Energieverbrauch mit dem Faktor 3,5 zu multiplizieren und es werden 141,75 Millionen kwh pro Tag nur in Wolfsburg benötigt. VW verfügt aber noch über sehr viel andere Werke. Dreiunddreißig Werke befinden sich in China und sie sind für die dortige CO2-Emission mit verantwortlich.

… und der Sport?

Aber nicht nur in der industriellen Produktion schlummern Einsparpotentiale. Auch bei profanen Dingen, wie beispielsweise der Sport, können Einsparungen generiert werden. Schauen wir auf den Fußball. Bei der Fußballweltmeisterschaft in Katar wurden gewaltige Mengen an Energie benötigt, um die Fußballstadien auf ein erträgliches Maß abzukühlen. Die Klimaanlagen liefen auf Hochtouren und in Deutschland passierte das Gegenteil. Die Rasenheizungen liefen weiter, weil sich das Abschalten und das wieder Anschalten nicht lohnt. Eine Rasenheizung für einen Fußballplatz oder für ein Fußballstadion benötigt 500.000 kwh pro Jahr. Fußballplätze sind weitestgehend genormt (circa 68 Meter mal 105 Meter). Insofern ist es egal, ob das Stadion in München oder Paderborn steht. In jedem Fall können mit diesem  Stromverbrauch 125 Einfamilienhäuser pro Jahr versorgt werden. Dies ist aber eine sehr zurückhaltende Berechnung. Andere Berechnungen gehen davon aus, dass eine einzige Rasenheizung pro Tag so viel Energie wie ein Einfamilienhaus im Jahr (ca. 4.000 kWh) verbraucht. Die Rasenheizung ist in der 1., 2. und 3 Liga Pflicht. Das sind insgesamt 56 Vereine. Natürlich gibt es in Deutschland noch weitere Vereine mit Rasenheizung.

Verhaltensänderungen?

Jetzt könnte man meinen, dass die Energiewende die Rettung bringt. Dies stimmt nur sehr bedingt. Meine grundsätzliche Kritik am Emissionshandel habe ich im Blog Mal wieder aktuell: CO2 Zertifikate – am 22.09.2019 auf dieser Homepage dargelegt. Eine weitere Kritik kommt vom Wirtschaftsforscher Achim Wambach. Er erklärte in der „Zeit“: „Wenn nun Sie und einige andere Menschen nicht fliegen und deshalb ein Flug weniger gebraucht wird, benötigt die Airline weniger Zertifikate. Aber die verschwinden damit nicht aus der Welt. Jemand anders wird sie kaufen. Die Menge an CO2, die in die Umwelt kommt, bleibt deshalb am Ende gleich.“ Die Schlussfolgerung – die nicht benötigten Zertifikate werden verkauft, der Marktpreis sinkt und das Zertifikat ist dann beispielsweise für einen spanischen Industriebetrieb interessant. Somit wird sich die Situation für das Klima nicht ändern.

Außerdem müssen Windräder und Solarpanels ebenfalls material- und energieintensiv hergestellt werden. Ulrike Herrmann kommt in ihrem neuen Buch Das Ende des Kapitalismus zu einem erstaunlichen Befund. Bei den Umwandlungs- und Transportprozessen der erneuerbaren Energie „geht immer ein Teil der Energie verloren. Ökostrom ist teuer, nicht billig. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass „die Sonne keine Rechnung schickt.“[56] Licht und Wind sind zwar kostenlos, aber ansonsten ist die Energiewende eine gigantische Materialschlacht.“[2] Die Energiewende ist aber nicht nur eine Materialschlacht, sondern gewissermaßen auch eine „Energieschlacht“. Der grüne Slogan –Die Sonne schickt keine Rechnung- ist auch nur ein Werbetrick. Ein Beispiel: Die „Brandenburgische Glasmanufakturen, die Solarglas für Photovoltaikanlagen herstellen, verbrauchen täglich 420.000 kWh auf der Basis von Gas.“ (Kathrin Gerlof) Für diesen Tagesverbrauch gilt, dass damit circa 105 Einfamilienhäuser pro Jahr versorgt werden können. Daraus folgt, dass die Gleichung »erneuerbar = unbegrenzt = ökologisch« grundsätzlich nicht stimmig ist. Außerdem vernachlässigen „grüne Strategien“ sehr häufig den Rebound-Effekt  und es fehlt oft die kritische Auseinandersetzung mit der Elektrizität. „Während die Elektrizität dem Verbraucher einen hohen Bedienungskomfort garantiert, ist sie andererseits doch auch ein von Natur aus höchst ineffizienter Energieträger. Wenn man zum Beispiel Kohle verbrennt, um damit Generatoren anzutreiben, werden nur 35 Prozent der Kohleenergie in Elektrizität umgewandelt. Weitere Verluste entstehen durch Ãœbertragungskabel und durch Elektromotoren, Lichter, Lampen und andere Elektrogeräte.“[3] Mit Wasserstoff verhält es sich ähnlich. Wasserstoff ist wie der elektrische Strom keine Energiequelle, sondern lediglich ein Energieträger. Auch sogenannter „grüner Wasserstoff“ wird durch Elektrolyse aus Wasser gewonnen. Das klingt zunächst sehr gut, die Sache hat aber einen Haken, denn der Prozess der Wasserstoffproduktion verbraucht grundsätzlich mehr Energie, als der gewonnene Wasserstoff später liefern kann. Selbst wenn das Verhältnis Input zu Output ausgeglichen wäre, nützt der grüne Anstrich nichts. Scheinbar gibt es ein stilles Einverständnis darüber, dass der grüne Strom unendlich ausbaufähig sei.

Fazit

Da auch die Stromproduktion begrenzt ist, wird es also ohne Suffizienz nicht gehen, aber die individuellen Veränderungen im Konsumbereich sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Zielführender ist eine tiefgreifende Reform des Emissionshandels, eine Neuordnung der industriellen Produktion und eine Überprüfung sämtlicher Institutionen. Dies muss aber unverzüglich und durchgreifend geschehen, weil der Planungshorizont in der Produktion sich häufig über mehrere Jahre erstreckt. Es reicht nicht aus, wenn die reichen Länder weniger verbrauchen. Es würde in kürzester Zeit zu einer ungeahnten Krise kommen. Wenn weniger Autos, Möbel und Kleidungsstücke gekauft werden, müssten die Unternehmen schrumpfen und die Belegschaft entlassen werden. Dies würde sofort zu massiven Verwerfungen im Wirtschafts-, Finanz- und Staatssektor führen. Die Konsequenzen wären unabsehbar und sehr dramatisch. Deshalb ist es höchste Zeit in die andere Richtung zu steuern. Um sich vom Wachstumszwang zu befreien, müssen sämtliche Institutionen auf den Prüfstand. Solange die tieferen Strukturen[4] unangetastet bleiben, führt die, von mir präferierte, Suffizienz und Subsistenz zu keiner Lösung. Suffizienz und Subsistenz funktionieren nur, wenn sich die Wirtschaftspolitik in Richtung Postwachstumsökonomie bewegt und die Gesetze der Thermodynamik beherzigt werden. Die vom Physiker und Heisenberg Mitarbeiter Hans-Peter Dürr propagierte 1,5 kW-Gesellschaft muss mittelfristig umgesetzt werden. Demnach ist der Primärenergieverbrauch pro Kopf von nur 1,5 kW pro Stunde zulässig, um die Energieprobleme zu lösen. Wir müssen uns von unseren Energiesklaven wohl verabschieden und mit der Erkenntnis zu leben lernen, dass „Verluste schmerzhaft [sind], wenn das, was man verliert, ein wichtiger Teil der eigenen Identität war“ (Andreas Reckwitz).

[1] Wolfgang Sachs, Frugaler Wohlstand, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 11`22, Berlin, 2022, S.94

[2] Ulrike Herrmann, Das Ende des Kapitalismus, Köln, 2022, S. 145

[3] Richard Heinberg, Öl-Ende, München, 2008, S. 102

[4] Selbst sehr einfache und kostenneutrale Gesetzesänderungen, beispielsweise das Tempolimit, sind mit der FDP nicht zu machen. Gerade die Partei, dessen Markenkern die Marktfreiheit ist, stemmt sich gegen die Abschaffung von Subventionen. Die Autoindustrie wird in Deutschland jedes Jahr mit 15 Milliarden Euro subventioniert. Hierzu zählen das Dienstwagenprivileg, die Pendlerpauschalen und diverse Prämien. Die FDP verweist beim Tempolimit gerne auf die Freiheit der Autofahrer. Was ist eigentlich mit der Freiheit der Fußgänger und der Fahrradfahrer?

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